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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Betrachtung der Meeres-Tiefe.
Mich überfällt ein schneller Schauer, ich fühl ein innerliches
Grausen,
Ob ganzer Flüsse Schuß und Sturz, so, in der tiefen Wasser-
Welt,
Von ungemeßner Felsen Höh, hier brüllend durch einander
fällt.
Entsetzlich ist der Strudel Macht, fast unerträglich ist ihr
Brausen;
Der abgerollten schweren Fluhten gepreßt' und wallende
Gewalt
Reißt durch geborstne Klippen fort mit recht betäubendem
Gebrülle.

An einem andern Ort hingegen ist die gedeckte Tiefe stille,
Und unterscheid' ich hier und dort, von dem verborgnen Auf-
enthalt,
Der feuchten Gegenwürfe Menge, in dem durchsichtigen
Gewässer,
Den fetten Grund, die rauhen Seiten, der Berge Brüch' und
Höhlen besser.
Mein GOtt! welch ein verworrnes Wesen, ohn' Ordnung!
rief ich alsobald.
Wie ist, von diesem Reich der Tiefe, doch die Gestalt so unge-
stalt!
Gespaltner Höhlen dunkle Rachen, gebrochner Berge
blinde Klüfte,
Verworrne bodenlose Schlünde, mit ew'ger Nacht erfüllte
Grüfte,
Unordentliche Felsen-Klumpen! Von Kiesel-bald, bald Mar-
morstein,
Ein wild zu Hauf [|]gestürzter Schutt aus Stücken, die bald
groß, bald klein,
Ein

Betrachtung der Meeres-Tiefe.
Mich uͤberfaͤllt ein ſchneller Schauer, ich fuͤhl ein innerliches
Grauſen,
Ob ganzer Fluͤſſe Schuß und Sturz, ſo, in der tiefen Waſſer-
Welt,
Von ungemeßner Felſen Hoͤh, hier bruͤllend durch einander
faͤllt.
Entſetzlich iſt der Strudel Macht, faſt unertraͤglich iſt ihr
Brauſen;
Der abgerollten ſchweren Fluhten gepreßt’ und wallende
Gewalt
Reißt durch geborſtne Klippen fort mit recht betaͤubendem
Gebruͤlle.

An einem andern Ort hingegen iſt die gedeckte Tiefe ſtille,
Und unterſcheid’ ich hier und dort, von dem verborgnen Auf-
enthalt,
Der feuchten Gegenwuͤrfe Menge, in dem durchſichtigen
Gewaͤſſer,
Den fetten Grund, die rauhen Seiten, der Berge Bruͤch’ und
Hoͤhlen beſſer.
Mein GOtt! welch ein verworrnes Weſen, ohn’ Ordnung!
rief ich alſobald.
Wie iſt, von dieſem Reich der Tiefe, doch die Geſtalt ſo unge-
ſtalt!
Geſpaltner Hoͤhlen dunkle Rachen, gebrochner Berge
blinde Kluͤfte,
Verworrne bodenloſe Schluͤnde, mit ew’ger Nacht erfuͤllte
Gruͤfte,
Unordentliche Felſen-Klumpen! Von Kieſel-bald, bald Mar-
morſtein,
Ein wild zu Hauf [|]geſtuͤrzter Schutt aus Stuͤcken, die bald
groß, bald klein,
Ein
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[82/0100] Betrachtung der Meeres-Tiefe. Mich uͤberfaͤllt ein ſchneller Schauer, ich fuͤhl ein innerliches Grauſen, Ob ganzer Fluͤſſe Schuß und Sturz, ſo, in der tiefen Waſſer- Welt, Von ungemeßner Felſen Hoͤh, hier bruͤllend durch einander faͤllt. Entſetzlich iſt der Strudel Macht, faſt unertraͤglich iſt ihr Brauſen; Der abgerollten ſchweren Fluhten gepreßt’ und wallende Gewalt Reißt durch geborſtne Klippen fort mit recht betaͤubendem Gebruͤlle. An einem andern Ort hingegen iſt die gedeckte Tiefe ſtille, Und unterſcheid’ ich hier und dort, von dem verborgnen Auf- enthalt, Der feuchten Gegenwuͤrfe Menge, in dem durchſichtigen Gewaͤſſer, Den fetten Grund, die rauhen Seiten, der Berge Bruͤch’ und Hoͤhlen beſſer. Mein GOtt! welch ein verworrnes Weſen, ohn’ Ordnung! rief ich alſobald. Wie iſt, von dieſem Reich der Tiefe, doch die Geſtalt ſo unge- ſtalt! Geſpaltner Hoͤhlen dunkle Rachen, gebrochner Berge blinde Kluͤfte, Verworrne bodenloſe Schluͤnde, mit ew’ger Nacht erfuͤllte Gruͤfte, Unordentliche Felſen-Klumpen! Von Kieſel-bald, bald Mar- morſtein, Ein wild zu Hauf |geſtuͤrzter Schutt aus Stuͤcken, die bald groß, bald klein, Ein

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/100>, abgerufen am 22.11.2024.