Als wären sie einander gleich? Du wendest hier vielleicht mir ein: Es müsse dieses eben nicht so eigentlich verstanden seyn; Nein; sondern so: Daß die Natur auf göttlichen Geheiß voll- führe, Was ihr von ihm befohlen sey. So folgt doch dieß daraus, daß sie Ein eignes Wesen müsse seyn, das nach der Ordnung sich be- mühe, Des Schöpfers Willen auszurichten; und dieses ist schon son- derlich, Und streitet mit der Wahrheit ja. Du sprichst: Du überei- lest dich; Weil wir die Wörter aus Gewohnheit so schlimm, wie du, nicht auszulegen, Und so genau zu untersuchen, ja gar nicht drauf zu achten pflegen: So sprech ich: Wenn auch dieses wär; ist es doch ärger, als man meynt, So wunderlich sich auszudrücken; und schadet mehr noch, als es scheint. Jndem man, da man ohne dieß so selten an den Schöpfer denket, So selten seine Macht bewundert, durchs Wort Natur gleich abgelenket, Und wenigstens gehemmet wird, in unsrer Ehrfurcht fortzugehn, Da das, was ihm allein gebührt, sich gleichsam theilt. Man bleibt bestehn. Wenn man nur die Natur genannt: So wird man insgemein befinden, Man hört in der betrachtung auf, und läßt Geschöpf und Schöpfer schwinden.
Was
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Misbrauch des Worts Natur.
Als waͤren ſie einander gleich? Du wendeſt hier vielleicht mir ein: Es muͤſſe dieſes eben nicht ſo eigentlich verſtanden ſeyn; Nein; ſondern ſo: Daß die Natur auf goͤttlichen Geheiß voll- fuͤhre, Was ihr von ihm befohlen ſey. So folgt doch dieß daraus, daß ſie Ein eignes Weſen muͤſſe ſeyn, das nach der Ordnung ſich be- muͤhe, Des Schoͤpfers Willen auszurichten; und dieſes iſt ſchon ſon- derlich, Und ſtreitet mit der Wahrheit ja. Du ſprichſt: Du uͤberei- leſt dich; Weil wir die Woͤrter aus Gewohnheit ſo ſchlimm, wie du, nicht auszulegen, Und ſo genau zu unterſuchen, ja gar nicht drauf zu achten pflegen: So ſprech ich: Wenn auch dieſes waͤr; iſt es doch aͤrger, als man meynt, So wunderlich ſich auszudruͤcken; und ſchadet mehr noch, als es ſcheint. Jndem man, da man ohne dieß ſo ſelten an den Schoͤpfer denket, So ſelten ſeine Macht bewundert, durchs Wort Natur gleich abgelenket, Und wenigſtens gehemmet wird, in unſrer Ehrfurcht fortzugehn, Da das, was ihm allein gebuͤhrt, ſich gleichſam theilt. Man bleibt beſtehn. Wenn man nur die Natur genannt: So wird man insgemein befinden, Man hoͤrt in der betrachtung auf, und laͤßt Geſchoͤpf und Schoͤpfer ſchwinden.
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Misbrauch des Worts Natur.
Als waͤren ſie einander gleich? Du wendeſt hier vielleicht
mir ein:
Es muͤſſe dieſes eben nicht ſo eigentlich verſtanden ſeyn;
Nein; ſondern ſo: Daß die Natur auf goͤttlichen Geheiß voll-
fuͤhre,
Was ihr von ihm befohlen ſey. So folgt doch dieß daraus,
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Ein eignes Weſen muͤſſe ſeyn, das nach der Ordnung ſich be-
muͤhe,
Des Schoͤpfers Willen auszurichten; und dieſes iſt ſchon ſon-
derlich,
Und ſtreitet mit der Wahrheit ja. Du ſprichſt: Du uͤberei-
leſt dich;
Weil wir die Woͤrter aus Gewohnheit ſo ſchlimm, wie du, nicht
auszulegen,
Und ſo genau zu unterſuchen, ja gar nicht drauf zu achten
pflegen:
So ſprech ich: Wenn auch dieſes waͤr; iſt es doch aͤrger, als
man meynt,
So wunderlich ſich auszudruͤcken; und ſchadet mehr noch, als
es ſcheint.
Jndem man, da man ohne dieß ſo ſelten an den Schoͤpfer denket,
So ſelten ſeine Macht bewundert, durchs Wort Natur gleich
abgelenket,
Und wenigſtens gehemmet wird, in unſrer Ehrfurcht fortzugehn,
Da das, was ihm allein gebuͤhrt, ſich gleichſam theilt. Man
bleibt beſtehn.
Wenn man nur die Natur genannt: So wird man insgemein
befinden,
Man hoͤrt in der betrachtung auf, und laͤßt Geſchoͤpf und
Schoͤpfer ſchwinden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/335>, abgerufen am 24.11.2024.
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