Viel toller noch, als Hunde handeln, nicht Feind, nicht Stein, uns selbst zerreissen, Wenn man, durch aufgebrachte Galle, sich kränkt und sich am wehsten thut.
Wer wollte nun, solch einem Feind zu widerstehn, sich nicht bequemen, Der, wenn er siegt, uns lächerlich, verächtlich, toll und elend macht? Wer würde wohl das wilde Thier, das man im Busen hegt, nicht zähmen, Würd es nur recht, nach seinem Wesen, die Folg, und die Gefahr bedacht,
Kurz; soll, in deinem ganzen Leben, dich deine Thorheit nicht gereuen, So mußt du gleich, so bald dein Zorn nur eben seinen Anfang nimmt, Sobald dir, gegen deinen Nächsten, ein Funken in der Brust entglimmt, Anstatt ihn eifrig aufzublasen, nur eilig in denselben speyen. Du wirst dadurch im Stande kommen, durch deines Feindes eigne Waffen, Dir wahre Satisfaction, wie man es nennet, zu verschaffen. Hingegen bleibt es lächerlich, durch schnellen Eifer sich bemühn, Sich selbst zu schänden, sich zu plagen, sich Pein und Krankheit zuzuziehn, Und wenn ein andrer uns beleidigt, den andern nicht, sich selber strafen.
Him-
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thut unrecht vor Gott.
Viel toller noch, als Hunde handeln, nicht Feind, nicht Stein, uns ſelbſt zerreiſſen, Wenn man, durch aufgebrachte Galle, ſich kraͤnkt und ſich am wehſten thut.
Wer wollte nun, ſolch einem Feind zu widerſtehn, ſich nicht bequemen, Der, wenn er ſiegt, uns laͤcherlich, veraͤchtlich, toll und elend macht? Wer wuͤrde wohl das wilde Thier, das man im Buſen hegt, nicht zaͤhmen, Wuͤrd es nur recht, nach ſeinem Weſen, die Folg, und die Gefahr bedacht,
Kurz; ſoll, in deinem ganzen Leben, dich deine Thorheit nicht gereuen, So mußt du gleich, ſo bald dein Zorn nur eben ſeinen Anfang nimmt, Sobald dir, gegen deinen Naͤchſten, ein Funken in der Bruſt entglimmt, Anſtatt ihn eifrig aufzublaſen, nur eilig in denſelben ſpeyen. Du wirſt dadurch im Stande kommen, durch deines Feindes eigne Waffen, Dir wahre Satisfaction, wie man es nennet, zu verſchaffen. Hingegen bleibt es laͤcherlich, durch ſchnellen Eifer ſich bemuͤhn, Sich ſelbſt zu ſchaͤnden, ſich zu plagen, ſich Pein und Krankheit zuzuziehn, Und wenn ein andrer uns beleidigt, den andern nicht, ſich ſelber ſtrafen.
Him-
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thut unrecht vor Gott.
Viel toller noch, als Hunde handeln, nicht Feind, nicht Stein,
uns ſelbſt zerreiſſen,
Wenn man, durch aufgebrachte Galle, ſich kraͤnkt und ſich am
wehſten thut.
Wer wollte nun, ſolch einem Feind zu widerſtehn, ſich nicht
bequemen,
Der, wenn er ſiegt, uns laͤcherlich, veraͤchtlich, toll und elend
macht?
Wer wuͤrde wohl das wilde Thier, das man im Buſen hegt,
nicht zaͤhmen,
Wuͤrd es nur recht, nach ſeinem Weſen, die Folg, und die
Gefahr bedacht,
Kurz; ſoll, in deinem ganzen Leben, dich deine Thorheit nicht
gereuen,
So mußt du gleich, ſo bald dein Zorn nur eben ſeinen Anfang
nimmt,
Sobald dir, gegen deinen Naͤchſten, ein Funken in der Bruſt
entglimmt,
Anſtatt ihn eifrig aufzublaſen, nur eilig in denſelben ſpeyen.
Du wirſt dadurch im Stande kommen, durch deines Feindes
eigne Waffen,
Dir wahre Satisfaction, wie man es nennet, zu verſchaffen.
Hingegen bleibt es laͤcherlich, durch ſchnellen Eifer ſich bemuͤhn,
Sich ſelbſt zu ſchaͤnden, ſich zu plagen, ſich Pein und Krankheit
zuzuziehn,
Und wenn ein andrer uns beleidigt, den andern nicht, ſich ſelber
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/463>, abgerufen am 22.11.2024.
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