Uns hat, zu unserm Besten, Gott, der unsern Zustand wohl erkannt, Jm alten Testament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt, Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erkläret wird, Da man jedoch in der Erklärung ganz augenscheinlich sich geirrt.
Man spricht vom donnernden Gesetz, als wenn uns selbiges zur Last, Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur verfaßt, Zum Schrecken nur gegeben wäre, da doch, wenn wir es über- legen, Und des Gesetzes wahren Endzweck, aus seiner Absicht, wohl er- wegen Wir, wie des Schöpfers Lieb und Huld, mit unsrer Liebe, sich verbinden, Jn der gebothnen Nächstenliebe, in jeglichem Gebothe finden.
Die andre Tafel des Gesetzes zeigt nichts, als wie die wil- den Triebe Der uns nur selbst verderblich-schädlich- und recht fatalen Eigenliebe, (Wann selbe nemlich ausgeschweift,) durch unsre Nächstenlieb allein, Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zähmen seyn.
Man nehm ein jegliches Geboth, und seh, ob das, was es verbietet, Nicht bloß auf unsre Ruhe zielt, uns nicht beschützet und be- hütet.
Daß
Das liebreiche Geſetz.
Das liebreiche Geſetz.
Uns hat, zu unſerm Beſten, Gott, der unſern Zuſtand wohl erkannt, Jm alten Teſtament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt, Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erklaͤret wird, Da man jedoch in der Erklaͤrung ganz augenſcheinlich ſich geirrt.
Man ſpricht vom donnernden Geſetz, als wenn uns ſelbiges zur Laſt, Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur verfaßt, Zum Schrecken nur gegeben waͤre, da doch, wenn wir es uͤber- legen, Und des Geſetzes wahren Endzweck, aus ſeiner Abſicht, wohl er- wegen Wir, wie des Schoͤpfers Lieb und Huld, mit unſrer Liebe, ſich verbinden, Jn der gebothnen Naͤchſtenliebe, in jeglichem Gebothe finden.
Die andre Tafel des Geſetzes zeigt nichts, als wie die wil- den Triebe Der uns nur ſelbſt verderblich-ſchaͤdlich- und recht fatalen Eigenliebe, (Wann ſelbe nemlich ausgeſchweift,) durch unſre Naͤchſtenlieb allein, Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zaͤhmen ſeyn.
Man nehm ein jegliches Geboth, und ſeh, ob das, was es verbietet, Nicht bloß auf unſre Ruhe zielt, uns nicht beſchuͤtzet und be- huͤtet.
Daß
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0638"n="614"/><fwplace="top"type="header">Das liebreiche Geſetz.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das liebreiche Geſetz.</hi></head><lb/><lgn="23"><l><hirendition="#in">U</hi>ns hat, zu unſerm Beſten, Gott, der unſern Zuſtand wohl<lb/><hirendition="#et">erkannt,</hi></l><lb/><l>Jm alten Teſtament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt,</l><lb/><l>Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erklaͤret wird,</l><lb/><l>Da man jedoch in der Erklaͤrung ganz augenſcheinlich ſich<lb/><hirendition="#et">geirrt.</hi></l></lg><lb/><lgn="24"><l>Man ſpricht vom donnernden Geſetz, als wenn uns ſelbiges<lb/><hirendition="#et">zur Laſt,</hi></l><lb/><l>Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur<lb/><hirendition="#et">verfaßt,</hi></l><lb/><l>Zum Schrecken nur gegeben waͤre, da doch, wenn wir es uͤber-<lb/><hirendition="#et">legen,</hi></l><lb/><l>Und des Geſetzes wahren Endzweck, aus ſeiner Abſicht, wohl er-<lb/><hirendition="#et">wegen</hi></l><lb/><l>Wir, wie des Schoͤpfers Lieb und Huld, mit unſrer Liebe, ſich<lb/><hirendition="#et">verbinden,</hi></l><lb/><l>Jn der gebothnen Naͤchſtenliebe, in jeglichem Gebothe finden.</l></lg><lb/><lgn="25"><l>Die andre Tafel des Geſetzes zeigt nichts, als wie die wil-<lb/><hirendition="#et">den Triebe</hi></l><lb/><l>Der uns nur ſelbſt verderblich-ſchaͤdlich- und recht fatalen<lb/><hirendition="#et">Eigenliebe,</hi></l><lb/><l>(Wann ſelbe nemlich ausgeſchweift,) durch unſre Naͤchſtenlieb<lb/><hirendition="#et">allein,</hi></l><lb/><l>Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zaͤhmen ſeyn.</l></lg><lb/><lgn="26"><l>Man nehm ein jegliches Geboth, und ſeh, ob das, was es<lb/><hirendition="#et">verbietet,</hi></l><lb/><l>Nicht bloß auf unſre Ruhe zielt, uns nicht beſchuͤtzet und be-<lb/><hirendition="#et">huͤtet.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Daß</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[614/0638]
Das liebreiche Geſetz.
Das liebreiche Geſetz.
Uns hat, zu unſerm Beſten, Gott, der unſern Zuſtand wohl
erkannt,
Jm alten Teſtament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt,
Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erklaͤret wird,
Da man jedoch in der Erklaͤrung ganz augenſcheinlich ſich
geirrt.
Man ſpricht vom donnernden Geſetz, als wenn uns ſelbiges
zur Laſt,
Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur
verfaßt,
Zum Schrecken nur gegeben waͤre, da doch, wenn wir es uͤber-
legen,
Und des Geſetzes wahren Endzweck, aus ſeiner Abſicht, wohl er-
wegen
Wir, wie des Schoͤpfers Lieb und Huld, mit unſrer Liebe, ſich
verbinden,
Jn der gebothnen Naͤchſtenliebe, in jeglichem Gebothe finden.
Die andre Tafel des Geſetzes zeigt nichts, als wie die wil-
den Triebe
Der uns nur ſelbſt verderblich-ſchaͤdlich- und recht fatalen
Eigenliebe,
(Wann ſelbe nemlich ausgeſchweift,) durch unſre Naͤchſtenlieb
allein,
Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zaͤhmen ſeyn.
Man nehm ein jegliches Geboth, und ſeh, ob das, was es
verbietet,
Nicht bloß auf unſre Ruhe zielt, uns nicht beſchuͤtzet und be-
huͤtet.
Daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/638>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.