Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Misbrauch des Worts Natur. (A.) Was du hier schreibst, ist mehr als wahr. Jch bin, durchsolche Redensart, Nicht nur, wenn ich an Gott gedacht, durchs Wort Natur oft abgezogen; Mein Denken ist vertheilet worden, da man es mit der Gott- heit paart. Jch ward so gar durch dieses Sprichwort: Gott und Na- tur, gar oft bewogen, Der Sache weiter nachzudenken. Die allerklügsten Völker haben Die alles-wirkende Natur, als eine Mutter aller Gaben, Betrachtet, und sie angebethet. Der Gottesdienst war mit Bedacht, Und, nach den Gründen der Vernunft, nicht eben ungereimt, vollbracht. Sie opferten ihr Frücht und Blumen, wobey sie denn, zu ih- rem Preise, Voll dankbarer Erkenntlichkeit, und recht gerührt, auf diese Weise, Der Göttinn folgend Loblied brachten: Wir opfern, sang der ganze Hauf, Dich, dir, du einzige, die alles, o große Göttinn, Jsis, auf. War es den Heiden zu verdenken, daß, da sie sich doch Göt- ter machten, Beym großen Ursprung aller Dinge, sie auch auf eine Göttinn dachten? Da sie in allen Dingen sahn, bis auf sich selbst, aus zweyen Dingen, Jn unterschiedlichem Geschlecht, ein drittes allererst entspringen, Nach der Natur vollkommnen Ordnung. Worin ja mehr, als wie man meynt, Ein Ehrfurcht-würdiges Geheimniß verborgen u. zu liegen scheint, Denn,
Misbrauch des Worts Natur. (A.) Was du hier ſchreibſt, iſt mehr als wahr. Jch bin, durchſolche Redensart, Nicht nur, wenn ich an Gott gedacht, durchs Wort Natur oft abgezogen; Mein Denken iſt vertheilet worden, da man es mit der Gott- heit paart. Jch ward ſo gar durch dieſes Sprichwort: Gott und Na- tur, gar oft bewogen, Der Sache weiter nachzudenken. Die allerkluͤgſten Voͤlker haben Die alles-wirkende Natur, als eine Mutter aller Gaben, Betrachtet, und ſie angebethet. Der Gottesdienſt war mit Bedacht, Und, nach den Gruͤnden der Vernunft, nicht eben ungereimt, vollbracht. Sie opferten ihr Fruͤcht und Blumen, wobey ſie denn, zu ih- rem Preiſe, Voll dankbarer Erkenntlichkeit, und recht geruͤhrt, auf dieſe Weiſe, Der Goͤttinn folgend Loblied brachten: Wir opfern, ſang der ganze Hauf, Dich, dir, du einzige, die alles, o große Goͤttinn, Jſis, auf. War es den Heiden zu verdenken, daß, da ſie ſich doch Goͤt- ter machten, Beym großen Urſprung aller Dinge, ſie auch auf eine Goͤttinn dachten? Da ſie in allen Dingen ſahn, bis auf ſich ſelbſt, aus zweyen Dingen, Jn unterſchiedlichem Geſchlecht, ein drittes allererſt entſpringen, Nach der Natur vollkommnen Ordnung. Worin ja mehr, als wie man meynt, Ein Ehrfurcht-wuͤrdiges Geheimniß verborgen u. zu liegen ſcheint, Denn,
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Misbrauch des Worts Natur.
(A.)
Was du hier ſchreibſt, iſt mehr als wahr. Jch bin, durch
ſolche Redensart,
Nicht nur, wenn ich an Gott gedacht, durchs Wort Natur oft
abgezogen;
Mein Denken iſt vertheilet worden, da man es mit der Gott-
heit paart.
Jch ward ſo gar durch dieſes Sprichwort: Gott und Na-
tur, gar oft bewogen,
Der Sache weiter nachzudenken. Die allerkluͤgſten Voͤlker haben
Die alles-wirkende Natur, als eine Mutter aller Gaben,
Betrachtet, und ſie angebethet. Der Gottesdienſt war mit
Bedacht,
Und, nach den Gruͤnden der Vernunft, nicht eben ungereimt,
vollbracht.
Sie opferten ihr Fruͤcht und Blumen, wobey ſie denn, zu ih-
rem Preiſe,
Voll dankbarer Erkenntlichkeit, und recht geruͤhrt, auf dieſe Weiſe,
Der Goͤttinn folgend Loblied brachten: Wir opfern, ſang
der ganze Hauf,
Dich, dir, du einzige, die alles, o große Goͤttinn,
Jſis, auf.
War es den Heiden zu verdenken, daß, da ſie ſich doch Goͤt-
ter machten,
Beym großen Urſprung aller Dinge, ſie auch auf eine Goͤttinn
dachten?
Da ſie in allen Dingen ſahn, bis auf ſich ſelbſt, aus zweyen Dingen,
Jn unterſchiedlichem Geſchlecht, ein drittes allererſt entſpringen,
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