Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bieber
Die Bieber.
So oft ich hier vor diesem Kupfer, wenn es im Zimmer
hänget, stehe:

So deucht mich, daß ich in demselben ein recht natürlich-wirk-
lichs Feld,

Und ein durchsichtig-klares Wasser, aus einem offnen Fenster sehe.
Des Zimmers Wand scheint auf der Stell, als wär sie in der
That durchbrochen;

So gar natürlich ist die Landschaft gebildet, und in Erz gestochen.
Die beyden Bieber sind so lebhaft in ihrer Handlung vorgestellt;
Man glaubt, man hör und seh sie nagen. Doch laßt uns
nicht die Kunst allein,

Laßt uns das Urbild, die Natur, zum Ruhm des Schöpfers,
hier betrachten,

Und wie sie diese Thiere, fast mit einem weisen Geist, verein'!
Der fast den Thiergeist übertrifft, der unserm sich fast naht,
beachten,

Der Bieber Geist in Canada, daß nicht die Fluth ihr Nest
verschwemme,

Haut große Balken, schleppt sie fort, verbindet sie, verfertigt
Dämme,

Und leitet Ströme von sich ab. Jst dieses nicht Bewunderns-
werth,

Daß die Natur so plumpe Thiere so sonderbare Künste lehrt,
Und wird derselben Quell und Herr, auch hierin, nicht mit
Recht verehrt?


Mar-
Die Bieber
Die Bieber.
So oft ich hier vor dieſem Kupfer, wenn es im Zimmer
haͤnget, ſtehe:

So deucht mich, daß ich in demſelben ein recht natuͤrlich-wirk-
lichs Feld,

Und ein durchſichtig-klares Waſſer, aus einem offnen Fenſter ſehe.
Des Zimmers Wand ſcheint auf der Stell, als waͤr ſie in der
That durchbrochen;

So gar natuͤrlich iſt die Landſchaft gebildet, und in Erz geſtochen.
Die beyden Bieber ſind ſo lebhaft in ihrer Handlung vorgeſtellt;
Man glaubt, man hoͤr und ſeh ſie nagen. Doch laßt uns
nicht die Kunſt allein,

Laßt uns das Urbild, die Natur, zum Ruhm des Schoͤpfers,
hier betrachten,

Und wie ſie dieſe Thiere, faſt mit einem weiſen Geiſt, verein’!
Der faſt den Thiergeiſt uͤbertrifft, der unſerm ſich faſt naht,
beachten,

Der Bieber Geiſt in Canada, daß nicht die Fluth ihr Neſt
verſchwemme,

Haut große Balken, ſchleppt ſie fort, verbindet ſie, verfertigt
Daͤmme,

Und leitet Stroͤme von ſich ab. Jſt dieſes nicht Bewunderns-
werth,

Daß die Natur ſo plumpe Thiere ſo ſonderbare Kuͤnſte lehrt,
Und wird derſelben Quell und Herr, auch hierin, nicht mit
Recht verehrt?


Mar-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0261" n="237"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Bieber</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Bieber.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>o oft ich hier vor die&#x017F;em Kupfer, wenn es im Zimmer<lb/><hi rendition="#et">ha&#x0364;nget, &#x017F;tehe:</hi></l><lb/>
            <l>So deucht mich, daß ich in dem&#x017F;elben ein recht natu&#x0364;rlich-wirk-<lb/><hi rendition="#et">lichs Feld,</hi></l><lb/>
            <l>Und ein durch&#x017F;ichtig-klares Wa&#x017F;&#x017F;er, aus einem offnen Fen&#x017F;ter &#x017F;ehe.</l><lb/>
            <l>Des Zimmers Wand &#x017F;cheint auf der Stell, als wa&#x0364;r &#x017F;ie in der<lb/><hi rendition="#et">That durchbrochen;</hi></l><lb/>
            <l>So gar natu&#x0364;rlich i&#x017F;t die Land&#x017F;chaft gebildet, und in Erz ge&#x017F;tochen.</l><lb/>
            <l>Die beyden Bieber &#x017F;ind &#x017F;o lebhaft in ihrer Handlung vorge&#x017F;tellt;</l><lb/>
            <l>Man glaubt, man ho&#x0364;r und &#x017F;eh &#x017F;ie nagen. Doch laßt uns<lb/><hi rendition="#et">nicht die Kun&#x017F;t allein,</hi></l><lb/>
            <l>Laßt uns das Urbild, die Natur, zum Ruhm des Scho&#x0364;pfers,<lb/><hi rendition="#et">hier betrachten,</hi></l><lb/>
            <l>Und wie &#x017F;ie die&#x017F;e Thiere, fa&#x017F;t mit einem wei&#x017F;en Gei&#x017F;t, verein&#x2019;!</l><lb/>
            <l>Der fa&#x017F;t den Thiergei&#x017F;t u&#x0364;bertrifft, der un&#x017F;erm &#x017F;ich fa&#x017F;t naht,<lb/><hi rendition="#et">beachten,</hi></l><lb/>
            <l>Der Bieber Gei&#x017F;t in Canada, daß nicht die Fluth ihr Ne&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">ver&#x017F;chwemme,</hi></l><lb/>
            <l>Haut große Balken, &#x017F;chleppt &#x017F;ie fort, verbindet &#x017F;ie, verfertigt<lb/><hi rendition="#et">Da&#x0364;mme,</hi></l><lb/>
            <l>Und leitet Stro&#x0364;me von &#x017F;ich ab. J&#x017F;t die&#x017F;es nicht Bewunderns-<lb/><hi rendition="#et">werth,</hi></l><lb/>
            <l>Daß die Natur &#x017F;o plumpe Thiere &#x017F;o &#x017F;onderbare Ku&#x0364;n&#x017F;te lehrt,</l><lb/>
            <l>Und wird der&#x017F;elben Quell und Herr, auch hierin, nicht mit<lb/><hi rendition="#et">Recht verehrt?</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Mar-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0261] Die Bieber Die Bieber. So oft ich hier vor dieſem Kupfer, wenn es im Zimmer haͤnget, ſtehe: So deucht mich, daß ich in demſelben ein recht natuͤrlich-wirk- lichs Feld, Und ein durchſichtig-klares Waſſer, aus einem offnen Fenſter ſehe. Des Zimmers Wand ſcheint auf der Stell, als waͤr ſie in der That durchbrochen; So gar natuͤrlich iſt die Landſchaft gebildet, und in Erz geſtochen. Die beyden Bieber ſind ſo lebhaft in ihrer Handlung vorgeſtellt; Man glaubt, man hoͤr und ſeh ſie nagen. Doch laßt uns nicht die Kunſt allein, Laßt uns das Urbild, die Natur, zum Ruhm des Schoͤpfers, hier betrachten, Und wie ſie dieſe Thiere, faſt mit einem weiſen Geiſt, verein’! Der faſt den Thiergeiſt uͤbertrifft, der unſerm ſich faſt naht, beachten, Der Bieber Geiſt in Canada, daß nicht die Fluth ihr Neſt verſchwemme, Haut große Balken, ſchleppt ſie fort, verbindet ſie, verfertigt Daͤmme, Und leitet Stroͤme von ſich ab. Jſt dieſes nicht Bewunderns- werth, Daß die Natur ſo plumpe Thiere ſo ſonderbare Kuͤnſte lehrt, Und wird derſelben Quell und Herr, auch hierin, nicht mit Recht verehrt? Mar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/261
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/261>, abgerufen am 18.12.2024.