Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Traum-Gesicht.
Zum Traum-Gesicht.
Tom. IV. pag. 192.
Dieß Lehr-erfüllte Traum-Gesicht
Hatt ich, zur späten Abendzeit,
Zu anderer und meinem Unterricht,
Mit inniger Bedachtsamkeit,
Nicht ohn Vergnügen, nachgelesen;
Als bald darauf der Schlaf mich überfiel.
Der träumenden Gedanken Spiel
Verändert abermal mein ganzes Wesen,
So wie, zur Zeit des Schlafs, der Träume Schaar
Mit Schlafenden zum öftern handelt,
Und gleichsam unsern Stand u. ganzes Seyn verwandelt.
Man glaubt, nicht das, nicht da zu seyn,
Was, und wo man noch kurz vorhero war.
Ein lichter und so dichter Schein,
Der meinen Blick ganz undurchdringlich füllte,
Umgab, befloß mich ganz.
Jch sah, vor überhäuftem Glanz
Und strenger Fülle dieses Lichts,
Zu Anfangs nichts,
Bis ich nach kurzer Zeit (die mir die Augen stärkte,)
Daß, ich mich sanft bewegt, und bey mir etwas merkte,
Von herrlicher Gestalt,
Das, in derselben Fahrt, mit mir zu fliegen schien.
Der Glieder Symmetrie
War unbeschreiblich schön; der Leib schien ein Rubin,
Durchsichtig, hell und rein; die süsse Harmonie
Der Farbe seines Rocks bestand aus gelb und grün,
Recht
T 2
Traum-Geſicht.
Zum Traum-Geſicht.
Tom. IV. pag. 192.
Dieß Lehr-erfuͤllte Traum-Geſicht
Hatt ich, zur ſpaͤten Abendzeit,
Zu anderer und meinem Unterricht,
Mit inniger Bedachtſamkeit,
Nicht ohn Vergnuͤgen, nachgeleſen;
Als bald darauf der Schlaf mich uͤberfiel.
Der traͤumenden Gedanken Spiel
Veraͤndert abermal mein ganzes Weſen,
So wie, zur Zeit des Schlafs, der Traͤume Schaar
Mit Schlafenden zum oͤftern handelt,
Und gleichſam unſern Stand u. ganzes Seyn verwandelt.
Man glaubt, nicht das, nicht da zu ſeyn,
Was, und wo man noch kurz vorhero war.
Ein lichter und ſo dichter Schein,
Der meinen Blick ganz undurchdringlich fuͤllte,
Umgab, befloß mich ganz.
Jch ſah, vor uͤberhaͤuftem Glanz
Und ſtrenger Fuͤlle dieſes Lichts,
Zu Anfangs nichts,
Bis ich nach kurzer Zeit (die mir die Augen ſtaͤrkte,)
Daß, ich mich ſanft bewegt, und bey mir etwas merkte,
Von herrlicher Geſtalt,
Das, in derſelben Fahrt, mit mir zu fliegen ſchien.
Der Glieder Symmetrie
War unbeſchreiblich ſchoͤn; der Leib ſchien ein Rubin,
Durchſichtig, hell und rein; die ſuͤſſe Harmonie
Der Farbe ſeines Rocks beſtand aus gelb und gruͤn,
Recht
T 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0315" n="291"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Traum-Ge&#x017F;icht.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Zum Traum-Ge&#x017F;icht.</hi><lb/><hi rendition="#aq">Tom. IV. pag.</hi> 192.</head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>ieß Lehr-erfu&#x0364;llte Traum-Ge&#x017F;icht</l><lb/>
            <l>Hatt ich, zur &#x017F;pa&#x0364;ten Abendzeit,</l><lb/>
            <l>Zu anderer und meinem Unterricht,</l><lb/>
            <l>Mit inniger Bedacht&#x017F;amkeit,</l><lb/>
            <l>Nicht ohn Vergnu&#x0364;gen, nachgele&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Als bald darauf der Schlaf mich u&#x0364;berfiel.</l><lb/>
            <l>Der tra&#x0364;umenden Gedanken Spiel</l><lb/>
            <l>Vera&#x0364;ndert abermal mein ganzes We&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>So wie, zur Zeit des Schlafs, der Tra&#x0364;ume Schaar</l><lb/>
            <l>Mit Schlafenden zum o&#x0364;ftern handelt,</l><lb/>
            <l>Und gleich&#x017F;am un&#x017F;ern Stand u. ganzes Seyn verwandelt.</l><lb/>
            <l>Man glaubt, nicht das, nicht da zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Was, und wo man noch kurz vorhero war.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Ein lichter und &#x017F;o dichter Schein,</l><lb/>
            <l>Der meinen Blick ganz undurchdringlich fu&#x0364;llte,</l><lb/>
            <l>Umgab, befloß mich ganz.</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;ah, vor u&#x0364;berha&#x0364;uftem Glanz</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;trenger Fu&#x0364;lle die&#x017F;es Lichts,</l><lb/>
            <l>Zu Anfangs nichts,</l><lb/>
            <l>Bis ich nach kurzer Zeit (die mir die Augen &#x017F;ta&#x0364;rkte,)</l><lb/>
            <l>Daß, ich mich &#x017F;anft bewegt, und bey mir etwas merkte,</l><lb/>
            <l>Von herrlicher Ge&#x017F;talt,</l><lb/>
            <l>Das, in der&#x017F;elben Fahrt, mit mir zu fliegen &#x017F;chien.</l><lb/>
            <l>Der Glieder Symmetrie</l><lb/>
            <l>War unbe&#x017F;chreiblich &#x017F;cho&#x0364;n; der Leib &#x017F;chien ein Rubin,</l><lb/>
            <l>Durch&#x017F;ichtig, hell und rein; die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Harmonie</l><lb/>
            <l>Der Farbe &#x017F;eines Rocks be&#x017F;tand aus gelb und gru&#x0364;n,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Recht</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0315] Traum-Geſicht. Zum Traum-Geſicht. Tom. IV. pag. 192. Dieß Lehr-erfuͤllte Traum-Geſicht Hatt ich, zur ſpaͤten Abendzeit, Zu anderer und meinem Unterricht, Mit inniger Bedachtſamkeit, Nicht ohn Vergnuͤgen, nachgeleſen; Als bald darauf der Schlaf mich uͤberfiel. Der traͤumenden Gedanken Spiel Veraͤndert abermal mein ganzes Weſen, So wie, zur Zeit des Schlafs, der Traͤume Schaar Mit Schlafenden zum oͤftern handelt, Und gleichſam unſern Stand u. ganzes Seyn verwandelt. Man glaubt, nicht das, nicht da zu ſeyn, Was, und wo man noch kurz vorhero war. Ein lichter und ſo dichter Schein, Der meinen Blick ganz undurchdringlich fuͤllte, Umgab, befloß mich ganz. Jch ſah, vor uͤberhaͤuftem Glanz Und ſtrenger Fuͤlle dieſes Lichts, Zu Anfangs nichts, Bis ich nach kurzer Zeit (die mir die Augen ſtaͤrkte,) Daß, ich mich ſanft bewegt, und bey mir etwas merkte, Von herrlicher Geſtalt, Das, in derſelben Fahrt, mit mir zu fliegen ſchien. Der Glieder Symmetrie War unbeſchreiblich ſchoͤn; der Leib ſchien ein Rubin, Durchſichtig, hell und rein; die ſuͤſſe Harmonie Der Farbe ſeines Rocks beſtand aus gelb und gruͤn, Recht T 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/315
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/315>, abgerufen am 24.11.2024.