Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuch der Kraft unsers Geistes,
Find ich doch, wenn ich es recht sonder Vorurtheil erwege,
Und den Ursprung dieses Fehlers gründ-und billig überlege,
Daß nicht unsre Geistlichen, bloß die Physici allein,
An dem sündlichen Vergehen in der That die Ursach seyn.

Wenn sie, auf den hohen Schulen, die Naturlehr anders
lehrten,

Wenn bey einer jeden Probe, wie es nöthig, Gottes Ehr,
Gottes weise Macht zu zeigen, ihre wahre Absicht wär;
Wenn sie den Zusammenhang, und die Ordnungen erklärten,
Die sich allenthalben finden, wenn sie allenthalben wiesen,
Wie auch der geringste Staub, daß ein Gott in ihm gepriesen,
Und bewundert werden müsse, würdig und beträchtlich sey;
Zeigten sie, daß, unerachtet sich so viel und mancherley
Wunder überall befinden, doch ein weis und liebreich Wesen
Ueberall sich spüren lasse, daß wir bloß dazu erlesen,
Seine Liebe zu erkennen, zu geniessen, zu verstehn,
Daß ein Gott ihr Ursprung sey, zu empfinden und zu sehn,
Daß wir nicht nur einen Körper, nebst der Sinnen edlen Gaben,
Um uns vieles zuzueignen, sondern den Verstand, allein,
Jn den Werken, Gott zu spüren, seiner Gnaden uns zu freun,
Jhn zu loben, zu bewundern, eigentlich empfangen haben;
Wär in allen ihren Lehren, wie es nöthig, dieß ihr Schluß:
Daß man ein unendlichs Wesen, wie ersehn, auch ehren muß:
Würden auch Theologi, anders, als bishero, fassen,
Wie sich unsers Schöpfers Allmacht nirgend unbezeugt gelassen.
Jeder würde sich bemühn, Gott, was Gottes ist, zu geben,
Und nicht ferner, Gottes Ruhm ihrem aufzuopfern, streben;
Keiner würde fernerhin. von des Schöpfers Werken schweigen;
Jeder würd uns, durchs Geschöpf, zu dem Schöpfer hinzuziehn,
Sein' Allgegenwart in ihm darzulegen, sich bemühn,
Und beym anderen Artikel, etwas auch vom ersten zeigen,
Weil

Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Find ich doch, wenn ich es recht ſonder Vorurtheil erwege,
Und den Urſprung dieſes Fehlers gruͤnd-und billig uͤberlege,
Daß nicht unſre Geiſtlichen, bloß die Phyſici allein,
An dem ſuͤndlichen Vergehen in der That die Urſach ſeyn.

