Den weiten Raum und Zwischenstand, Der zwischen den zwo Augenbrauen Des Poliphemus sich befand, Der ausgestreckt im Schlaf zu schauen. Auf diese Weise sah man ihn, Daß er an Größ entsetzlich schien.
Wie ich nun dieses überlegte, Bedacht ich ferner, und erwegte, Daß auf dem ganzen Erden-Schooß Für uns nichts wirklich klein, nichts groß, Und alle Dinge groß und klein, Nur bloß Vergleichungs-weise, seyn.
Dieß ließ mich die zwo Lehren sehn, Daß wir vom wahren Maaß der Dinge Fast das geringste nicht verstehen. Worauf ich denn noch weiter ginge, Und merkte, daß nur Gott allein Von Körpern ihre wahre Maße Und eigentliches Wesen fasse.
Mit fiel hiebey noch ferner ein, Daß seiner Unermeßlichkeit Ungränzbare Beschaffenheit, Die alle Sinnen übersteiget, Uns dieses überzeuglich zeiget: Es sey für Gott nichts groß, nichts klein. Wodurch wir überwiesen seyn, (Wenn Gram und Schwermuth uns verletzen, Zu einem Trost, der nicht zu schätzen,) Daß für den Schöpfer aller Dinge Wir nicht zu klein, nicht zu geringe. Daß groß und klein ihm einerley, Und seiner Achtung fähig sey.
Nach-
Troſt.
Den weiten Raum und Zwiſchenſtand, Der zwiſchen den zwo Augenbrauen Des Poliphemus ſich befand, Der ausgeſtreckt im Schlaf zu ſchauen. Auf dieſe Weiſe ſah man ihn, Daß er an Groͤß entſetzlich ſchien.
Wie ich nun dieſes uͤberlegte, Bedacht ich ferner, und erwegte, Daß auf dem ganzen Erden-Schooß Fuͤr uns nichts wirklich klein, nichts groß, Und alle Dinge groß und klein, Nur bloß Vergleichungs-weiſe, ſeyn.
Dieß ließ mich die zwo Lehren ſehn, Daß wir vom wahren Maaß der Dinge Faſt das geringſte nicht verſtehen. Worauf ich denn noch weiter ginge, Und merkte, daß nur Gott allein Von Koͤrpern ihre wahre Maße Und eigentliches Weſen faſſe.
Mit fiel hiebey noch ferner ein, Daß ſeiner Unermeßlichkeit Ungraͤnzbare Beſchaffenheit, Die alle Sinnen uͤberſteiget, Uns dieſes uͤberzeuglich zeiget: Es ſey fuͤr Gott nichts groß, nichts klein. Wodurch wir uͤberwieſen ſeyn, (Wenn Gram und Schwermuth uns verletzen, Zu einem Troſt, der nicht zu ſchaͤtzen,) Daß fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge Wir nicht zu klein, nicht zu geringe. Daß groß und klein ihm einerley, Und ſeiner Achtung faͤhig ſey.
Nach-
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[343[543]/0567]
Troſt.
Den weiten Raum und Zwiſchenſtand,
Der zwiſchen den zwo Augenbrauen
Des Poliphemus ſich befand,
Der ausgeſtreckt im Schlaf zu ſchauen.
Auf dieſe Weiſe ſah man ihn,
Daß er an Groͤß entſetzlich ſchien.
Wie ich nun dieſes uͤberlegte,
Bedacht ich ferner, und erwegte,
Daß auf dem ganzen Erden-Schooß
Fuͤr uns nichts wirklich klein, nichts groß,
Und alle Dinge groß und klein,
Nur bloß Vergleichungs-weiſe, ſeyn.
Dieß ließ mich die zwo Lehren ſehn,
Daß wir vom wahren Maaß der Dinge
Faſt das geringſte nicht verſtehen.
Worauf ich denn noch weiter ginge,
Und merkte, daß nur Gott allein
Von Koͤrpern ihre wahre Maße
Und eigentliches Weſen faſſe.
Mit fiel hiebey noch ferner ein,
Daß ſeiner Unermeßlichkeit
Ungraͤnzbare Beſchaffenheit,
Die alle Sinnen uͤberſteiget,
Uns dieſes uͤberzeuglich zeiget:
Es ſey fuͤr Gott nichts groß, nichts klein.
Wodurch wir uͤberwieſen ſeyn,
(Wenn Gram und Schwermuth uns verletzen,
Zu einem Troſt, der nicht zu ſchaͤtzen,)
Daß fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge
Wir nicht zu klein, nicht zu geringe.
Daß groß und klein ihm einerley,
Und ſeiner Achtung faͤhig ſey.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 343[543]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/567>, abgerufen am 22.11.2024.
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