Und in derselben schönen Schooß so hell- gefärbte Bluhmen blüh'n, Daß sie in ihrem bunten Glanz, wie Feur, fast minder blüh'n als glüh'n. Es nahm der Bluhmen bunter Schimmer, und aller Kräuter grüner Schein, Wie ich sie öfters übersahe, mit einem solchen Reiz mich ein, Daß ich aufs menschliche Betragen, da wir oft blind vor ihrer Pracht, Sie nicht bewundern, ja kaum sehen, mit Recht verdrüßlich, aufgebracht, Und, durch die Unaufmerksamkeit, mit Recht gerührt, wie folget, dacht':
Jhr schätzet hoch, ihr preis't, ihr rühmt Geschnitt'nen Sammt, der schön geblühmt, Und ihr habt Recht, die Kunst zu preisen; Allein, den noch viel schönern Sammt, (Der im smaragdnen Glanze flammt, Den euch die schönen Wiesen weisen, Auf welchen, tausend mahl so schön, Lebendige Figuren steh'n, Von Blättern, Kräutern und von Ranken, Worauf bepurpert und vergüldet, Von Fingern der Natur gebildet, Der Bluhmen Urbild selbst zu seh'n,) Den würdigt ihr nicht der Gedanken. Wie schön sonst immer die Copie, So wird dennoch weit mehr, als sie, Ein schönes Urbild stets geschätzet.
Wie,
T 3
Lieblichkeit des Graſes.
Und in derſelben ſchoͤnen Schooß ſo hell- gefaͤrbte Bluhmen bluͤh’n, Daß ſie in ihrem bunten Glanz, wie Feur, faſt minder bluͤh’n als gluͤh’n. Es nahm der Bluhmen bunter Schimmer, und aller Kraͤuter gruͤner Schein, Wie ich ſie oͤfters uͤberſahe, mit einem ſolchen Reiz mich ein, Daß ich aufs menſchliche Betragen, da wir oft blind vor ihrer Pracht, Sie nicht bewundern, ja kaum ſehen, mit Recht verdruͤßlich, aufgebracht, Und, durch die Unaufmerkſamkeit, mit Recht geruͤhrt, wie folget, dacht’:
Jhr ſchaͤtzet hoch, ihr preiſ’t, ihr ruͤhmt Geſchnitt’nen Sammt, der ſchoͤn gebluͤhmt, Und ihr habt Recht, die Kunſt zu preiſen; Allein, den noch viel ſchoͤnern Sammt, (Der im ſmaragdnen Glanze flammt, Den euch die ſchoͤnen Wieſen weiſen, Auf welchen, tauſend mahl ſo ſchoͤn, Lebendige Figuren ſteh’n, Von Blaͤttern, Kraͤutern und von Ranken, Worauf bepurpert und verguͤldet, Von Fingern der Natur gebildet, Der Bluhmen Urbild ſelbſt zu ſeh’n,) Den wuͤrdigt ihr nicht der Gedanken. Wie ſchoͤn ſonſt immer die Copie, So wird dennoch weit mehr, als ſie, Ein ſchoͤnes Urbild ſtets geſchaͤtzet.
Wie,
T 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0311"n="293"/><fwplace="top"type="header">Lieblichkeit des Graſes.</fw><lb/><lgn="5"><l>Und in derſelben ſchoͤnen Schooß ſo hell- gefaͤrbte Bluhmen</l><lb/><l><hirendition="#et">bluͤh’n,</hi></l><lb/><l>Daß ſie in ihrem bunten Glanz, wie Feur, faſt minder bluͤh’n</l><lb/><l><hirendition="#et">als gluͤh’n.</hi></l><lb/><l>Es nahm der Bluhmen bunter Schimmer, und aller Kraͤuter</l><lb/><l><hirendition="#et">gruͤner Schein,</hi></l><lb/><l>Wie ich ſie oͤfters uͤberſahe, mit einem ſolchen Reiz mich ein,</l><lb/><l>Daß ich aufs menſchliche Betragen, da wir oft blind vor ihrer</l><lb/><l><hirendition="#et">Pracht,</hi></l><lb/><l>Sie nicht bewundern, ja kaum ſehen, mit Recht verdruͤßlich,</l><lb/><l><hirendition="#et">aufgebracht,</hi></l><lb/><l>Und, durch die Unaufmerkſamkeit, mit Recht geruͤhrt, wie</l><lb/><l><hirendition="#et">folget, dacht’:</hi></l></lg><lb/><lgn="6"><l>Jhr ſchaͤtzet hoch, ihr preiſ’t, ihr ruͤhmt</l><lb/><l>Geſchnitt’nen Sammt, der ſchoͤn gebluͤhmt,</l><lb/><l>Und ihr habt Recht, die Kunſt zu preiſen;</l><lb/><l>Allein, den noch viel ſchoͤnern Sammt,</l><lb/><l>(Der im ſmaragdnen Glanze flammt,</l><lb/><l>Den euch die ſchoͤnen Wieſen weiſen,</l><lb/><l>Auf welchen, tauſend mahl ſo ſchoͤn,</l><lb/><l>Lebendige Figuren ſteh’n,</l><lb/><l>Von Blaͤttern, Kraͤutern und von Ranken,</l><lb/><l>Worauf bepurpert und verguͤldet,</l><lb/><l>Von Fingern der Natur gebildet,</l><lb/><l>Der Bluhmen Urbild ſelbſt zu ſeh’n,)</l><lb/><l>Den wuͤrdigt ihr nicht der Gedanken.</l><lb/><l>Wie ſchoͤn ſonſt immer die Copie,</l><lb/><l>So wird dennoch weit mehr, als ſie,</l><lb/><l>Ein ſchoͤnes Urbild ſtets geſchaͤtzet.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">T 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Wie,</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[293/0311]
Lieblichkeit des Graſes.
Und in derſelben ſchoͤnen Schooß ſo hell- gefaͤrbte Bluhmen
bluͤh’n,
Daß ſie in ihrem bunten Glanz, wie Feur, faſt minder bluͤh’n
als gluͤh’n.
Es nahm der Bluhmen bunter Schimmer, und aller Kraͤuter
gruͤner Schein,
Wie ich ſie oͤfters uͤberſahe, mit einem ſolchen Reiz mich ein,
Daß ich aufs menſchliche Betragen, da wir oft blind vor ihrer
Pracht,
Sie nicht bewundern, ja kaum ſehen, mit Recht verdruͤßlich,
aufgebracht,
Und, durch die Unaufmerkſamkeit, mit Recht geruͤhrt, wie
folget, dacht’:
Jhr ſchaͤtzet hoch, ihr preiſ’t, ihr ruͤhmt
Geſchnitt’nen Sammt, der ſchoͤn gebluͤhmt,
Und ihr habt Recht, die Kunſt zu preiſen;
Allein, den noch viel ſchoͤnern Sammt,
(Der im ſmaragdnen Glanze flammt,
Den euch die ſchoͤnen Wieſen weiſen,
Auf welchen, tauſend mahl ſo ſchoͤn,
Lebendige Figuren ſteh’n,
Von Blaͤttern, Kraͤutern und von Ranken,
Worauf bepurpert und verguͤldet,
Von Fingern der Natur gebildet,
Der Bluhmen Urbild ſelbſt zu ſeh’n,)
Den wuͤrdigt ihr nicht der Gedanken.
Wie ſchoͤn ſonſt immer die Copie,
So wird dennoch weit mehr, als ſie,
Ein ſchoͤnes Urbild ſtets geſchaͤtzet.
Wie,
T 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/311>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.