"Und immer weiter kommen will. Es mag so, wie es will, dir scheinen; "Wir suchen darum Gott zu fassen, um uns mit ihm recht zu vereinen.
Der Vorwand scheint so unrecht nicht. Laß uns denn, eb wir weiter gehn, Desselben Grund, ohn Eigensinn, und ohne Vorurtheil, besehn. Mir kömmt es wenigstens so vor: Wer so mit seinem Geist verfährt, Daß er, was unbegreiflich ist, sich doch bemühet zu begreifen, Der scheint weit minder Gottes Ehr, als seinen eignen Ruhm, zu häufen; Er scheint, ob hielt sein scharfer Geist sich der Allwissenheit selbst werth. Zu welcher Absicht thust du dieses? Du stutzest, denn du hast vielleicht Hierauf noch selbst nicht einst gedacht. Jch will dirs sagen: Dich allein Suchst du hiedurch nur groß zu machen, dein Geist verlanget, hoch zu seyn. Es hemmt die feurige Begierde, dich zu erhöhn, daß, wie mich deucht, Du an die Gottheit zu gedenken, nicht Zeit gehabt. Du bist mit dir So sehr beschäfftiget, zu scheinen, Als ob du Gottes Wesen kenntest, daß du, wo ich nicht irre, leicht Die Wahrheit selber gerne schenktest, wofern es nur die Men- schen meynen. Die Seelen aber, welche Gott zur Absicht ihrer Ehre haben, Vergraben darum ihr Talent, und die von ihm empfangnen Gaben
Nicht,
goͤttliches Weſen zu begreifen.
„Und immer weiter kommen will. Es mag ſo, wie es will, dir ſcheinen; „Wir ſuchen darum Gott zu faſſen, um uns mit ihm recht zu vereinen.
Der Vorwand ſcheint ſo unrecht nicht. Laß uns denn, eb wir weiter gehn, Deſſelben Grund, ohn Eigenſinn, und ohne Vorurtheil, beſehn. Mir koͤmmt es wenigſtens ſo vor: Wer ſo mit ſeinem Geiſt verfaͤhrt, Daß er, was unbegreiflich iſt, ſich doch bemuͤhet zu begreifen, Der ſcheint weit minder Gottes Ehr, als ſeinen eignen Ruhm, zu haͤufen; Er ſcheint, ob hielt ſein ſcharfer Geiſt ſich der Allwiſſenheit ſelbſt werth. Zu welcher Abſicht thuſt du dieſes? Du ſtutzeſt, denn du haſt vielleicht Hierauf noch ſelbſt nicht einſt gedacht. Jch will dirs ſagen: Dich allein Suchſt du hiedurch nur groß zu machen, dein Geiſt verlanget, hoch zu ſeyn. Es hemmt die feurige Begierde, dich zu erhoͤhn, daß, wie mich deucht, Du an die Gottheit zu gedenken, nicht Zeit gehabt. Du biſt mit dir So ſehr beſchaͤfftiget, zu ſcheinen, Als ob du Gottes Weſen kennteſt, daß du, wo ich nicht irre, leicht Die Wahrheit ſelber gerne ſchenkteſt, wofern es nur die Men- ſchen meynen. Die Seelen aber, welche Gott zur Abſicht ihrer Ehre haben, Vergraben darum ihr Talent, und die von ihm empfangnen Gaben
Nicht,
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goͤttliches Weſen zu begreifen.
„Und immer weiter kommen will. Es mag ſo, wie es will,
dir ſcheinen;
„Wir ſuchen darum Gott zu faſſen, um uns mit ihm recht zu
vereinen.
Der Vorwand ſcheint ſo unrecht nicht. Laß uns denn, eb
wir weiter gehn,
Deſſelben Grund, ohn Eigenſinn, und ohne Vorurtheil, beſehn.
Mir koͤmmt es wenigſtens ſo vor: Wer ſo mit ſeinem Geiſt
verfaͤhrt,
Daß er, was unbegreiflich iſt, ſich doch bemuͤhet zu begreifen,
Der ſcheint weit minder Gottes Ehr, als ſeinen eignen Ruhm,
zu haͤufen;
Er ſcheint, ob hielt ſein ſcharfer Geiſt ſich der Allwiſſenheit
ſelbſt werth.
Zu welcher Abſicht thuſt du dieſes? Du ſtutzeſt, denn du haſt
vielleicht
Hierauf noch ſelbſt nicht einſt gedacht. Jch will dirs ſagen:
Dich allein
Suchſt du hiedurch nur groß zu machen, dein Geiſt verlanget,
hoch zu ſeyn.
Es hemmt die feurige Begierde, dich zu erhoͤhn, daß, wie mich
deucht,
Du an die Gottheit zu gedenken, nicht Zeit gehabt. Du biſt mit dir
So ſehr beſchaͤfftiget, zu ſcheinen,
Als ob du Gottes Weſen kennteſt, daß du, wo ich nicht irre,
leicht
Die Wahrheit ſelber gerne ſchenkteſt, wofern es nur die Men-
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Die Seelen aber, welche Gott zur Abſicht ihrer Ehre haben,
Vergraben darum ihr Talent, und die von ihm empfangnen
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/629>, abgerufen am 22.11.2024.
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