Wem wird es wohl von euch gelingen, Nur zu dem Denken zu gelangen, Aus Blumen Honigseim zu bringen, Noch minder, wie es anzufangen? Hieraus nun könnt ihr deutlich sehn, Daß alle menschliche Gedanken, Jn sehr viel eingeschränktern Schranken, Als ihr euch überredet, stehn. Jhr wüßtet, ohne meine Lehre, Nicht, ja nicht die geringste Spur, Daß überall, in der Natur, Ein Honigseim verborgen wäre. Wie viel euch unbekannte Säfte; Wie viele Millionen Kräfte, Die euren Witz verborgen seyn, Schließt die Natur vermuthlich ein! Drum lernet wenigstens, von mir, Trotz eurem Uebermuth, daß ihr, Euch ja nicht überheben müsset, Und, wo nicht nichts, doch wenig wisset,
Ein' andre Biene saß dabey, Und schien in ein vertieftes Denken, Sich recht mit Vorsatz, zu versenken. Jndem ich sie nun ernstlich fragte, Was ihrer Sorgen Ursach sey: So deucht mich, daß sie zu mir sagte: "Jch weis, ich bin ein kluges Thier, "Das müßt ihr Menschen selbst gestehen, "Und darum eben sitz ich hier,
"Und
B 3
Zwo lehrende Bienen.
Wem wird es wohl von euch gelingen, Nur zu dem Denken zu gelangen, Aus Blumen Honigſeim zu bringen, Noch minder, wie es anzufangen? Hieraus nun koͤnnt ihr deutlich ſehn, Daß alle menſchliche Gedanken, Jn ſehr viel eingeſchraͤnktern Schranken, Als ihr euch uͤberredet, ſtehn. Jhr wuͤßtet, ohne meine Lehre, Nicht, ja nicht die geringſte Spur, Daß uͤberall, in der Natur, Ein Honigſeim verborgen waͤre. Wie viel euch unbekannte Saͤfte; Wie viele Millionen Kraͤfte, Die euren Witz verborgen ſeyn, Schließt die Natur vermuthlich ein! Drum lernet wenigſtens, von mir, Trotz eurem Uebermuth, daß ihr, Euch ja nicht uͤberheben muͤſſet, Und, wo nicht nichts, doch wenig wiſſet,
Ein’ andre Biene ſaß dabey, Und ſchien in ein vertieftes Denken, Sich recht mit Vorſatz, zu verſenken. Jndem ich ſie nun ernſtlich fragte, Was ihrer Sorgen Urſach ſey: So deucht mich, daß ſie zu mir ſagte: „Jch weis, ich bin ein kluges Thier, „Das muͤßt ihr Menſchen ſelbſt geſtehen, „Und darum eben ſitz ich hier,
„Und
B 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0045"n="21"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zwo lehrende Bienen.</hi></fw><lb/><lgn="26"><l>Wem wird es wohl von euch gelingen,</l><lb/><l>Nur zu dem Denken zu gelangen,</l><lb/><l>Aus Blumen Honigſeim zu bringen,</l><lb/><l>Noch minder, wie es anzufangen?</l><lb/><l>Hieraus nun koͤnnt ihr deutlich ſehn,</l><lb/><l>Daß alle menſchliche Gedanken,</l><lb/><l>Jn ſehr viel eingeſchraͤnktern Schranken,</l><lb/><l>Als ihr euch uͤberredet, ſtehn.</l><lb/><l>Jhr wuͤßtet, ohne meine Lehre,</l><lb/><l>Nicht, ja nicht die geringſte Spur,</l><lb/><l>Daß uͤberall, in der Natur,</l><lb/><l>Ein Honigſeim verborgen waͤre.</l><lb/><l>Wie viel euch unbekannte Saͤfte;</l><lb/><l>Wie viele Millionen Kraͤfte,</l><lb/><l>Die euren Witz verborgen ſeyn,</l><lb/><l>Schließt die Natur vermuthlich ein!</l><lb/><l>Drum lernet wenigſtens, von mir,</l><lb/><l>Trotz eurem Uebermuth, daß ihr,</l><lb/><l>Euch ja nicht uͤberheben muͤſſet,</l><lb/><l>Und, wo nicht nichts, doch wenig wiſſet,</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgn="27"><l>Ein’ andre Biene ſaß dabey,</l><lb/><l>Und ſchien in ein vertieftes Denken,</l><lb/><l>Sich recht mit Vorſatz, zu verſenken.</l><lb/><l>Jndem ich ſie nun ernſtlich fragte,</l><lb/><l>Was ihrer Sorgen Urſach ſey:</l><lb/><l>So deucht mich, daß ſie zu mir ſagte:</l><lb/><l>„Jch weis, ich bin ein kluges Thier,</l><lb/><l>„Das muͤßt ihr Menſchen ſelbſt geſtehen,</l><lb/><l>„Und darum eben ſitz ich hier,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">„Und</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[21/0045]
Zwo lehrende Bienen.
Wem wird es wohl von euch gelingen,
Nur zu dem Denken zu gelangen,
Aus Blumen Honigſeim zu bringen,
Noch minder, wie es anzufangen?
Hieraus nun koͤnnt ihr deutlich ſehn,
Daß alle menſchliche Gedanken,
Jn ſehr viel eingeſchraͤnktern Schranken,
Als ihr euch uͤberredet, ſtehn.
Jhr wuͤßtet, ohne meine Lehre,
Nicht, ja nicht die geringſte Spur,
Daß uͤberall, in der Natur,
Ein Honigſeim verborgen waͤre.
Wie viel euch unbekannte Saͤfte;
Wie viele Millionen Kraͤfte,
Die euren Witz verborgen ſeyn,
Schließt die Natur vermuthlich ein!
Drum lernet wenigſtens, von mir,
Trotz eurem Uebermuth, daß ihr,
Euch ja nicht uͤberheben muͤſſet,
Und, wo nicht nichts, doch wenig wiſſet,
Ein’ andre Biene ſaß dabey,
Und ſchien in ein vertieftes Denken,
Sich recht mit Vorſatz, zu verſenken.
Jndem ich ſie nun ernſtlich fragte,
Was ihrer Sorgen Urſach ſey:
So deucht mich, daß ſie zu mir ſagte:
„Jch weis, ich bin ein kluges Thier,
„Das muͤßt ihr Menſchen ſelbſt geſtehen,
„Und darum eben ſitz ich hier,
„Und
B 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/45>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.