Jhn nunmehr unwiederbringlich, selber mit geheimem Schrecken, Zu verschlingen, zu begraben, zu vernichten. Aber hör, Spreize dich! besinne dich! wie wenn gar kein Nichts nicht wär?
Ein wahrhaftig wirklich Nichts, was wir auch von sel- bem lesen, Scheint, nach ernster Ueberlegung, daß es nimmermehr ge- wesen. Denn da Gott von Ewigkeit allenthalben, nirgends nicht, Und unendlich immer war; ist, nach unsers Geistes Licht, Nie ein wahres Nichts gewesen. Höre mehrern Unterricht: "Das kein eigentliches Nichts je von Gott erschaffen sey; "Desfalls fällt uns beyden wohl hoffentlich kein Zweifel bey, "Wär es etwas unerschaffnes; scheint es mit den Herrlichkeiten "Des bloß unerschaffnen Wesens, dem selbständgem All, zu streiten. "Glauben, daß ein ewigs All, auch ein ewigs Nichts zugleich, "Von den grauen Ewigkeiten, ein sich widersprechend Reich, "Mit einander führen können: Wie wir auch das Denken häufen, "Wird kein menschlicher Verstand, solch ein Unding nicht begreifen. "Daher stimmen die Gedanken hoffentlich hierin zusammen, "Daß, wie alle Ding ursprünglich einzig aus der Gottheit stammen, "Sie sich auch, ohn Zwischenstand, in ihm sinden und be- schliessen, "Jn ihm, so wie ihren Anfang, auch die Gränzen haben müssen.
"Ja
Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Jhn nunmehr unwiederbringlich, ſelber mit geheimem Schrecken, Zu verſchlingen, zu begraben, zu vernichten. Aber hoͤr, Spreize dich! beſinne dich! wie wenn gar kein Nichts nicht waͤr?
Ein wahrhaftig wirklich Nichts, was wir auch von ſel- bem leſen, Scheint, nach ernſter Ueberlegung, daß es nimmermehr ge- weſen. Denn da Gott von Ewigkeit allenthalben, nirgends nicht, Und unendlich immer war; iſt, nach unſers Geiſtes Licht, Nie ein wahres Nichts geweſen. Hoͤre mehrern Unterricht: „Das kein eigentliches Nichts je von Gott erſchaffen ſey; „Desfalls faͤllt uns beyden wohl hoffentlich kein Zweifel bey, „Waͤr es etwas unerſchaffnes; ſcheint es mit den Herrlichkeiten „Des bloß unerſchaffnen Weſens, dem ſelbſtaͤndgem All, zu ſtreiten. „Glauben, daß ein ewigs All, auch ein ewigs Nichts zugleich, „Von den grauen Ewigkeiten, ein ſich widerſprechend Reich, „Mit einander fuͤhren koͤnnen: Wie wir auch das Denken haͤufen, „Wird kein menſchlicher Verſtand, ſolch ein Unding nicht begreifen. „Daher ſtimmen die Gedanken hoffentlich hierin zuſammen, „Daß, wie alle Ding urſpruͤnglich einzig aus der Gottheit ſtammen, „Sie ſich auch, ohn Zwiſchenſtand, in ihm ſinden und be- ſchlieſſen, „Jn ihm, ſo wie ihren Anfang, auch die Graͤnzen haben muͤſſen.
„Ja
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Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Jhn nunmehr unwiederbringlich, ſelber mit geheimem
Schrecken,
Zu verſchlingen, zu begraben, zu vernichten. Aber hoͤr,
Spreize dich! beſinne dich! wie wenn gar kein Nichts
nicht waͤr?
Ein wahrhaftig wirklich Nichts, was wir auch von ſel-
bem leſen,
Scheint, nach ernſter Ueberlegung, daß es nimmermehr ge-
weſen.
Denn da Gott von Ewigkeit allenthalben, nirgends nicht,
Und unendlich immer war; iſt, nach unſers Geiſtes Licht,
Nie ein wahres Nichts geweſen. Hoͤre mehrern Unterricht:
„Das kein eigentliches Nichts je von Gott erſchaffen ſey;
„Desfalls faͤllt uns beyden wohl hoffentlich kein Zweifel bey,
„Waͤr es etwas unerſchaffnes; ſcheint es mit den Herrlichkeiten
„Des bloß unerſchaffnen Weſens, dem ſelbſtaͤndgem All, zu
ſtreiten.
„Glauben, daß ein ewigs All, auch ein ewigs Nichts
zugleich,
„Von den grauen Ewigkeiten, ein ſich widerſprechend Reich,
„Mit einander fuͤhren koͤnnen: Wie wir auch das Denken
haͤufen,
„Wird kein menſchlicher Verſtand, ſolch ein Unding nicht
begreifen.
„Daher ſtimmen die Gedanken hoffentlich hierin zuſammen,
„Daß, wie alle Ding urſpruͤnglich einzig aus der Gottheit
ſtammen,
„Sie ſich auch, ohn Zwiſchenſtand, in ihm ſinden und be-
ſchlieſſen,
„Jn ihm, ſo wie ihren Anfang, auch die Graͤnzen haben muͤſſen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/702>, abgerufen am 24.11.2024.
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