Die Wolken, welche bald im Dunkeln, und bald in einem schnellen Licht, Den ganzen Kreis der Luft durchstreichen, das graue Firma- ment umziehn, Und bald die Sonne blicken lassen, bald schnell sie wieder rauben, fliehn, Gedränget von der Stürme Grimm, getrieben von der Wut der Winde, Und fliegen, schnellen Vögeln gleich, mit strengem Zug, recht Pfeil-geschwinde. Es scheint das Firmament nicht fest, ja selbst mit ihnen fortzugehn, Kaum kann auch ein gesetztes Aug' es, sonder Angst und Schwindel, sehn. Die aufgethürmte Wasser-Wogen, die regen Berge wilder Wellen, Entstehn und ändern unaufhörlich, im schnellen Steigen, ihre Stellen. Sie eilen, aus den Tiefen aufwerts, mit schnellem Zug und Wallen fort, Da sie die rückwerts wallende, mit strengem Drängen, über- steigen, Bis daß, in ihrem [|]stärksten Schwulst, sie plötzlich an dem höchsten Ort Zerbersten, schäumen, und im Fallen viel tausend krause Wirbel zeigen, Von gelblich theils, theils braun-theils grau-theils weißlich schwarzen Linien, Die sich einander Wechsels-weis' erheben, stürzen und ver- dringen, Erzeugen, sich vernichtigen, sich selbst erheben und verschlin- gen.
Es
Die Flaͤche des Meeres
Die Wolken, welche bald im Dunkeln, und bald in einem ſchnellen Licht, Den ganzen Kreis der Luft durchſtreichen, das graue Firma- ment umziehn, Und bald die Sonne blicken laſſen, bald ſchnell ſie wieder rauben, fliehn, Gedraͤnget von der Stuͤrme Grimm, getrieben von der Wut der Winde, Und fliegen, ſchnellen Voͤgeln gleich, mit ſtrengem Zug, recht Pfeil-geſchwinde. Es ſcheint das Firmament nicht feſt, ja ſelbſt mit ihnen fortzugehn, Kaum kann auch ein geſetztes Aug’ es, ſonder Angſt und Schwindel, ſehn. Die aufgethuͤrmte Waſſer-Wogen, die regen Berge wilder Wellen, Entſtehn und aͤndern unaufhoͤrlich, im ſchnellen Steigen, ihre Stellen. Sie eilen, aus den Tiefen aufwerts, mit ſchnellem Zug und Wallen fort, Da ſie die ruͤckwerts wallende, mit ſtrengem Draͤngen, uͤber- ſteigen, Bis daß, in ihrem [|]ſtaͤrkſten Schwulſt, ſie ploͤtzlich an dem hoͤchſten Ort Zerberſten, ſchaͤumen, und im Fallen viel tauſend krauſe Wirbel zeigen, Von gelblich theils, theils braun-theils grau-theils weißlich ſchwarzen Linien, Die ſich einander Wechſels-weiſ’ erheben, ſtuͤrzen und ver- dringen, Erzeugen, ſich vernichtigen, ſich ſelbſt erheben und verſchlin- gen.
Es
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[88/0106]
Die Flaͤche des Meeres
Die Wolken, welche bald im Dunkeln, und bald in einem
ſchnellen Licht,
Den ganzen Kreis der Luft durchſtreichen, das graue Firma-
ment umziehn,
Und bald die Sonne blicken laſſen, bald ſchnell ſie wieder
rauben, fliehn,
Gedraͤnget von der Stuͤrme Grimm, getrieben von der Wut
der Winde,
Und fliegen, ſchnellen Voͤgeln gleich, mit ſtrengem Zug, recht
Pfeil-geſchwinde.
Es ſcheint das Firmament nicht feſt, ja ſelbſt mit ihnen
fortzugehn,
Kaum kann auch ein geſetztes Aug’ es, ſonder Angſt und
Schwindel, ſehn.
Die aufgethuͤrmte Waſſer-Wogen, die regen Berge wilder
Wellen,
Entſtehn und aͤndern unaufhoͤrlich, im ſchnellen Steigen,
ihre Stellen.
Sie eilen, aus den Tiefen aufwerts, mit ſchnellem Zug und
Wallen fort,
Da ſie die ruͤckwerts wallende, mit ſtrengem Draͤngen, uͤber-
ſteigen,
Bis daß, in ihrem |ſtaͤrkſten Schwulſt, ſie ploͤtzlich an dem
hoͤchſten Ort
Zerberſten, ſchaͤumen, und im Fallen viel tauſend krauſe
Wirbel zeigen,
Von gelblich theils, theils braun-theils grau-theils weißlich
ſchwarzen Linien,
Die ſich einander Wechſels-weiſ’ erheben, ſtuͤrzen und ver-
dringen,
Erzeugen, ſich vernichtigen, ſich ſelbſt erheben und verſchlin-
gen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/106>, abgerufen am 21.11.2024.
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