So wenig auf die Sinne selbst, als ihre Vorwürf hinzu- lenken, Nur die geringste Müh uns geben. Man siehet, höret, rie- chet, ißt, Ohn daß man, wie die Fähigkeit sey eine Gottes Gab, ermißt, Ohn daß wir auf der Sinnen Vorwürf, ob sie gleich nicht zu zählen, achten.
Wir sollten, ohn Erstaunen nicht, nicht sonder Ehrfurcht, diese Welt, Jn die der Schöpfer uns gesetzet, und sie den Menschen vor- gestellt, Sie durch die Sinnen zu geniessen, die Sinnen ebenfalls nicht sehn. Die Seele sollte für die Gaben, auch für das Werkzeug, Gott erhöhn.
Worin kann doch die Menschheit sonst sich unterscheiden von den Thieren? Wozu soll die Vernunft ihr nützen; gebraucht er sich dersel- ben nicht, Um durch die Sinnen zu betrachten, was herrlichs hier, durch Gott, geschicht? Die Seele kann, nur durch die Sinnen, wie weis und lieb- reich Gott, verspüren. Sie aber trennt sich unglückselig mit ihrem Denken von den Sinnen; Sie sieht und höret ohne Denken; einfolglich hört und sieht sie nicht. Des Schöpfers in den Creaturen uns angesteckte Weisheit- Licht Rührt ihre Sinnen, wie der Thiere, von aussen, aber nicht von innen,
Be-
Sinnen-Schule.
So wenig auf die Sinne ſelbſt, als ihre Vorwuͤrf hinzu- lenken, Nur die geringſte Muͤh uns geben. Man ſiehet, hoͤret, rie- chet, ißt, Ohn daß man, wie die Faͤhigkeit ſey eine Gottes Gab, ermißt, Ohn daß wir auf der Sinnen Vorwuͤrf, ob ſie gleich nicht zu zaͤhlen, achten.
Wir ſollten, ohn Erſtaunen nicht, nicht ſonder Ehrfurcht, dieſe Welt, Jn die der Schoͤpfer uns geſetzet, und ſie den Menſchen vor- geſtellt, Sie durch die Sinnen zu genieſſen, die Sinnen ebenfalls nicht ſehn. Die Seele ſollte fuͤr die Gaben, auch fuͤr das Werkzeug, Gott erhoͤhn.
Worin kann doch die Menſchheit ſonſt ſich unterſcheiden von den Thieren? Wozu ſoll die Vernunft ihr nuͤtzen; gebraucht er ſich derſel- ben nicht, Um durch die Sinnen zu betrachten, was herrlichs hier, durch Gott, geſchicht? Die Seele kann, nur durch die Sinnen, wie weiſ und lieb- reich Gott, verſpuͤren. Sie aber trennt ſich ungluͤckſelig mit ihrem Denken von den Sinnen; Sie ſieht und hoͤret ohne Denken; einfolglich hoͤrt und ſieht ſie nicht. Des Schoͤpfers in den Creaturen uns angeſteckte Weisheit- Licht Ruͤhrt ihre Sinnen, wie der Thiere, von auſſen, aber nicht von innen,
Be-
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Sinnen-Schule.
So wenig auf die Sinne ſelbſt, als ihre Vorwuͤrf hinzu-
lenken,
Nur die geringſte Muͤh uns geben. Man ſiehet, hoͤret, rie-
chet, ißt,
Ohn daß man, wie die Faͤhigkeit ſey eine Gottes Gab, ermißt,
Ohn daß wir auf der Sinnen Vorwuͤrf, ob ſie gleich nicht zu
zaͤhlen, achten.
Wir ſollten, ohn Erſtaunen nicht, nicht ſonder Ehrfurcht,
dieſe Welt,
Jn die der Schoͤpfer uns geſetzet, und ſie den Menſchen vor-
geſtellt,
Sie durch die Sinnen zu genieſſen, die Sinnen ebenfalls nicht
ſehn.
Die Seele ſollte fuͤr die Gaben, auch fuͤr das Werkzeug, Gott
erhoͤhn.
Worin kann doch die Menſchheit ſonſt ſich unterſcheiden
von den Thieren?
Wozu ſoll die Vernunft ihr nuͤtzen; gebraucht er ſich derſel-
ben nicht,
Um durch die Sinnen zu betrachten, was herrlichs hier, durch
Gott, geſchicht?
Die Seele kann, nur durch die Sinnen, wie weiſ und lieb-
reich Gott, verſpuͤren.
Sie aber trennt ſich ungluͤckſelig mit ihrem Denken von den
Sinnen;
Sie ſieht und hoͤret ohne Denken; einfolglich hoͤrt und ſieht
ſie nicht.
Des Schoͤpfers in den Creaturen uns angeſteckte Weisheit-
Licht
Ruͤhrt ihre Sinnen, wie der Thiere, von auſſen, aber nicht
von innen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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