Als andre, deren Körper man nicht grösser, als sechs Füsse, mißt; Ob du gleich anders nicht gebohren, als ander', auch nicht län- ger lebest, Du doch an Größe deines Geistes so unverschämt dich selbst erhebest, Und glaubest, daß die dunkeln Gründe der sich verbergenden Natur Für niemand sonst entdecket seyn, als bloß für dich alleine nur.
Da nun die andern so von dir, wie du von ihnen denkst, gedenken: So solltest du ja billig einst auf dieß Betragen mit Bedacht, Zu deiner eigenen Besserung, die schwärmenden Gedanken lenken, Zur Selbsterkenntniß dich bequemen, und aus des Jrrthums dunkler Nacht, Durch Demuth, zu dem Licht der Wahrheit dich zu verfügen, dich bemühn.
Du mußt, vor allen, dich der Macht der Eigenliebe zu entziehn, Mit Ernst und Eifer dich befleissen. Aus diesem aufgebrach- ten Meer, Vom Sturm des Stolzes, fließt allein der wilde Strom des Jrrthums her, Der, was so Recht und Billigkeit dir gleich vor Riegel vorge- dämmet, Durch ausgeschweifter Leidenschaft Gewalt, doch alles über- schwemmet.
Die unglückselge Jchbeit setzt dich wider alle deines gleichen; Du willt der andern Menschen Jch, und sie, dem Deinen, auch nicht weichen. Ein jeder sieht sich selber an, als wenn vom Schöpfer alle Gabe, An Ueberlegung und Verstand, nur er allein empfangen habe; Ein jeder wünschet, mit dem Ausschluß der andern, daß nur er gefalle. Darüber nun entstehet leider! der Krieg von allen gegen alle.
Der
Br.VI.Th. M m
und Nutz der Naͤchſten-Liebe.
Als andre, deren Koͤrper man nicht groͤſſer, als ſechs Fuͤſſe, mißt; Ob du gleich anders nicht gebohren, als ander’, auch nicht laͤn- ger lebeſt, Du doch an Groͤße deines Geiſtes ſo unverſchaͤmt dich ſelbſt erhebeſt, Und glaubeſt, daß die dunkeln Gruͤnde der ſich verbergenden Natur Fuͤr niemand ſonſt entdecket ſeyn, als bloß fuͤr dich alleine nur.
Da nun die andern ſo von dir, wie du von ihnen denkſt, gedenken: So ſollteſt du ja billig einſt auf dieß Betragen mit Bedacht, Zu deiner eigenen Beſſerung, die ſchwaͤrmenden Gedanken lenken, Zur Selbſterkenntniß dich bequemen, und aus des Jrrthums dunkler Nacht, Durch Demuth, zu dem Licht der Wahrheit dich zu verfuͤgen, dich bemuͤhn.
Du mußt, vor allen, dich der Macht der Eigenliebe zu entziehn, Mit Ernſt und Eifer dich befleiſſen. Aus dieſem aufgebrach- ten Meer, Vom Sturm des Stolzes, fließt allein der wilde Strom des Jrrthums her, Der, was ſo Recht und Billigkeit dir gleich vor Riegel vorge- daͤmmet, Durch ausgeſchweifter Leidenſchaft Gewalt, doch alles uͤber- ſchwemmet.
Die ungluͤckſelge Jchbeit ſetzt dich wider alle deines gleichen; Du willt der andern Menſchen Jch, und ſie, dem Deinen, auch nicht weichen. Ein jeder ſieht ſich ſelber an, als wenn vom Schoͤpfer alle Gabe, An Ueberlegung und Verſtand, nur er allein empfangen habe; Ein jeder wuͤnſchet, mit dem Ausſchluß der andern, daß nur er gefalle. Daruͤber nun entſtehet leider! der Krieg von allen gegen alle.
Der
Br.VI.Th. M m
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und Nutz der Naͤchſten-Liebe.
Als andre, deren Koͤrper man nicht groͤſſer, als ſechs Fuͤſſe, mißt;
Ob du gleich anders nicht gebohren, als ander’, auch nicht laͤn-
ger lebeſt,
Du doch an Groͤße deines Geiſtes ſo unverſchaͤmt dich ſelbſt
erhebeſt,
Und glaubeſt, daß die dunkeln Gruͤnde der ſich verbergenden
Natur
Fuͤr niemand ſonſt entdecket ſeyn, als bloß fuͤr dich alleine nur.
Da nun die andern ſo von dir, wie du von ihnen denkſt, gedenken:
So ſollteſt du ja billig einſt auf dieß Betragen mit Bedacht,
Zu deiner eigenen Beſſerung, die ſchwaͤrmenden Gedanken lenken,
Zur Selbſterkenntniß dich bequemen, und aus des Jrrthums
dunkler Nacht,
Durch Demuth, zu dem Licht der Wahrheit dich zu verfuͤgen,
dich bemuͤhn.
Du mußt, vor allen, dich der Macht der Eigenliebe zu entziehn,
Mit Ernſt und Eifer dich befleiſſen. Aus dieſem aufgebrach-
ten Meer,
Vom Sturm des Stolzes, fließt allein der wilde Strom des
Jrrthums her,
Der, was ſo Recht und Billigkeit dir gleich vor Riegel vorge-
daͤmmet,
Durch ausgeſchweifter Leidenſchaft Gewalt, doch alles uͤber-
ſchwemmet.
Die ungluͤckſelge Jchbeit ſetzt dich wider alle deines gleichen;
Du willt der andern Menſchen Jch, und ſie, dem Deinen,
auch nicht weichen.
Ein jeder ſieht ſich ſelber an, als wenn vom Schoͤpfer alle Gabe,
An Ueberlegung und Verſtand, nur er allein empfangen habe;
Ein jeder wuͤnſchet, mit dem Ausſchluß der andern, daß nur er
gefalle.
Daruͤber nun entſtehet leider! der Krieg von allen gegen alle.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/569>, abgerufen am 25.11.2024.
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