Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Versuch der Kraft unsers Geistes, Doch, verwegner Geist, halt ein! wo versteigest du dich hin? Will dein gar zu sehr gedehnter und zu sehr gespannter Sinn, Aus den vorgeschriebnen Schranken, sich vermessentlich erhöhn, Da fast alles dir verborgen, gar das dunkle Nichts ergründen, Gar das Ende des Erschaffnen, gar der Geister Anfang finden? Und, da wir so wenig wissen, auch so gar ein Nichts verstehn? Hast du deine eigne Lehre, daß wir hier so wenig fassen, Dir, durch übertriebnes Denken, hier denn ganz entfallen lassen? Ja, vielleicht hab ich gefehlet, und es wär gewiß geschehn, Wenn ich alles Richter-mäßig setzen und entscheiden wollen. Aber dieses thu ich nicht, weil mir gar zu wohl bekannt, Daß wir, Gott, im Werk, bewundern, aber nicht begreifen sollen. Dieß scheint unsers Wesens Endzweck, und nothwendger, als wenn man, Es sey so und anders nicht, recht monarchisch sagen kann, Und sich unbetrieglich schätzt. Darum will ich lieber hier, Von den Meynungen vom Nichts, liebster Leser, mir und dir, Mehr zu sagen, mich enthalten, weil ich es vor nöthig achte, Daß ich, eh ich weiter geh, erst die wahre Kraft betrachte, Unsers Geistes, unsrer Seelen, und derselbigen Gedanken, Von dem Schöpfer der Natur glaublich zugegebnen Schranken; Weil, wofern wir diese Schranken zu bemerken, unterlassen, Es mir ganz unmöglich scheint, etwas gründliches zu fassen, Etwas recht zu untersuchen. Jch muß hier von unsrer Seelen, Daß ich sie begränzter halte, als viel andre, nicht verhehlen, Und vermeyne, daß wenn man diese Meynung feste stellt; Es zum unleugbaren Besten, und zum Nutz der ganzen Welt, Vie-
Verſuch der Kraft unſers Geiſtes, Doch, verwegner Geiſt, halt ein! wo verſteigeſt du dich hin? Will dein gar zu ſehr gedehnter und zu ſehr geſpannter Sinn, Aus den vorgeſchriebnen Schranken, ſich vermeſſentlich erhoͤhn, Da faſt alles dir verborgen, gar das dunkle Nichts ergruͤnden, Gar das Ende des Erſchaffnen, gar der Geiſter Anfang finden? Und, da wir ſo wenig wiſſen, auch ſo gar ein Nichts verſtehn? Haſt du deine eigne Lehre, daß wir hier ſo wenig faſſen, Dir, durch uͤbertriebnes Denken, hier denn ganz entfallen laſſen? Ja, vielleicht hab ich gefehlet, und es waͤr gewiß geſchehn, Wenn ich alles Richter-maͤßig ſetzen und entſcheiden wollen. Aber dieſes thu ich nicht, weil mir gar zu wohl bekannt, Daß wir, Gott, im Werk, bewundern, aber nicht begreifen ſollen. Dieß ſcheint unſers Weſens Endzweck, und nothwendger, als wenn man, Es ſey ſo und anders nicht, recht monarchiſch ſagen kann, Und ſich unbetrieglich ſchaͤtzt. Darum will ich lieber hier, Von den Meynungen vom Nichts, liebſter Leſer, mir und dir, Mehr zu ſagen, mich enthalten, weil ich es vor noͤthig achte, Daß ich, eh ich weiter geh, erſt die wahre Kraft betrachte, Unſers Geiſtes, unſrer Seelen, und derſelbigen Gedanken, Von dem Schoͤpfer der Natur glaublich zugegebnen Schranken; Weil, wofern wir dieſe Schranken zu bemerken, unterlaſſen, Es mir ganz unmoͤglich ſcheint, etwas gruͤndliches zu faſſen, Etwas recht zu unterſuchen. Jch muß hier von unſrer Seelen, Daß ich ſie begraͤnzter halte, als viel andre, nicht verhehlen, Und vermeyne, daß wenn man dieſe Meynung feſte ſtellt; Es zum unleugbaren Beſten, und zum Nutz der ganzen Welt, Vie-
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Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Doch, verwegner Geiſt, halt ein! wo verſteigeſt du dich hin?
Will dein gar zu ſehr gedehnter und zu ſehr geſpannter Sinn,
Aus den vorgeſchriebnen Schranken, ſich vermeſſentlich erhoͤhn,
Da faſt alles dir verborgen, gar das dunkle Nichts ergruͤnden,
Gar das Ende des Erſchaffnen, gar der Geiſter Anfang finden?
Und, da wir ſo wenig wiſſen, auch ſo gar ein Nichts verſtehn?
Haſt du deine eigne Lehre, daß wir hier ſo wenig faſſen,
Dir, durch uͤbertriebnes Denken, hier denn ganz entfallen laſſen?
Ja, vielleicht hab ich gefehlet, und es waͤr gewiß geſchehn,
Wenn ich alles Richter-maͤßig ſetzen und entſcheiden wollen.
Aber dieſes thu ich nicht, weil mir gar zu wohl bekannt,
Daß wir, Gott, im Werk, bewundern, aber nicht begreifen
ſollen.
Dieß ſcheint unſers Weſens Endzweck, und nothwendger,
als wenn man,
Es ſey ſo und anders nicht, recht monarchiſch ſagen kann,
Und ſich unbetrieglich ſchaͤtzt. Darum will ich lieber hier,
Von den Meynungen vom Nichts, liebſter Leſer, mir
und dir,
Mehr zu ſagen, mich enthalten, weil ich es vor noͤthig achte,
Daß ich, eh ich weiter geh, erſt die wahre Kraft betrachte,
Unſers Geiſtes, unſrer Seelen, und derſelbigen Gedanken,
Von dem Schoͤpfer der Natur glaublich zugegebnen Schranken;
Weil, wofern wir dieſe Schranken zu bemerken, unterlaſſen,
Es mir ganz unmoͤglich ſcheint, etwas gruͤndliches zu faſſen,
Etwas recht zu unterſuchen. Jch muß hier von unſrer Seelen,
Daß ich ſie begraͤnzter halte, als viel andre, nicht
verhehlen,
Und vermeyne, daß wenn man dieſe Meynung feſte ſtellt;
Es zum unleugbaren Beſten, und zum Nutz der ganzen Welt,
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