Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebrauch der Sinne.
Durch nimmer müßiges Betrachten, in Gegenliebe zu ent-
brennen?
Jn Kirchen wär er nicht gegangen; kein alt noch neues Te-
stament

Hätt er gehabt, noch haben können; einfolglich würde bloß allein
Das schön und große Buch der Welt sein' heilge Schrift ge-
wesen seyn,

Worin er einen großen Schöpfer, aus jeglichem Geschöpf, er-
kennt.

Dieß wär das rechte Buch der Weisheit, worin was rechts
von Gott zu lesen,

Von seiner Weisheit, Lieb und Macht, für ihn in dieser Welt
gewesen.

Erwegt man nun den Unterscheid,
Der itzt bey uns auf Erden herrscht, und meist aus Unem-
pfindlichkeit,

Und Unerkenntlichkeit besteht, woraus die faule Trägheit fliesset,
Des Schöpfers Allmacht zu bewundern: So scheints, daß man
nicht unrecht schliesset,

Daß der Verlust des Ebenbildes der Gottheit hierin sonderlich,
Und fast am meisten, mit besteht, daß wir, für seine Huld und
Gaben,

Ein solches unaufmerksames, solch dank-und fühllos Herze haben,
Daß man nicht Himmel, Meer, noch Erde, nicht Thier und
Pflanzen, ja nicht sich,

Als göttliche Geschöpf erkennet, nichts unserer Betrachtung werth,
Noch dank-noch rühmenswürdig schätzt, und folglich nicht den
Schöpfer ehrt;

Ja eben durch ein solch Betragen, voll Unerkenntlichkeit, auf
Erden,

Wir uns selbst unglückselig machen, und wirklich unglückselig
werden.
Viel-

Gebrauch der Sinne.
Durch nimmer muͤßiges Betrachten, in Gegenliebe zu ent-
brennen?
Jn Kirchen waͤr er nicht gegangen; kein alt noch neues Te-
ſtament

Haͤtt er gehabt, noch haben koͤnnen; einfolglich wuͤrde bloß allein
Das ſchoͤn und große Buch der Welt ſein’ heilge Schrift ge-
weſen ſeyn,

Worin er einen großen Schoͤpfer, aus jeglichem Geſchoͤpf, er-
kennt.

Dieß waͤr das rechte Buch der Weisheit, worin was rechts
von Gott zu leſen,

Von ſeiner Weisheit, Lieb und Macht, fuͤr ihn in dieſer Welt
geweſen.

Erwegt man nun den Unterſcheid,
Der itzt bey uns auf Erden herrſcht, und meiſt aus Unem-
pfindlichkeit,

Und Unerkenntlichkeit beſteht, woraus die faule Traͤgheit flieſſet,
Des Schoͤpfers Allmacht zu bewundern: So ſcheints, daß man
nicht unrecht ſchlieſſet,

Daß der Verluſt des Ebenbildes der Gottheit hierin ſonderlich,
Und faſt am meiſten, mit beſteht, daß wir, fuͤr ſeine Huld und
Gaben,

Ein ſolches unaufmerkſames, ſolch dank-und fuͤhllos Herze haben,
Daß man nicht Himmel, Meer, noch Erde, nicht Thier und
Pflanzen, ja nicht ſich,

Als goͤttliche Geſchoͤpf erkeñet, nichts unſerer Betrachtung werth,
Noch dank-noch ruͤhmenswuͤrdig ſchaͤtzt, und folglich nicht den
Schoͤpfer ehrt;

