Jm tausendfachen Grünen schimmert die liebliche Vergiß mein nicht; Vor allen andern Bluhmen aber fiel mir in mein gerührt Gesicht, Jn einer dunkel-rohten Gluht, als wie ein Feuer, hie und da, Und übertraf fast all'an Schein, der einfach wilde, rohte Mah.
Durch den von so verschiednen Farben gemischten Schim- mer, Glanz und Pracht Ward jeder Mensch, der menschlich sieht, ergetzet und recht angelacht; Ja, was die Schönheit noch vermehrt, war, da die Fluht so klar, so rein, Der, von so tausendfacher Schönheit, so hell- geformte Wiederschein, Wo, auf des himmlischen Sapphirs, und oft auf einem grünen Grunde, Der Bluhmen und der Kräuter Schönheit, verschönert und verdoppelt stunde. Und kurz: ein schön- und holder Vorwurf, als dieser bunte Platz uns wiese, Jst man, von Edens Auen selber, und vom verlohrnen Paradiese, Sich nicht vermögend vorzustellen. Wie kommt es denn, daß ein Gemüht, Das sich nicht fast zum Sehen zwingt, dieß alles so gleich- gültig sieht? Wie kommt es, daß man solche Schönheit, mit welcher GOtt die Erde schmückt, Fast nicht des Ansehns würdig achtet, und ohn' Aufmerk- samkeit erblickt?
O
Feld-Bluhmen am Waſſer.
Jm tauſendfachen Gruͤnen ſchimmert die liebliche Vergiß mein nicht; Vor allen andern Bluhmen aber fiel mir in mein geruͤhrt Geſicht, Jn einer dunkel-rohten Gluht, als wie ein Feuer, hie und da, Und uͤbertraf faſt all’an Schein, der einfach wilde, rohte Mah.
Durch den von ſo verſchiednen Farben gemiſchten Schim- mer, Glanz und Pracht Ward jeder Menſch, der menſchlich ſieht, ergetzet und recht angelacht; Ja, was die Schoͤnheit noch vermehrt, war, da die Fluht ſo klar, ſo rein, Der, von ſo tauſendfacher Schoͤnheit, ſo hell- geformte Wiederſchein, Wo, auf des himmliſchen Sapphirs, und oft auf einem gruͤnen Grunde, Der Bluhmen und der Kraͤuter Schoͤnheit, verſchoͤnert und verdoppelt ſtunde. Und kurz: ein ſchoͤn- und holder Vorwurf, als dieſer bunte Platz uns wieſe, Jſt man, von Edens Auen ſelber, und vom verlohrnen Paradieſe, Sich nicht vermoͤgend vorzuſtellen. Wie kommt es denn, daß ein Gemuͤht, Das ſich nicht faſt zum Sehen zwingt, dieß alles ſo gleich- guͤltig ſieht? Wie kommt es, daß man ſolche Schoͤnheit, mit welcher GOtt die Erde ſchmuͤckt, Faſt nicht des Anſehns wuͤrdig achtet, und ohn’ Aufmerk- ſamkeit erblickt?
