Bedächten wir, wie viel wir haben, und wie so wenig wir verdienen: Unmöglich könnten wir so oft, so viel zu klagen, uns erkühnen. So aber kehren wir es um, und lenken unsre Kraft der Seelen Von allem, was wir haben, ab, und bloß auf Dinge, die uns fehlen. So lange wir also verfahren: Kann es unmöglich anders seyn, (Und, träff auch alles, was wir wollen, nach unserm eignen Wünschen ein,) Unmöglich kann man sich vergnügen. Denn, eben dadurch, daß wirs kriegen, Und denn nicht mehr daran gedenken, verschwindet eben das Vergnügen. Dadurch wird meistens nun die Welt so voller Gram und vol- ler Leid, Und nicht so sehr durch ihr selbständig' u. eigene Beschaffenheit. Wofern nicht jemand die Gesundheit, und etwan Speis und Kleider fehlen: So thut er wirklich Unrecht, sich den Unglückselgen zu zu zählen. Wenn er nur in sich gehen will, u. seiner Plagen Quell ergründen: Wird er sie meist in seinem Herzen, und selten ausser sich befinden. Erkennest du nicht überzeuglich, wenn du nur selbst willt in dich gehn, Daß mehrentheils bloß in der Meynung die Dinge dieser Welt bestehn. Willt du nun wirklich glücklich seyn, und suchest es nicht bloß zu scheinen: So fange bey dir selber an; lern anders, als bishero, meynen. Vergiß hinfort nicht mehr so schändlich des Guten, so dir Gott beschehrt, So wird ein großer Theil verschwinden, von dem, was dich bis- her beschwert.
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Einzige Quelle des Vergnuͤgens.
Bedaͤchten wir, wie viel wir haben, und wie ſo wenig wir verdienen: Unmoͤglich koͤnnten wir ſo oft, ſo viel zu klagen, uns erkuͤhnen. So aber kehren wir es um, und lenken unſre Kraft der Seelen Von allem, was wir haben, ab, und bloß auf Dinge, die uns fehlen. So lange wir alſo verfahren: Kann es unmoͤglich anders ſeyn, (Und, traͤff auch alles, was wir wollen, nach unſerm eignen Wuͤnſchen ein,) Unmoͤglich kann man ſich vergnuͤgen. Denn, eben dadurch, daß wirs kriegen, Und denn nicht mehr daran gedenken, verſchwindet eben das Vergnuͤgen. Dadurch wird meiſtens nun die Welt ſo voller Gram und vol- ler Leid, Und nicht ſo ſehr durch ihr ſelbſtaͤndig’ u. eigene Beſchaffenheit. Wofern nicht jemand die Geſundheit, und etwan Speiſ und Kleider fehlen: So thut er wirklich Unrecht, ſich den Ungluͤckſelgen zu zu zaͤhlen. Wenn er nur in ſich gehen will, u. ſeiner Plagen Quell ergruͤnden: Wird er ſie meiſt in ſeinem Herzen, und ſelten auſſer ſich befinden. Erkenneſt du nicht uͤberzeuglich, wenn du nur ſelbſt willt in dich gehn, Daß mehrentheils bloß in der Meynung die Dinge dieſer Welt beſtehn. Willt du nun wirklich gluͤcklich ſeyn, und ſucheſt es nicht bloß zu ſcheinen: So fange bey dir ſelber an; lern anders, als bishero, meynen. Vergiß hinfort nicht mehr ſo ſchaͤndlich des Guten, ſo dir Gott beſchehrt, So wird ein großer Theil verſchwinden, von dem, was dich bis- her beſchwert.
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Einzige Quelle des Vergnuͤgens.
Bedaͤchten wir, wie viel wir haben, und wie ſo wenig wir
verdienen:
Unmoͤglich koͤnnten wir ſo oft, ſo viel zu klagen, uns erkuͤhnen.
So aber kehren wir es um, und lenken unſre Kraft der Seelen
Von allem, was wir haben, ab, und bloß auf Dinge, die uns fehlen.
So lange wir alſo verfahren: Kann es unmoͤglich anders ſeyn,
(Und, traͤff auch alles, was wir wollen, nach unſerm eignen
Wuͤnſchen ein,)
Unmoͤglich kann man ſich vergnuͤgen. Denn, eben dadurch,
daß wirs kriegen,
Und denn nicht mehr daran gedenken, verſchwindet eben das
Vergnuͤgen.
Dadurch wird meiſtens nun die Welt ſo voller Gram und vol-
ler Leid,
Und nicht ſo ſehr durch ihr ſelbſtaͤndig’ u. eigene Beſchaffenheit.
Wofern nicht jemand die Geſundheit, und etwan Speiſ und
Kleider fehlen:
So thut er wirklich Unrecht, ſich den Ungluͤckſelgen zu zu zaͤhlen.
Wenn er nur in ſich gehen will, u. ſeiner Plagen Quell ergruͤnden:
Wird er ſie meiſt in ſeinem Herzen, und ſelten auſſer ſich befinden.
Erkenneſt du nicht uͤberzeuglich, wenn du nur ſelbſt willt in
dich gehn,
Daß mehrentheils bloß in der Meynung die Dinge dieſer Welt
beſtehn.
Willt du nun wirklich gluͤcklich ſeyn, und ſucheſt es nicht bloß
zu ſcheinen:
So fange bey dir ſelber an; lern anders, als bishero, meynen.
Vergiß hinfort nicht mehr ſo ſchaͤndlich des Guten, ſo dir
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So wird ein großer Theil verſchwinden, von dem, was dich bis-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/352>, abgerufen am 16.02.2025.
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