Wenn ſie, auf den hohen Schulen, die Naturlehr anders
lehrten,

Wenn bey einer jeden Probe, wie es noͤthig, Gottes Ehr,
Gottes weiſe Macht zu zeigen, ihre wahre Abſicht waͤr;
Wenn ſie den Zuſammenhang, und die Ordnungen erklaͤrten,
Die ſich allenthalben finden, wenn ſie allenthalben wieſen,
Wie auch der geringſte Staub, daß ein Gott in ihm geprieſen,
Und bewundert werden muͤſſe, wuͤrdig und betraͤchtlich ſey;
Zeigten ſie, daß, unerachtet ſich ſo viel und mancherley
Wunder uͤberall befinden, doch ein weis und liebreich Weſen
Ueberall ſich ſpuͤren laſſe, daß wir bloß dazu erleſen,
Seine Liebe zu erkennen, zu genieſſen, zu verſtehn,
Daß ein Gott ihr Urſprung ſey, zu empfinden und zu ſehn,
Daß wir nicht nur einen Koͤrper, nebſt der Sinnen edlen Gaben,
Um uns vieles zuzueignen, ſondern den Verſtand, allein,
Jn den Werken, Gott zu ſpuͤren, ſeiner Gnaden uns zu freun,
Jhn zu loben, zu bewundern, eigentlich empfangen haben;
Waͤr in allen ihren Lehren, wie es noͤthig, dieß ihr Schluß:
Daß man ein unendlichs Weſen, wie erſehn, auch ehren muß:
Wuͤrden auch Theologi, anders, als bishero, faſſen,
Wie ſich unſers Schoͤpfers Allmacht nirgend unbezeugt gelaſſen.
Jeder wuͤrde ſich bemuͤhn, Gott, was Gottes iſt, zu geben,
Und nicht ferner, Gottes Ruhm ihrem aufzuopfern, ſtreben;
Keiner wuͤrde fernerhin. von des Schoͤpfers Werken ſchweigen;
Jeder wuͤrd uns, durchs Geſchoͤpf, zu dem Schoͤpfer hinzuziehn,
Sein’ Allgegenwart in ihm darzulegen, ſich bemuͤhn,
Und beym anderen Artikel, etwas auch vom erſten zeigen,
Weil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="65">
            <l><pb facs="#f0724" n="700"/><fw place="top" type="header">Ver&#x017F;uch der Kraft un&#x017F;ers Gei&#x017F;tes,</fw><lb/>
Find ich doch, wenn ich es recht &#x017F;onder Vorurtheil erwege,</l><lb/>
            <l>Und den Ur&#x017F;prung die&#x017F;es Fehlers gru&#x0364;nd-und billig u&#x0364;berlege,</l><lb/>
            <l>Daß nicht un&#x017F;re Gei&#x017F;tlichen, bloß die Phy&#x017F;ici allein,</l><lb/>
            <l>An dem &#x017F;u&#x0364;ndlichen Vergehen in der That die Ur&#x017F;ach &#x017F;eyn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="66">
            <l>Wenn &#x017F;ie, auf den hohen Schulen, die Naturlehr anders<lb/><hi rendition="#et">lehrten,</hi></l><lb/>
            <l>Wenn bey einer jeden Probe, wie es no&#x0364;thig, Gottes Ehr,</l><lb/>
            <l>Gottes wei&#x017F;e Macht zu zeigen, ihre wahre Ab&#x017F;icht wa&#x0364;r;</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie den Zu&#x017F;ammenhang, und die Ordnungen erkla&#x0364;rten,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ich allenthalben finden, wenn &#x017F;ie allenthalben wie&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wie auch der gering&#x017F;te Staub, daß ein Gott in ihm geprie&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und bewundert werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wu&#x0364;rdig und betra&#x0364;chtlich &#x017F;ey;</l><lb/>
            <l>Zeigten &#x017F;ie, daß, unerachtet &#x017F;ich &#x017F;o viel und mancherley</l><lb/>
            <l>Wunder u&#x0364;berall befinden, doch ein weis und liebreich We&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Ueberall &#x017F;ich &#x017F;pu&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;e, daß wir bloß dazu erle&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Seine Liebe zu erkennen, zu genie&#x017F;&#x017F;en, zu ver&#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Daß ein Gott ihr Ur&#x017F;prung &#x017F;ey, zu empfinden und zu &#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Daß wir nicht nur einen Ko&#x0364;rper, neb&#x017F;t der Sinnen edlen Gaben,</l><lb/>
            <l>Um uns vieles zuzueignen, &#x017F;ondern den Ver&#x017F;tand, allein,</l><lb/>
            <l>Jn den Werken, Gott zu &#x017F;pu&#x0364;ren, &#x017F;einer Gnaden uns zu freun,</l><lb/>
            <l>Jhn zu loben, zu bewundern, eigentlich empfangen haben;</l><lb/>
            <l>Wa&#x0364;r in allen ihren Lehren, wie es no&#x0364;thig, dieß ihr Schluß:</l><lb/>
            <l>Daß man ein unendlichs We&#x017F;en, wie er&#x017F;ehn, auch ehren muß:</l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;rden auch Theologi, anders, als bishero, fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ich un&#x017F;ers Scho&#x0364;pfers Allmacht nirgend unbezeugt gela&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="67">
            <l>Jeder wu&#x0364;rde &#x017F;ich bemu&#x0364;hn, Gott, was Gottes i&#x017F;t, zu geben,</l><lb/>
            <l>Und nicht ferner, Gottes Ruhm ihrem aufzuopfern, &#x017F;treben;</l><lb/>
            <l>Keiner wu&#x0364;rde fernerhin. von des Scho&#x0364;pfers Werken &#x017F;chweigen;</l><lb/>
            <l>Jeder wu&#x0364;rd uns, durchs Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, zu dem Scho&#x0364;pfer hinzuziehn,</l><lb/>
            <l>Sein&#x2019; Allgegenwart in ihm darzulegen, &#x017F;ich bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
            <l>Und beym anderen Artikel, etwas auch vom er&#x017F;ten zeigen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Weil</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[700/0724] Verſuch der Kraft unſers Geiſtes, Find ich doch, wenn ich es recht ſonder Vorurtheil erwege, Und den Urſprung dieſes Fehlers gruͤnd-und billig uͤberlege, Daß nicht unſre Geiſtlichen, bloß die Phyſici allein, An dem ſuͤndlichen Vergehen in der That die Urſach ſeyn. Wenn ſie, auf den hohen Schulen, die Naturlehr anders lehrten, Wenn bey einer jeden Probe, wie es noͤthig, Gottes Ehr, Gottes weiſe Macht zu zeigen, ihre wahre Abſicht waͤr; Wenn ſie den Zuſammenhang, und die Ordnungen erklaͤrten, Die ſich allenthalben finden, wenn ſie allenthalben wieſen, Wie auch der geringſte Staub, daß ein Gott in ihm geprieſen, Und bewundert werden muͤſſe, wuͤrdig und betraͤchtlich ſey; Zeigten ſie, daß, unerachtet ſich ſo viel und mancherley Wunder uͤberall befinden, doch ein weis und liebreich Weſen Ueberall ſich ſpuͤren laſſe, daß wir bloß dazu erleſen, Seine Liebe zu erkennen, zu genieſſen, zu verſtehn, Daß ein Gott ihr Urſprung ſey, zu empfinden und zu ſehn, Daß wir nicht nur einen Koͤrper, nebſt der Sinnen edlen Gaben, Um uns vieles zuzueignen, ſondern den Verſtand, allein, Jn den Werken, Gott zu ſpuͤren, ſeiner Gnaden uns zu freun, Jhn zu loben, zu bewundern, eigentlich empfangen haben; Waͤr in allen ihren Lehren, wie es noͤthig, dieß ihr Schluß: Daß man ein unendlichs Weſen, wie erſehn, auch ehren muß: Wuͤrden auch Theologi, anders, als bishero, faſſen, Wie ſich unſers Schoͤpfers Allmacht nirgend unbezeugt gelaſſen. Jeder wuͤrde ſich bemuͤhn, Gott, was Gottes iſt, zu geben, Und nicht ferner, Gottes Ruhm ihrem aufzuopfern, ſtreben; Keiner wuͤrde fernerhin. von des Schoͤpfers Werken ſchweigen; Jeder wuͤrd uns, durchs Geſchoͤpf, zu dem Schoͤpfer hinzuziehn, Sein’ Allgegenwart in ihm darzulegen, ſich bemuͤhn, Und beym anderen Artikel, etwas auch vom erſten zeigen, Weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/724
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/724>, abgerufen am 24.11.2024.