Wer könnte sich und andern helfen? Wir würden folglich nicht allein, Den andern wilden Thieren gleich, in wüsten Oertern einsam gehen; Wir würden einzelne Figuren, ja leibliche Gespenster seyn. So aber bindet und vereinet uns, durch die Hand, des Schöp- fers Macht, Daß man, je mehr demselben Wunder, mit Achtsamkeit, wird nachgedacht, Man immer neue Wunder findet. Die Hand, wenn unsre Zun- gen schweigen, Weis ja so gut, und öfters besser, der Seelen Leidenschaft zu zeigen. Sie weis zu ordnen, zu befehlen; sie ziert und droht, sie sorgt, sie fraget, Bejaht, verneinet, pflichtet bey, verspricht, verwegert, ruft, verjaget, So daß sie nicht nur alles thut, so gar zugleich fast alles saget, Und zwar in einer solchen Sprache, die allgemein, die, wie wir sehn, Weit besser, als der Zungen Rede, auch die Barbaren selbst verstehn.
Der Zeiger-Finger lockt herbey. Wenn man sich recht die Hände giebet, Jst es ein gleichfam fühlbar Zeichen, daß deine Seele meine liebet. Die Schwermuth weis ja durch Gebehrden, durch ein erbärm- lich Hände-ringen, Oft einen, der ihr helfen kann, zum Mitleid oftermal zu bringen.
Ver-
der Wohlthaten in der Hand.
Wer koͤnnte ſich und andern helfen? Wir wuͤrden folglich nicht allein, Den andern wilden Thieren gleich, in wuͤſten Oertern einſam gehen; Wir wuͤrden einzelne Figuren, ja leibliche Geſpenſter ſeyn. So aber bindet und vereinet uns, durch die Hand, des Schoͤp- fers Macht, Daß man, je mehr demſelben Wunder, mit Achtſamkeit, wird nachgedacht, Man immer neue Wunder findet. Die Hand, wenn unſre Zun- gen ſchweigen, Weis ja ſo gut, und oͤfters beſſer, der Seelen Leidenſchaft zu zeigen. Sie weis zu ordnen, zu befehlen; ſie ziert und droht, ſie ſorgt, ſie fraget, Bejaht, verneinet, pflichtet bey, verſpricht, verwegert, ruft, verjaget, So daß ſie nicht nur alles thut, ſo gar zugleich faſt alles ſaget, Und zwar in einer ſolchen Sprache, die allgemein, die, wie wir ſehn, Weit beſſer, als der Zungen Rede, auch die Barbaren ſelbſt verſtehn.
Der Zeiger-Finger lockt herbey. Wenn man ſich recht die Haͤnde giebet, Jſt es ein gleichfam fuͤhlbar Zeichen, daß deine Seele meine liebet. Die Schwermuth weis ja durch Gebehrden, durch ein erbaͤrm- lich Haͤnde-ringen, Oft einen, der ihr helfen kann, zum Mitleid oftermal zu bringen.
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der Wohlthaten in der Hand.
Wer koͤnnte ſich und andern helfen? Wir wuͤrden folglich nicht
allein,
Den andern wilden Thieren gleich, in wuͤſten Oertern einſam
gehen;
Wir wuͤrden einzelne Figuren, ja leibliche Geſpenſter ſeyn.
So aber bindet und vereinet uns, durch die Hand, des Schoͤp-
fers Macht,
Daß man, je mehr demſelben Wunder, mit Achtſamkeit, wird
nachgedacht,
Man immer neue Wunder findet. Die Hand, wenn unſre Zun-
gen ſchweigen,
Weis ja ſo gut, und oͤfters beſſer, der Seelen Leidenſchaft zu
zeigen.
Sie weis zu ordnen, zu befehlen; ſie ziert und droht, ſie ſorgt,
ſie fraget,
Bejaht, verneinet, pflichtet bey, verſpricht, verwegert, ruft,
verjaget,
So daß ſie nicht nur alles thut, ſo gar zugleich faſt alles
ſaget,
Und zwar in einer ſolchen Sprache, die allgemein, die, wie
wir ſehn,
Weit beſſer, als der Zungen Rede, auch die Barbaren ſelbſt
verſtehn.
Der Zeiger-Finger lockt herbey. Wenn man ſich recht die
Haͤnde giebet,
Jſt es ein gleichfam fuͤhlbar Zeichen, daß deine Seele meine
liebet.
Die Schwermuth weis ja durch Gebehrden, durch ein erbaͤrm-
lich Haͤnde-ringen,
Oft einen, der ihr helfen kann, zum Mitleid oftermal zu
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/661>, abgerufen am 24.11.2024.
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