Wie manche Lust, wie manche Freude Erreget uns zur Frühlingszeit, Durch tausendfache Lieblichkeit, Das wunderschöne Weltgebäude! Was zeigt der Sonnen nahes Licht Vor Pracht und Anmuth dem Gesicht! Was läßt uns jetzt, in süssen Chören, Der Vögel buntes Heer nicht hören! Was macht die Luft, die lau und kühl, Nicht vor Vergnügen dem Gefühl? Jn Kräutern und in Früchten stecken Viel Säfte, die uns lieblich schmecken. Wie sind die Lüfte balsamiret, Die im Geruch die Seele spüret, Durch das gefärbte Blumenheer! Und kurz: Ein rechtes Anmuths-Meer, Das lauter Wunder in sich hält, Erfüllet jetzt die ganze Welt.
Bey allen diesen Wunderwerken, Worin die Gottheit klar zu merken, Und welche von ihr Zeugen sind, Jst mancher Christ dennoch so blind, Daß er dieselben nicht betrachtet, Nicht sie, nicht ihren Herrn beachtet. Ja, wenn auch Gott noch irgendwo Für das, so er uns hier erwiesen, Mit Worten etwan, wird gepriesen: So wird man dessen doch nicht froh.
Es
S 4
Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.
Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.
Wie manche Luſt, wie manche Freude Erreget uns zur Fruͤhlingszeit, Durch tauſendfache Lieblichkeit, Das wunderſchoͤne Weltgebaͤude! Was zeigt der Sonnen nahes Licht Vor Pracht und Anmuth dem Geſicht! Was laͤßt uns jetzt, in ſuͤſſen Choͤren, Der Voͤgel buntes Heer nicht hoͤren! Was macht die Luft, die lau und kuͤhl, Nicht vor Vergnuͤgen dem Gefuͤhl? Jn Kraͤutern und in Fruͤchten ſtecken Viel Saͤfte, die uns lieblich ſchmecken. Wie ſind die Luͤfte balſamiret, Die im Geruch die Seele ſpuͤret, Durch das gefaͤrbte Blumenheer! Und kurz: Ein rechtes Anmuths-Meer, Das lauter Wunder in ſich haͤlt, Erfuͤllet jetzt die ganze Welt.
Bey allen dieſen Wunderwerken, Worin die Gottheit klar zu merken, Und welche von ihr Zeugen ſind, Jſt mancher Chriſt dennoch ſo blind, Daß er dieſelben nicht betrachtet, Nicht ſie, nicht ihren Herrn beachtet. Ja, wenn auch Gott noch irgendwo Fuͤr das, ſo er uns hier erwieſen, Mit Worten etwan, wird geprieſen: So wird man deſſen doch nicht froh.
Es
S 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0303"n="279"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">W</hi>ie manche Luſt, wie manche Freude</l><lb/><l>Erreget uns zur Fruͤhlingszeit,</l><lb/><l>Durch tauſendfache Lieblichkeit,</l><lb/><l>Das wunderſchoͤne Weltgebaͤude!</l><lb/><l>Was zeigt der Sonnen nahes Licht</l><lb/><l>Vor Pracht und Anmuth dem <hirendition="#fr">Geſicht!</hi></l><lb/><l>Was laͤßt uns jetzt, in ſuͤſſen Choͤren,</l><lb/><l>Der Voͤgel buntes Heer nicht <hirendition="#fr">hoͤren!</hi></l><lb/><l>Was macht die Luft, die lau und kuͤhl,</l><lb/><l>Nicht vor Vergnuͤgen dem <hirendition="#fr">Gefuͤhl?</hi></l><lb/><l>Jn Kraͤutern und in Fruͤchten ſtecken</l><lb/><l>Viel Saͤfte, die uns lieblich <hirendition="#fr">ſchmecken.</hi></l><lb/><l>Wie ſind die Luͤfte balſamiret,</l><lb/><l>Die im <hirendition="#fr">Geruch</hi> die Seele ſpuͤret,</l><lb/><l>Durch das gefaͤrbte Blumenheer!</l><lb/><l>Und kurz: Ein rechtes Anmuths-Meer,</l><lb/><l>Das lauter Wunder in ſich haͤlt,</l><lb/><l>Erfuͤllet jetzt die ganze Welt.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Bey allen dieſen Wunderwerken,</l><lb/><l>Worin die Gottheit klar zu merken,</l><lb/><l>Und welche von ihr Zeugen ſind,</l><lb/><l>Jſt mancher Chriſt dennoch ſo blind,</l><lb/><l>Daß er dieſelben nicht betrachtet,</l><lb/><l>Nicht ſie, nicht ihren Herrn beachtet.</l><lb/><l>Ja, wenn auch Gott noch irgendwo</l><lb/><l>Fuͤr das, ſo er uns hier erwieſen,</l><lb/><l>Mit Worten etwan, wird geprieſen:</l><lb/><l>So wird man deſſen doch nicht froh.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[279/0303]
Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.
Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.
Wie manche Luſt, wie manche Freude
Erreget uns zur Fruͤhlingszeit,
Durch tauſendfache Lieblichkeit,
Das wunderſchoͤne Weltgebaͤude!
Was zeigt der Sonnen nahes Licht
Vor Pracht und Anmuth dem Geſicht!
Was laͤßt uns jetzt, in ſuͤſſen Choͤren,
Der Voͤgel buntes Heer nicht hoͤren!
Was macht die Luft, die lau und kuͤhl,
Nicht vor Vergnuͤgen dem Gefuͤhl?
Jn Kraͤutern und in Fruͤchten ſtecken
Viel Saͤfte, die uns lieblich ſchmecken.
Wie ſind die Luͤfte balſamiret,
Die im Geruch die Seele ſpuͤret,
Durch das gefaͤrbte Blumenheer!
Und kurz: Ein rechtes Anmuths-Meer,
Das lauter Wunder in ſich haͤlt,
Erfuͤllet jetzt die ganze Welt.
Bey allen dieſen Wunderwerken,
Worin die Gottheit klar zu merken,
Und welche von ihr Zeugen ſind,
Jſt mancher Chriſt dennoch ſo blind,
Daß er dieſelben nicht betrachtet,
Nicht ſie, nicht ihren Herrn beachtet.
Ja, wenn auch Gott noch irgendwo
Fuͤr das, ſo er uns hier erwieſen,
Mit Worten etwan, wird geprieſen:
So wird man deſſen doch nicht froh.
Es
S 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/303>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.