Wodurch sie nicht nur sich und andre, mit stetiger Betrübniß, quälen; Nein, noch dazu, so viel an ihnen, dem Schöpfer Güt und Liebe stehlen, Die doch sein wahres Wesen ist. Es zeiget Schrift, es zeigt Natur, Daß göttliche Vollkommenheit nur dieß am allermeisten wolle, Daß man sich, hier sowohl auf Erden, als ewig dort, vergnü- gen solle, (Wie hier Geschöpf und Sinne zeigen, der Himmel dort) die klarste Spur.
Der Schöpfer wollte seinen Ruhm, o Lieb! an unsre Freude fügen, Und ist der beste Gottesdienst, sich Gott zu Ehren, zu vergnügen. Die Wollust ist nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch ist nur un- tersagt, Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr Ueberfluß, Ein gar zu hitziger Gebrauch, und übermäßiger Genuß Die längern Freuden uns verkürzet, und weniger behagt, als plagt: So scheint der Wollust übermaßen uns darum nur allein ge- nommen, Daß wir, durch mäßigen Gebrauch, vielmehr von Wollust über- kommen, * Erhalten und geniessen sollten. Weil was der Wollust Dauer mehrt, Uns von derselbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr beschehrt,
Wo-
*Ita praesentibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.
Der Atheiſte.
Wodurch ſie nicht nur ſich und andre, mit ſtetiger Betruͤbniß, quaͤlen; Nein, noch dazu, ſo viel an ihnen, dem Schoͤpfer Guͤt und Liebe ſtehlen, Die doch ſein wahres Weſen iſt. Es zeiget Schrift, es zeigt Natur, Daß goͤttliche Vollkommenheit nur dieß am allermeiſten wolle, Daß man ſich, hier ſowohl auf Erden, als ewig dort, vergnuͤ- gen ſolle, (Wie hier Geſchoͤpf und Sinne zeigen, der Himmel dort) die klarſte Spur.
Der Schoͤpfer wollte ſeinen Ruhm, o Lieb! an unſre Freude fuͤgen, Und iſt der beſte Gottesdienſt, ſich Gott zu Ehren, zu vergnuͤgen. Die Wolluſt iſt nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch iſt nur un- terſagt, Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr Ueberfluß, Ein gar zu hitziger Gebrauch, und uͤbermaͤßiger Genuß Die laͤngern Freuden uns verkuͤrzet, und weniger behagt, als plagt: So ſcheint der Wolluſt uͤbermaßen uns darum nur allein ge- nommen, Daß wir, durch maͤßigen Gebrauch, vielmehr von Wolluſt uͤber- kommen, * Erhalten und genieſſen ſollten. Weil was der Wolluſt Dauer mehrt, Uns von derſelbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr beſchehrt,
Wo-
*Ita praeſentibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.
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Der Atheiſte.
Wodurch ſie nicht nur ſich und andre, mit ſtetiger Betruͤbniß,
quaͤlen;
Nein, noch dazu, ſo viel an ihnen, dem Schoͤpfer Guͤt und Liebe
ſtehlen,
Die doch ſein wahres Weſen iſt. Es zeiget Schrift, es zeigt
Natur,
Daß goͤttliche Vollkommenheit nur dieß am allermeiſten wolle,
Daß man ſich, hier ſowohl auf Erden, als ewig dort, vergnuͤ-
gen ſolle,
(Wie hier Geſchoͤpf und Sinne zeigen, der Himmel dort)
die klarſte Spur.
Der Schoͤpfer wollte ſeinen Ruhm, o Lieb! an unſre
Freude fuͤgen,
Und iſt der beſte Gottesdienſt, ſich Gott zu Ehren, zu vergnuͤgen.
Die Wolluſt iſt nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch iſt nur un-
terſagt,
Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr
Ueberfluß,
Ein gar zu hitziger Gebrauch, und uͤbermaͤßiger Genuß
Die laͤngern Freuden uns verkuͤrzet, und weniger behagt, als
plagt:
So ſcheint der Wolluſt uͤbermaßen uns darum nur allein ge-
nommen,
Daß wir, durch maͤßigen Gebrauch, vielmehr von Wolluſt uͤber-
kommen, *
Erhalten und genieſſen ſollten. Weil was der Wolluſt Dauer
mehrt,
Uns von derſelbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr
beſchehrt,
Wo-
* Ita praeſentibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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