Jch habe, selbst von großen Geistern, die Meynung oftermals gehört: Ob wär ein Mensch, ja nicht einmal die ganze Menschheit, so viel werth, Daß Gott, ein solch unendlich Wesen, Das Millionen Sonnen schuf, und viele Millionen Welte Zum Vorwurf seiner Macht erlesen, Die er bloß durch ein Wort erhält, Von seiner Unermeßlichkeit fast schimpflich sich herunter lasse, Und mit derselben Kleinigkeit auf eine Weise sich befasse. Ja, wenn auch dieses möglich wäre, so würde dieß daraus ent- springen, Daß auch der Gottheit Majestät sich gar, annoch mit kleinern Beschäfftigen und plagen müsse, (Dingen, Und dieses halten sie für ungereimte Schlüsse. Man kann hierin hingegen klar entdecken, Daß hierin eine Lästerung Für unsern Gott, für uns Verzweifelung, Jn dieser schlimmen Meynung, stecken. Für uns kann nichts unglücklichers auf Erden, Als solch ein Schluß ersonnen werden. Denn wären wir, weil wir nicht Gottes Obacht werth, Auch nicht von Jhm geliebt, geführt, ernährt: Wär unser Gottesdienst, Glaub, Hoffnung, Seligkeit, Ein eitler Tand, und wir, in kurzer Zeit, Nachdem uns hier so manches Leid beschwehrt, Weit ärger, als ein Vieh, in nichts verkehrt. Was Gott betrifft, scheint nur die Meynung groß zu seyn, Und seine Majestät zu ehren: Doch ists wahrhaftig nur ein Schein.
Sie
Die unumſchraͤnkte Groͤße
Die unumſchraͤnkte Groͤße der Gottheit.
Jch habe, ſelbſt von großen Geiſtern, die Meynung oftermals gehoͤrt: Ob waͤr ein Menſch, ja nicht einmal die ganze Menſchheit, ſo viel werth, Daß Gott, ein ſolch unendlich Weſen, Das Millionen Sonnen ſchuf, und viele Millionen Welte Zum Vorwurf ſeiner Macht erleſen, Die er bloß durch ein Wort erhaͤlt, Von ſeiner Unermeßlichkeit faſt ſchimpflich ſich herunter laſſe, Und mit derſelben Kleinigkeit auf eine Weiſe ſich befaſſe. Ja, wenn auch dieſes moͤglich waͤre, ſo wuͤrde dieß daraus ent- ſpringen, Daß auch der Gottheit Majeſtaͤt ſich gar, annoch mit kleinern Beſchaͤfftigen und plagen muͤſſe, (Dingen, Und dieſes halten ſie fuͤr ungereimte Schluͤſſe. Man kann hierin hingegen klar entdecken, Daß hierin eine Laͤſterung Fuͤr unſern Gott, fuͤr uns Verzweifelung, Jn dieſer ſchlimmen Meynung, ſtecken. Fuͤr uns kann nichts ungluͤcklichers auf Erden, Als ſolch ein Schluß erſonnen werden. Denn waͤren wir, weil wir nicht Gottes Obacht werth, Auch nicht von Jhm geliebt, gefuͤhrt, ernaͤhrt: Waͤr unſer Gottesdienſt, Glaub, Hoffnung, Seligkeit, Ein eitler Tand, und wir, in kurzer Zeit, Nachdem uns hier ſo manches Leid beſchwehrt, Weit aͤrger, als ein Vieh, in nichts verkehrt. Was Gott betrifft, ſcheint nur die Meynung groß zu ſeyn, Und ſeine Majeſtaͤt zu ehren: Doch iſts wahrhaftig nur ein Schein.
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[308/0332]
Die unumſchraͤnkte Groͤße
Die
unumſchraͤnkte Groͤße der Gottheit.
Jch habe, ſelbſt von großen Geiſtern, die Meynung oftermals
gehoͤrt:
Ob waͤr ein Menſch, ja nicht einmal die ganze Menſchheit,
ſo viel werth,
Daß Gott, ein ſolch unendlich Weſen,
Das Millionen Sonnen ſchuf, und viele Millionen Welte
Zum Vorwurf ſeiner Macht erleſen,
Die er bloß durch ein Wort erhaͤlt,
Von ſeiner Unermeßlichkeit faſt ſchimpflich ſich herunter laſſe,
Und mit derſelben Kleinigkeit auf eine Weiſe ſich befaſſe.
Ja, wenn auch dieſes moͤglich waͤre, ſo wuͤrde dieß daraus ent-
ſpringen,
Daß auch der Gottheit Majeſtaͤt ſich gar, annoch mit kleinern
Beſchaͤfftigen und plagen muͤſſe, (Dingen,
Und dieſes halten ſie fuͤr ungereimte Schluͤſſe.
Man kann hierin hingegen klar entdecken,
Daß hierin eine Laͤſterung
Fuͤr unſern Gott, fuͤr uns Verzweifelung,
Jn dieſer ſchlimmen Meynung, ſtecken.
Fuͤr uns kann nichts ungluͤcklichers auf Erden,
Als ſolch ein Schluß erſonnen werden.
Denn waͤren wir, weil wir nicht Gottes Obacht werth,
Auch nicht von Jhm geliebt, gefuͤhrt, ernaͤhrt:
Waͤr unſer Gottesdienſt, Glaub, Hoffnung, Seligkeit,
Ein eitler Tand, und wir, in kurzer Zeit,
Nachdem uns hier ſo manches Leid beſchwehrt,
Weit aͤrger, als ein Vieh, in nichts verkehrt.
Was Gott betrifft, ſcheint nur die Meynung groß zu ſeyn,
Und ſeine Majeſtaͤt zu ehren:
Doch iſts wahrhaftig nur ein Schein.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/332>, abgerufen am 03.03.2025.
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