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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Die Hirsche.
Es sieht dem Kümmerer der Kummer aus den Augen;
Die ernste Stellung zeigt des Gall-Thiers Alter an;
Der Hirsch-Kuh kann man es fast aus den Augen lesen,
Daß sie des Hirsches Brunst ein Vorwurf sey gewesen.
Das schlanke Schmahl-Thier zeigt der frischen Jugend Spur.
Jedoch dieß Kupfer-Stück zeigt uns das Wild nicht nur,
Es zeigt dieß Blatt ein Blatt des Buchs der Creatur.
Des Künstlers Lettern sind Figuren, die er füget,
Daß eine solche Schrift daraus entsteht,
Worinn so Zug als Text des Schöpfers Ruhm erhöht,
Wenn jemand, der im Sehn sie liest, sich dran vergnüget,
Durchs Bild zum Urbild erst, und dann zur Urquell geht.
Wen nun der schöne Stich und Kupferdruck behaget,
Der muß von der Copie die Zeichnung selbst erst sehn;
Dann wird er, nicht allein, daß ich nicht gnug gesaget,
Auch daß man nicht davon gnug sagen kann, gestehn.


Ueber
Br. VI. Th. P
Die Hirſche.
Es ſieht dem Kuͤmmerer der Kummer aus den Augen;
Die ernſte Stellung zeigt des Gall-Thiers Alter an;
Der Hirſch-Kuh kann man es faſt aus den Augen leſen,
Daß ſie des Hirſches Brunſt ein Vorwurf ſey geweſen.
Das ſchlanke Schmahl-Thier zeigt der friſchen Jugend Spur.
Jedoch dieß Kupfer-Stuͤck zeigt uns das Wild nicht nur,
Es zeigt dieß Blatt ein Blatt des Buchs der Creatur.
Des Kuͤnſtlers Lettern ſind Figuren, die er fuͤget,
Daß eine ſolche Schrift daraus entſteht,
Worinn ſo Zug als Text des Schoͤpfers Ruhm erhoͤht,
Wenn jemand, der im Sehn ſie lieſt, ſich dran vergnuͤget,
Durchs Bild zum Urbild erſt, und dann zur Urquell geht.
Wen nun der ſchoͤne Stich und Kupferdruck behaget,
Der muß von der Copie die Zeichnung ſelbſt erſt ſehn;
Dann wird er, nicht allein, daß ich nicht gnug geſaget,
Auch daß man nicht davon gnug ſagen kann, geſtehn.


Ueber
Br. VI. Th. P
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[225/0249] Die Hirſche. Es ſieht dem Kuͤmmerer der Kummer aus den Augen; Die ernſte Stellung zeigt des Gall-Thiers Alter an; Der Hirſch-Kuh kann man es faſt aus den Augen leſen, Daß ſie des Hirſches Brunſt ein Vorwurf ſey geweſen. Das ſchlanke Schmahl-Thier zeigt der friſchen Jugend Spur. Jedoch dieß Kupfer-Stuͤck zeigt uns das Wild nicht nur, Es zeigt dieß Blatt ein Blatt des Buchs der Creatur. Des Kuͤnſtlers Lettern ſind Figuren, die er fuͤget, Daß eine ſolche Schrift daraus entſteht, Worinn ſo Zug als Text des Schoͤpfers Ruhm erhoͤht, Wenn jemand, der im Sehn ſie lieſt, ſich dran vergnuͤget, Durchs Bild zum Urbild erſt, und dann zur Urquell geht. Wen nun der ſchoͤne Stich und Kupferdruck behaget, Der muß von der Copie die Zeichnung ſelbſt erſt ſehn; Dann wird er, nicht allein, daß ich nicht gnug geſaget, Auch daß man nicht davon gnug ſagen kann, geſtehn. Ueber Br. VI. Th. P

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/249>, abgerufen am 22.11.2024.