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<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0314"n="296"/><fwplace="top"type="header">Feld-Bluhmen am Waſſer.</fw><lb/><lgn="3"><l>Jm tauſendfachen Gruͤnen ſchimmert die liebliche Vergiß</l><lb/><l><hirendition="#et">mein nicht;</hi></l><lb/><l>Vor allen andern Bluhmen aber fiel mir in mein geruͤhrt</l><lb/><l><hirendition="#et">Geſicht,</hi></l><lb/><l>Jn einer dunkel-rohten Gluht, als wie ein Feuer, hie und</l><lb/><l><hirendition="#et">da,</hi></l><lb/><l>Und uͤbertraf faſt all’an Schein, der einfach wilde, rohte</l><lb/><l><hirendition="#et">Mah.</hi></l></lg><lb/><lgn="4"><l>Durch den von ſo verſchiednen Farben gemiſchten Schim-</l><lb/><l><hirendition="#et">mer, Glanz und Pracht</hi></l><lb/><l>Ward jeder Menſch, der menſchlich ſieht, ergetzet und recht</l><lb/><l><hirendition="#et">angelacht;</hi></l><lb/><l>Ja, was die Schoͤnheit noch vermehrt, war, da die Fluht ſo</l><lb/><l><hirendition="#et">klar, ſo rein,</hi></l><lb/><l>Der, von ſo tauſendfacher Schoͤnheit, ſo hell- geformte</l><lb/><l><hirendition="#et">Wiederſchein,</hi></l><lb/><l>Wo, auf des himmliſchen Sapphirs, und oft auf einem</l><lb/><l><hirendition="#et">gruͤnen Grunde,</hi></l><lb/><l>Der Bluhmen und der Kraͤuter Schoͤnheit, verſchoͤnert und</l><lb/><l><hirendition="#et">verdoppelt ſtunde.</hi></l><lb/><l>Und kurz: ein ſchoͤn- und holder Vorwurf, als dieſer bunte</l><lb/><l><hirendition="#et">Platz uns wieſe,</hi></l><lb/><l>Jſt man, von Edens Auen ſelber, und vom verlohrnen</l><lb/><l><hirendition="#et">Paradieſe,</hi></l><lb/><l>Sich nicht vermoͤgend vorzuſtellen. Wie kommt es denn,</l><lb/><l><hirendition="#et">daß ein Gemuͤht,</hi></l><lb/><l>Das ſich nicht faſt zum Sehen zwingt, dieß alles ſo gleich-</l><lb/><l><hirendition="#et">guͤltig ſieht?</hi></l><lb/><l>Wie kommt es, daß man ſolche Schoͤnheit, mit welcher GOtt</l><lb/><l><hirendition="#et">die Erde ſchmuͤckt,</hi></l><lb/><l>Faſt nicht des Anſehns wuͤrdig achtet, und ohn’ Aufmerk-</l><lb/><l><hirendition="#et">ſamkeit erblickt?</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">O</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
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Feld-Bluhmen am Waſſer.
Jm tauſendfachen Gruͤnen ſchimmert die liebliche Vergiß
mein nicht;
Vor allen andern Bluhmen aber fiel mir in mein geruͤhrt
Geſicht,
Jn einer dunkel-rohten Gluht, als wie ein Feuer, hie und
da,
Und uͤbertraf faſt all’an Schein, der einfach wilde, rohte
Mah.
Durch den von ſo verſchiednen Farben gemiſchten Schim-
mer, Glanz und Pracht
Ward jeder Menſch, der menſchlich ſieht, ergetzet und recht
angelacht;
Ja, was die Schoͤnheit noch vermehrt, war, da die Fluht ſo
klar, ſo rein,
Der, von ſo tauſendfacher Schoͤnheit, ſo hell- geformte
Wiederſchein,
Wo, auf des himmliſchen Sapphirs, und oft auf einem
gruͤnen Grunde,
Der Bluhmen und der Kraͤuter Schoͤnheit, verſchoͤnert und
verdoppelt ſtunde.
Und kurz: ein ſchoͤn- und holder Vorwurf, als dieſer bunte
Platz uns wieſe,
Jſt man, von Edens Auen ſelber, und vom verlohrnen
Paradieſe,
Sich nicht vermoͤgend vorzuſtellen. Wie kommt es denn,
daß ein Gemuͤht,
Das ſich nicht faſt zum Sehen zwingt, dieß alles ſo gleich-
guͤltig ſieht?
Wie kommt es, daß man ſolche Schoͤnheit, mit welcher GOtt
die Erde ſchmuͤckt,
Faſt nicht des Anſehns wuͤrdig achtet, und ohn’ Aufmerk-
ſamkeit erblickt?
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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