Ja, spricht man: Aus der Erde stammen Die Dünste, die die Luft enthält. Gesetzt; so stimmt doch wohl zusammen, Daß auch wohl wieder abwerts fällt, Was anfangs aus der Erde kame; Zumahl es noch nicht vestgestellt, Ob aller Duft aus unsrer Welt Auch eben seinen Ursprung nahme; Und ob zuerst nicht in die Luft Der Dünste Kräft' und aller Duft, Die sie unwidersprechlich heget, Vom Finger Gottes eingepräget, Und daß von Cörpern unsrer Erde, Da sie ja den Magneten gleich, Was wohl riecht, aus der Lüfte Reich, Nicht auch herabgezogen werde.
Wie alle Farben anders nichts, Als blosse Brechungen des Lichts, Sind gleich derselbigen Gestalten Bisher für cörperlich gehalten; So kommt der Dünste Wesen mir Jn Rosen und in Bluhmen für, Als ob ihr Ambra-gleicher Duft Mehr aus der Balsam-reichen Luft, Als in der vom Geruch entblößten Erde, Entstehe und erzeuget werde. Zwar wird sich dieß nicht völlig fassen, Und überzeuglich zeigen lassen. Allein man merk' es, dieß geschicht Auch in der vor'gen Meynung nicht. Die Erde, die, für sich betrachtet, Man des Geruchs kaum fähig achtet,
Des
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Die Roſen.
Ja, ſpricht man: Aus der Erde ſtammen Die Duͤnſte, die die Luft enthaͤlt. Geſetzt; ſo ſtimmt doch wohl zuſammen, Daß auch wohl wieder abwerts faͤllt, Was anfangs aus der Erde kame; Zumahl es noch nicht veſtgeſtellt, Ob aller Duft aus unſrer Welt Auch eben ſeinen Urſprung nahme; Und ob zuerſt nicht in die Luft Der Duͤnſte Kraͤft’ und aller Duft, Die ſie unwiderſprechlich heget, Vom Finger Gottes eingepraͤget, Und daß von Coͤrpern unſrer Erde, Da ſie ja den Magneten gleich, Was wohl riecht, aus der Luͤfte Reich, Nicht auch herabgezogen werde.
Wie alle Farben anders nichts, Als bloſſe Brechungen des Lichts, Sind gleich derſelbigen Geſtalten Bisher fuͤr coͤrperlich gehalten; So kommt der Duͤnſte Weſen mir Jn Roſen und in Bluhmen fuͤr, Als ob ihr Ambra-gleicher Duft Mehr aus der Balſam-reichen Luft, Als in der vom Geruch entbloͤßten Erde, Entſtehe und erzeuget werde. Zwar wird ſich dieß nicht voͤllig faſſen, Und uͤberzeuglich zeigen laſſen. Allein man merk’ es, dieß geſchicht Auch in der vor’gen Meynung nicht. Die Erde, die, fuͤr ſich betrachtet, Man des Geruchs kaum faͤhig achtet,
Des
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Die Roſen.
Ja, ſpricht man: Aus der Erde ſtammen
Die Duͤnſte, die die Luft enthaͤlt.
Geſetzt; ſo ſtimmt doch wohl zuſammen,
Daß auch wohl wieder abwerts faͤllt,
Was anfangs aus der Erde kame;
Zumahl es noch nicht veſtgeſtellt,
Ob aller Duft aus unſrer Welt
Auch eben ſeinen Urſprung nahme;
Und ob zuerſt nicht in die Luft
Der Duͤnſte Kraͤft’ und aller Duft,
Die ſie unwiderſprechlich heget,
Vom Finger Gottes eingepraͤget,
Und daß von Coͤrpern unſrer Erde,
Da ſie ja den Magneten gleich,
Was wohl riecht, aus der Luͤfte Reich,
Nicht auch herabgezogen werde.
Wie alle Farben anders nichts,
Als bloſſe Brechungen des Lichts,
Sind gleich derſelbigen Geſtalten
Bisher fuͤr coͤrperlich gehalten;
So kommt der Duͤnſte Weſen mir
Jn Roſen und in Bluhmen fuͤr,
Als ob ihr Ambra-gleicher Duft
Mehr aus der Balſam-reichen Luft,
Als in der vom Geruch entbloͤßten Erde,
Entſtehe und erzeuget werde.
Zwar wird ſich dieß nicht voͤllig faſſen,
Und uͤberzeuglich zeigen laſſen.
Allein man merk’ es, dieß geſchicht
Auch in der vor’gen Meynung nicht.
Die Erde, die, fuͤr ſich betrachtet,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/185>, abgerufen am 24.11.2024.
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