verkleinern, indem ich mich bemühen wollte, ihn mit Worten zu vergrössern; zudem, so bin ich auch zu ungeschickt, oder auch vielleicht zu blöde, eine Rapsodie von allen alten Dichtern zusammen zu reimen, um eine Vergleichung damit anzustellen. Jch kann unmöglich die Bescheidenheit eines ver- nünftigen Mannes beleidigen, und mir den Namen eines Schmeichlers bey der Welt erwerben. Jch überzeuge mich, daß nicht alle Vorzüge auf einem Manne allein haften. Ein jeder guter Redner und guter Dichter kann für sich Verdienste genug haben, die alle Hochachtung verdienen, ohne daß sie eben mit den grossen Geistern des Alterthums in Ver- gleichung gestellet werden. Wenn ich aber das Vermögen hätte, den moralischen Character des Herrn Brockes, so wie ich Jhn einige Jahre her auf dem Lande habe kennen lernen, mit lebhaften und ähnlichen Zügen zu entwerfen; so wollte ich Jhn meinen geehrtesten Lesern hier mittheilen. Jch würde ihnen nicht mit hohen Worten, sondern in einer niedrigen Schreibart, eine Abbildung von einem ehrlichen Manne machen, dessen Seele nie munterer und zufriedener, als wenn er die Pflich- ten, die er seinem Urheber, der Menschlichkeit, und seinem Amte, worinnen ihn die Vorsicht gesetzet, schuldig ist, erfüllet hat. Jch würde einen Mann abbilden, der, wie er von aller Gleißnerey entfer-
net,
Vorbericht.
verkleinern, indem ich mich bemuͤhen wollte, ihn mit Worten zu vergroͤſſern; zudem, ſo bin ich auch zu ungeſchickt, oder auch vielleicht zu bloͤde, eine Rapſodie von allen alten Dichtern zuſammen zu reimen, um eine Vergleichung damit anzuſtellen. Jch kann unmoͤglich die Beſcheidenheit eines ver- nuͤnftigen Mannes beleidigen, und mir den Namen eines Schmeichlers bey der Welt erwerben. Jch uͤberzeuge mich, daß nicht alle Vorzuͤge auf einem Manne allein haften. Ein jeder guter Redner und guter Dichter kann fuͤr ſich Verdienſte genug haben, die alle Hochachtung verdienen, ohne daß ſie eben mit den groſſen Geiſtern des Alterthums in Ver- gleichung geſtellet werden. Wenn ich aber das Vermoͤgen haͤtte, den moraliſchen Character des Herrn Brockes, ſo wie ich Jhn einige Jahre her auf dem Lande habe kennen lernen, mit lebhaften und aͤhnlichen Zuͤgen zu entwerfen; ſo wollte ich Jhn meinen geehrteſten Leſern hier mittheilen. Jch wuͤrde ihnen nicht mit hohen Worten, ſondern in einer niedrigen Schreibart, eine Abbildung von einem ehrlichen Manne machen, deſſen Seele nie munterer und zufriedener, als wenn er die Pflich- ten, die er ſeinem Urheber, der Menſchlichkeit, und ſeinem Amte, worinnen ihn die Vorſicht geſetzet, ſchuldig iſt, erfuͤllet hat. Jch wuͤrde einen Mann abbilden, der, wie er von aller Gleißnerey entfer-
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[0015]
Vorbericht.
verkleinern, indem ich mich bemuͤhen wollte, ihn
mit Worten zu vergroͤſſern; zudem, ſo bin ich auch
zu ungeſchickt, oder auch vielleicht zu bloͤde, eine
Rapſodie von allen alten Dichtern zuſammen zu
reimen, um eine Vergleichung damit anzuſtellen.
Jch kann unmoͤglich die Beſcheidenheit eines ver-
nuͤnftigen Mannes beleidigen, und mir den Namen
eines Schmeichlers bey der Welt erwerben. Jch
uͤberzeuge mich, daß nicht alle Vorzuͤge auf einem
Manne allein haften. Ein jeder guter Redner und
guter Dichter kann fuͤr ſich Verdienſte genug haben,
die alle Hochachtung verdienen, ohne daß ſie eben
mit den groſſen Geiſtern des Alterthums in Ver-
gleichung geſtellet werden. Wenn ich aber das
Vermoͤgen haͤtte, den moraliſchen Character des
Herrn Brockes, ſo wie ich Jhn einige Jahre her
auf dem Lande habe kennen lernen, mit lebhaften
und aͤhnlichen Zuͤgen zu entwerfen; ſo wollte ich
Jhn meinen geehrteſten Leſern hier mittheilen. Jch
wuͤrde ihnen nicht mit hohen Worten, ſondern
in einer niedrigen Schreibart, eine Abbildung von
einem ehrlichen Manne machen, deſſen Seele nie
munterer und zufriedener, als wenn er die Pflich-
ten, die er ſeinem Urheber, der Menſchlichkeit, und
ſeinem Amte, worinnen ihn die Vorſicht geſetzet,
ſchuldig iſt, erfuͤllet hat. Jch wuͤrde einen Mann
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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