Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Der Löwe.

Welch ein strenges wirklich Feuer, welch ein hell und dunk-
les Licht
Flammet in des Leuen Augen, stralt heraus, dringt durchs
Gesicht,
Trifft und schrecket unsern Geist, daß er, gleichsam selbst durch-
stralet,
Nur mit Müh sich faßt und denket: Jst dieß Feur doch nur
gemalet.
Welche finstre Majestät herrscht in diesem ganzen Thier!
Seiner Nerven, Muskeln, Knochen, Riesen-förmiger Verband
Zeiget, unter andern Thieren, seinen königlichen Stand.
Eine Art von ernster Großmuth, nebst der Stärke, stellt ihn mir
Recht als einen Herkules, unter andern Thieren, für.
Sein beständiger Begleiter (ob er ihn gleich selbst nicht kennt)
Jst der Schrecken, welcher sich nie von seiner Seiten trennt.

Wenn ich hier den Bau des Körpers, wenn ich hier die
Leuen-Seele,
Jn dem Abdruck, gnug bewundert, und das Urbild, dem zur Ehr,
Der es so vortrefflich schuf, stets bewundre mehr und mehr:
Werd ich dort, noch in der Tiefe der geborstnen Felsen-Höhle,
Jn verschiednen Handlungen, ein' entfernte Löwen-Schaar,
Mit nicht weniger Bewundrung, und mehr Sicherheit, gewahr.
Da denn sonderlich die Felsen so natürlich, daß es scheint,
Durch des Künstlers Zauber-Griffel, wäre sein Papier versteint.

Das

Der Loͤwe.

Welch ein ſtrenges wirklich Feuer, welch ein hell und dunk-
les Licht
Flammet in des Leuen Augen, ſtralt heraus, dringt durchs
Geſicht,
Trifft und ſchrecket unſern Geiſt, daß er, gleichſam ſelbſt durch-
ſtralet,
Nur mit Muͤh ſich faßt und denket: Jſt dieß Feur doch nur
gemalet.
Welche finſtre Majeſtaͤt herrſcht in dieſem ganzen Thier!
Seiner Nerven, Muskeln, Knochen, Rieſen-foͤrmiger Verband
Zeiget, unter andern Thieren, ſeinen koͤniglichen Stand.
Eine Art von ernſter Großmuth, nebſt der Staͤrke, ſtellt ihn mir
Recht als einen Herkules, unter andern Thieren, fuͤr.
Sein beſtaͤndiger Begleiter (ob er ihn gleich ſelbſt nicht kennt)
Jſt der Schrecken, welcher ſich nie von ſeiner Seiten trennt.

Wenn ich hier den Bau des Koͤrpers, wenn ich hier die
Leuen-Seele,
Jn dem Abdruck, gnug bewundert, und das Urbild, dem zur Ehr,
Der es ſo vortrefflich ſchuf, ſtets bewundre mehr und mehr:
Werd ich dort, noch in der Tiefe der geborſtnen Felſen-Hoͤhle,
Jn verſchiednen Handlungen, ein’ entfernte Loͤwen-Schaar,
Mit nicht weniger Bewundrung, und mehr Sicherheit, gewahr.
Da denn ſonderlich die Felſen ſo natuͤrlich, daß es ſcheint,
Durch des Kuͤnſtlers Zauber-Griffel, waͤre ſein Papier verſteint.

Das

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[244/0268] Der Loͤwe. Der Loͤwe. Welch ein ſtrenges wirklich Feuer, welch ein hell und dunk- les Licht Flammet in des Leuen Augen, ſtralt heraus, dringt durchs Geſicht, Trifft und ſchrecket unſern Geiſt, daß er, gleichſam ſelbſt durch- ſtralet, Nur mit Muͤh ſich faßt und denket: Jſt dieß Feur doch nur gemalet. Welche finſtre Majeſtaͤt herrſcht in dieſem ganzen Thier! Seiner Nerven, Muskeln, Knochen, Rieſen-foͤrmiger Verband Zeiget, unter andern Thieren, ſeinen koͤniglichen Stand. Eine Art von ernſter Großmuth, nebſt der Staͤrke, ſtellt ihn mir Recht als einen Herkules, unter andern Thieren, fuͤr. Sein beſtaͤndiger Begleiter (ob er ihn gleich ſelbſt nicht kennt) Jſt der Schrecken, welcher ſich nie von ſeiner Seiten trennt. Wenn ich hier den Bau des Koͤrpers, wenn ich hier die Leuen-Seele, Jn dem Abdruck, gnug bewundert, und das Urbild, dem zur Ehr, Der es ſo vortrefflich ſchuf, ſtets bewundre mehr und mehr: Werd ich dort, noch in der Tiefe der geborſtnen Felſen-Hoͤhle, Jn verſchiednen Handlungen, ein’ entfernte Loͤwen-Schaar, Mit nicht weniger Bewundrung, und mehr Sicherheit, gewahr. Da denn ſonderlich die Felſen ſo natuͤrlich, daß es ſcheint, Durch des Kuͤnſtlers Zauber-Griffel, waͤre ſein Papier verſteint. Das

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Zitationshilfe:	Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/268>, abgerufen am 22.11.2024.

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