Ja eben durch ein ſolch Betragen, voll Unerkenntlichkeit, auf
Erden,

Wir uns ſelbſt ungluͤckſelig machen, und wirklich ungluͤckſelig
werden.
Viel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="12">
            <l><pb facs="#f0292" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gebrauch der Sinne.</hi></fw><lb/>
Durch nimmer mu&#x0364;ßiges Betrachten, in Gegenliebe zu ent-<lb/><hi rendition="#et">brennen?</hi></l><lb/>
            <l>Jn Kirchen wa&#x0364;r er nicht gegangen; kein alt noch neues Te-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tament</hi></l><lb/>
            <l>Ha&#x0364;tt er gehabt, noch haben ko&#x0364;nnen; einfolglich wu&#x0364;rde bloß allein</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;cho&#x0364;n und große Buch der Welt &#x017F;ein&#x2019; heilge Schrift ge-<lb/><hi rendition="#et">we&#x017F;en &#x017F;eyn,</hi></l><lb/>
            <l>Worin er einen großen Scho&#x0364;pfer, aus jeglichem Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, er-<lb/><hi rendition="#et">kennt.</hi></l><lb/>
            <l>Dieß wa&#x0364;r das rechte Buch der Weisheit, worin was rechts<lb/><hi rendition="#et">von Gott zu le&#x017F;en,</hi></l><lb/>
            <l>Von &#x017F;einer Weisheit, Lieb und Macht, fu&#x0364;r ihn in die&#x017F;er Welt<lb/><hi rendition="#et">gewe&#x017F;en.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l>Erwegt man nun den Unter&#x017F;cheid,</l><lb/>
            <l>Der itzt bey uns auf Erden herr&#x017F;cht, und mei&#x017F;t aus Unem-<lb/><hi rendition="#et">pfindlichkeit,</hi></l><lb/>
            <l>Und Unerkenntlichkeit be&#x017F;teht, woraus die faule Tra&#x0364;gheit flie&#x017F;&#x017F;et,</l><lb/>
            <l>Des Scho&#x0364;pfers Allmacht zu bewundern: So &#x017F;cheints, daß man<lb/><hi rendition="#et">nicht unrecht &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et,</hi></l><lb/>
            <l>Daß der Verlu&#x017F;t des Ebenbildes der Gottheit hierin &#x017F;onderlich,</l><lb/>
            <l>Und fa&#x017F;t am mei&#x017F;ten, mit be&#x017F;teht, daß wir, fu&#x0364;r &#x017F;eine Huld und<lb/><hi rendition="#et">Gaben,</hi></l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;olches unaufmerk&#x017F;ames, &#x017F;olch dank-und fu&#x0364;hllos Herze haben,</l><lb/>
            <l>Daß man nicht Himmel, Meer, noch Erde, nicht Thier und<lb/><hi rendition="#et">Pflanzen, ja nicht &#x017F;ich,</hi></l><lb/>
            <l>Als go&#x0364;ttliche Ge&#x017F;cho&#x0364;pf erkeñet, nichts un&#x017F;erer Betrachtung werth,</l><lb/>
            <l>Noch dank-noch ru&#x0364;hmenswu&#x0364;rdig &#x017F;cha&#x0364;tzt, und folglich nicht den<lb/><hi rendition="#et">Scho&#x0364;pfer ehrt;</hi></l><lb/>
            <l>Ja eben durch ein &#x017F;olch Betragen, voll Unerkenntlichkeit, auf<lb/><hi rendition="#et">Erden,</hi></l><lb/>
            <l>Wir uns &#x017F;elb&#x017F;t unglu&#x0364;ck&#x017F;elig machen, und wirklich unglu&#x0364;ck&#x017F;elig<lb/><hi rendition="#et">werden.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Viel-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0292] Gebrauch der Sinne. Durch nimmer muͤßiges Betrachten, in Gegenliebe zu ent- brennen? Jn Kirchen waͤr er nicht gegangen; kein alt noch neues Te- ſtament Haͤtt er gehabt, noch haben koͤnnen; einfolglich wuͤrde bloß allein Das ſchoͤn und große Buch der Welt ſein’ heilge Schrift ge- weſen ſeyn, Worin er einen großen Schoͤpfer, aus jeglichem Geſchoͤpf, er- kennt. Dieß waͤr das rechte Buch der Weisheit, worin was rechts von Gott zu leſen, Von ſeiner Weisheit, Lieb und Macht, fuͤr ihn in dieſer Welt geweſen. Erwegt man nun den Unterſcheid, Der itzt bey uns auf Erden herrſcht, und meiſt aus Unem- pfindlichkeit, Und Unerkenntlichkeit beſteht, woraus die faule Traͤgheit flieſſet, Des Schoͤpfers Allmacht zu bewundern: So ſcheints, daß man nicht unrecht ſchlieſſet, Daß der Verluſt des Ebenbildes der Gottheit hierin ſonderlich, Und faſt am meiſten, mit beſteht, daß wir, fuͤr ſeine Huld und Gaben, Ein ſolches unaufmerkſames, ſolch dank-und fuͤhllos Herze haben, Daß man nicht Himmel, Meer, noch Erde, nicht Thier und Pflanzen, ja nicht ſich, Als goͤttliche Geſchoͤpf erkeñet, nichts unſerer Betrachtung werth, Noch dank-noch ruͤhmenswuͤrdig ſchaͤtzt, und folglich nicht den Schoͤpfer ehrt; Ja eben durch ein ſolch Betragen, voll Unerkenntlichkeit, auf Erden, Wir uns ſelbſt ungluͤckſelig machen, und wirklich ungluͤckſelig werden. Viel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/292
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/292>, abgerufen am 22.11.2024.