Wie ich, aus einem süssen Traum, jüngst früh erwachte, Und, welch ein großes Glück es wär, im Ernst gedachte, Wenn man sich selber Träume machen, dieselbige willkühr- lich fügen, Und sie zusammen setzen könnte: O welch Vergnügen Würd einer doch sich selbst verschaffen! was würd er sehn, Für Lieblichkeiten der Natur! Was würd er hören, Jn einem angenehmen Wald, in hellen Chören, Von Singevögeln, Nachtigallen, für ein Getön! Wie würde mancher an der Schönheit, und andern Schätzen, Von einer jungen schönen Frauen, sich nicht ergetzen! Was würd er nicht in Speis und Trank, für Lieblichkeiten, Durch vorgestellete Jdeen, sich selbst bereiten! Allein indem ich also denke: So fällt mir bey, Daß dieser mein so kluger Wunsch, recht närrisch sey. Wir haben ja dergleichen Macht, indem wir wachen, Wir können uns von ungezählt-und süssen Sachen, Jm Denken tausendfach Vergnügen, Jdeen machen, Vergnügliche zusammen setzen, ein ganzes Heer, Von holden Phantaseyen zeugen; ja was noch mehr, Wir können nicht nur in Gedanken, durch kluges Fügen, Der schönsten Bilder des Gemüths, uns hier vergnügen; Wir haben, von den allermeisten, die Wirklichkeit. Von welcher unbegreiflichen Beschaffenheit Jst denn das menschliche Geschlecht! Da, sonder Licht, Vernunft und Wirklichkeit und Wahrheit, wir was verlangen, Zu sehn, zu hören, zu geniessen, und zu empfangen. Hat man nun wirklich Licht, Vernunft, Gehör, Gesicht, Zu sehn, zu hören, sich zu freuen: So thut mans nicht.
Ernst-
Ungereimter Wunſch.
Ungereimter Wunſch.
Wie ich, aus einem ſuͤſſen Traum, juͤngſt fruͤh erwachte, Und, welch ein großes Gluͤck es waͤr, im Ernſt gedachte, Wenn man ſich ſelber Traͤume machen, dieſelbige willkuͤhr- lich fuͤgen, Und ſie zuſammen ſetzen koͤnnte: O welch Vergnuͤgen Wuͤrd einer doch ſich ſelbſt verſchaffen! was wuͤrd er ſehn, Fuͤr Lieblichkeiten der Natur! Was wuͤrd er hoͤren, Jn einem angenehmen Wald, in hellen Choͤren, Von Singevoͤgeln, Nachtigallen, fuͤr ein Getoͤn! Wie wuͤrde mancher an der Schoͤnheit, und andern Schaͤtzen, Von einer jungen ſchoͤnen Frauen, ſich nicht ergetzen! Was wuͤrd er nicht in Speiſ und Trank, fuͤr Lieblichkeiten, Durch vorgeſtellete Jdeen, ſich ſelbſt bereiten! Allein indem ich alſo denke: So faͤllt mir bey, Daß dieſer mein ſo kluger Wunſch, recht naͤrriſch ſey. Wir haben ja dergleichen Macht, indem wir wachen, Wir koͤnnen uns von ungezaͤhlt-und ſuͤſſen Sachen, Jm Denken tauſendfach Vergnuͤgen, Jdeen machen, Vergnuͤgliche zuſammen ſetzen, ein ganzes Heer, Von holden Phantaſeyen zeugen; ja was noch mehr, Wir koͤnnen nicht nur in Gedanken, durch kluges Fuͤgen, Der ſchoͤnſten Bilder des Gemuͤths, uns hier vergnuͤgen; Wir haben, von den allermeiſten, die Wirklichkeit. Von welcher unbegreiflichen Beſchaffenheit Jſt denn das menſchliche Geſchlecht! Da, ſonder Licht, Vernunft und Wirklichkeit und Wahrheit, wir was verlangen, Zu ſehn, zu hoͤren, zu genieſſen, und zu empfangen. Hat man nun wirklich Licht, Vernunft, Gehoͤr, Geſicht, Zu ſehn, zu hoͤren, ſich zu freuen: So thut mans nicht.
Ernſt-
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Ungereimter Wunſch.
Ungereimter Wunſch.
Wie ich, aus einem ſuͤſſen Traum, juͤngſt fruͤh erwachte,
Und, welch ein großes Gluͤck es waͤr, im Ernſt gedachte,
Wenn man ſich ſelber Traͤume machen, dieſelbige willkuͤhr-
lich fuͤgen,
Und ſie zuſammen ſetzen koͤnnte: O welch Vergnuͤgen
Wuͤrd einer doch ſich ſelbſt verſchaffen! was wuͤrd er ſehn,
Fuͤr Lieblichkeiten der Natur! Was wuͤrd er hoͤren,
Jn einem angenehmen Wald, in hellen Choͤren,
Von Singevoͤgeln, Nachtigallen, fuͤr ein Getoͤn!
Wie wuͤrde mancher an der Schoͤnheit, und andern Schaͤtzen,
Von einer jungen ſchoͤnen Frauen, ſich nicht ergetzen!
Was wuͤrd er nicht in Speiſ und Trank, fuͤr Lieblichkeiten,
Durch vorgeſtellete Jdeen, ſich ſelbſt bereiten!
Allein indem ich alſo denke: So faͤllt mir bey,
Daß dieſer mein ſo kluger Wunſch, recht naͤrriſch ſey.
Wir haben ja dergleichen Macht, indem wir wachen,
Wir koͤnnen uns von ungezaͤhlt-und ſuͤſſen Sachen,
Jm Denken tauſendfach Vergnuͤgen, Jdeen machen,
Vergnuͤgliche zuſammen ſetzen, ein ganzes Heer,
Von holden Phantaſeyen zeugen; ja was noch mehr,
Wir koͤnnen nicht nur in Gedanken, durch kluges Fuͤgen,
Der ſchoͤnſten Bilder des Gemuͤths, uns hier vergnuͤgen;
Wir haben, von den allermeiſten, die Wirklichkeit.
Von welcher unbegreiflichen Beſchaffenheit
Jſt denn das menſchliche Geſchlecht! Da, ſonder Licht,
Vernunft und Wirklichkeit und Wahrheit, wir was verlangen,
Zu ſehn, zu hoͤren, zu genieſſen, und zu empfangen.
Hat man nun wirklich Licht, Vernunft, Gehoͤr, Geſicht,
Zu ſehn, zu hoͤren, ſich zu freuen: So thut mans nicht.
Ernſt-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/595>, abgerufen am 16.02.2025.
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