Hiezu kömmt nun ferner noch, daß, bey der Rechthaberey, Man, die Wahrheit zu ergründen, und zu finden, nicht im Stande, Nicht geschickt, kein Untersuchen möglich, und zu hoffen sey; Weil, wie man jetzt disputirt, dem, der nachgiebt, es zur Schande, Ja zum Schimpf und Spott gereicht. Da man doch vor dem wohl sprach: Wer vernünftig, läßt sich weisen; und der Klüg- ste giebet nach.
Wenn die Menschen, ehe sie mit dem Nächsten zanken, fechten, Und ihn überführen wollen, und besiegen, denken möchten: Was hab ich für Recht dazu, über ihn mich zu erheben? Fühl ich, und bin überführt, daß Gott mir der Weisheit Licht, Mit dem Ausschluß aller andern, etwan ganz allein gegeben?
Dahingegen wenn wir sträflich, was wir nicht begreifen sollen, Und was wirklich unbegreiflich, mit Gewalt begreifen wollen, Jst ja, durch ein solch Betragen, jedem leichtlich zu begreifen, Daß wir zanken, disputiren, Grillen und Chimären häufen.
Möchten wir, aus aller Beyspiel und Erfahrung, endlich lernen, Daß wir uns durch nichts so sehr von der Wahrheit Pfad ent- fernen, Daß man Andacht, Freude, Friede fast durch nichts so sehr verliehrt, Als wenn man, durch Stolz und Hochmuth fast, wie Lucifer, verführt,
Was
Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Hiezu koͤmmt nun ferner noch, daß, bey der Rechthaberey, Man, die Wahrheit zu ergruͤnden, und zu finden, nicht im Stande, Nicht geſchickt, kein Unterſuchen moͤglich, und zu hoffen ſey; Weil, wie man jetzt diſputirt, dem, der nachgiebt, es zur Schande, Ja zum Schimpf und Spott gereicht. Da man doch vor dem wohl ſprach: Wer vernuͤnftig, laͤßt ſich weiſen; und der Kluͤg- ſte giebet nach.
Wenn die Menſchen, ehe ſie mit dem Naͤchſten zanken, fechten, Und ihn uͤberfuͤhren wollen, und beſiegen, denken moͤchten: Was hab ich fuͤr Recht dazu, uͤber ihn mich zu erheben? Fuͤhl ich, und bin uͤberfuͤhrt, daß Gott mir der Weisheit Licht, Mit dem Ausſchluß aller andern, etwan ganz allein gegeben?
Dahingegen wenn wir ſtraͤflich, was wir nicht begreifen ſollen, Und was wirklich unbegreiflich, mit Gewalt begreifen wollen, Jſt ja, durch ein ſolch Betragen, jedem leichtlich zu begreifen, Daß wir zanken, diſputiren, Grillen und Chimaͤren haͤufen.
Moͤchten wir, aus aller Beyſpiel und Erfahrung, endlich lernen, Daß wir uns durch nichts ſo ſehr von der Wahrheit Pfad ent- fernen, Daß man Andacht, Freude, Friede faſt durch nichts ſo ſehr verliehrt, Als wenn man, durch Stolz und Hochmuth faſt, wie Lucifer, verfuͤhrt,
Was
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[694/0718]
Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Hiezu koͤmmt nun ferner noch, daß, bey der Rechthaberey,
Man, die Wahrheit zu ergruͤnden, und zu finden, nicht im
Stande,
Nicht geſchickt, kein Unterſuchen moͤglich, und zu hoffen ſey;
Weil, wie man jetzt diſputirt, dem, der nachgiebt, es zur
Schande,
Ja zum Schimpf und Spott gereicht. Da man doch vor dem
wohl ſprach:
Wer vernuͤnftig, laͤßt ſich weiſen; und der Kluͤg-
ſte giebet nach.
Wenn die Menſchen, ehe ſie mit dem Naͤchſten zanken,
fechten,
Und ihn uͤberfuͤhren wollen, und beſiegen, denken moͤchten:
Was hab ich fuͤr Recht dazu, uͤber ihn mich zu erheben?
Fuͤhl ich, und bin uͤberfuͤhrt, daß Gott mir der Weisheit Licht,
Mit dem Ausſchluß aller andern, etwan ganz allein gegeben?
Dahingegen wenn wir ſtraͤflich, was wir nicht begreifen
ſollen,
Und was wirklich unbegreiflich, mit Gewalt begreifen wollen,
Jſt ja, durch ein ſolch Betragen, jedem leichtlich zu begreifen,
Daß wir zanken, diſputiren, Grillen und Chimaͤren haͤufen.
Moͤchten wir, aus aller Beyſpiel und Erfahrung, endlich
lernen,
Daß wir uns durch nichts ſo ſehr von der Wahrheit Pfad ent-
fernen,
Daß man Andacht, Freude, Friede faſt durch nichts ſo ſehr
verliehrt,
Als wenn man, durch Stolz und Hochmuth faſt, wie Lucifer,
verfuͤhrt,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/718>, abgerufen am 24.11.2024.
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