Wie man, nachdem man es ergründet, Den Trieb in allen Pflanzen findet. Erwege denn, vernünftge Seele! Sprich, wer formirte die Canäle, Von wem ist dieser zarte Saft, Voll Segens-reicher Nahrungskraft, Für uns, auch für das Vieh bereitet? Wer hat es dergestalt geleitet? Wer ließ es in den Zäserlein Der Wurzel, die kaum sichtbar seyn, Jm finstern Schooß der feuchten Erden, Zertheilt und als verdauet werden? Wer bildete die schönen Aehren, Das nette Korn, die zarte Blühte? Durch wessen unumschränkte Güte Konnt es so reichlich sich vermehren, Daß auch die stärksten Leiterwagen Nur kaum die schweren Lasten tragen? Da doch nur wenig Zeit zuvor, Der Sämann alles Samenkorn, Woraus nun solch Gewicht entsprossen, Jn wenig Säcken eingeschlossen. Je minder wir nun alles fassen, Je minder muß man unterlassen, An den, in Ehrfurcht, zu gedenken, Der uns, durch seine weise Führung, Durch seine gnädige Regierung, Die Körperchen so wohl zu lenken, Und, uns dadurch viel guts zu schenken, So liebreich uns gewürdigt hat. Allein wo kömmt das Elend her? Jch dacht, ich würd unglaublich mehr
Ver-
Nach der Erndte.
Wie man, nachdem man es ergruͤndet, Den Trieb in allen Pflanzen findet. Erwege denn, vernuͤnftge Seele! Sprich, wer formirte die Canaͤle, Von wem iſt dieſer zarte Saft, Voll Segens-reicher Nahrungskraft, Fuͤr uns, auch fuͤr das Vieh bereitet? Wer hat es dergeſtalt geleitet? Wer ließ es in den Zaͤſerlein Der Wurzel, die kaum ſichtbar ſeyn, Jm finſtern Schooß der feuchten Erden, Zertheilt und als verdauet werden? Wer bildete die ſchoͤnen Aehren, Das nette Korn, die zarte Bluͤhte? Durch weſſen unumſchraͤnkte Guͤte Konnt es ſo reichlich ſich vermehren, Daß auch die ſtaͤrkſten Leiterwagen Nur kaum die ſchweren Laſten tragen? Da doch nur wenig Zeit zuvor, Der Saͤmann alles Samenkorn, Woraus nun ſolch Gewicht entſproſſen, Jn wenig Saͤcken eingeſchloſſen. Je minder wir nun alles faſſen, Je minder muß man unterlaſſen, An den, in Ehrfurcht, zu gedenken, Der uns, durch ſeine weiſe Fuͤhrung, Durch ſeine gnaͤdige Regierung, Die Koͤrperchen ſo wohl zu lenken, Und, uns dadurch viel guts zu ſchenken, So liebreich uns gewuͤrdigt hat. Allein wo koͤmmt das Elend her? Jch dacht, ich wuͤrd unglaublich mehr
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Nach der Erndte.
Wie man, nachdem man es ergruͤndet,
Den Trieb in allen Pflanzen findet.
Erwege denn, vernuͤnftge Seele!
Sprich, wer formirte die Canaͤle,
Von wem iſt dieſer zarte Saft,
Voll Segens-reicher Nahrungskraft,
Fuͤr uns, auch fuͤr das Vieh bereitet?
Wer hat es dergeſtalt geleitet?
Wer ließ es in den Zaͤſerlein
Der Wurzel, die kaum ſichtbar ſeyn,
Jm finſtern Schooß der feuchten Erden,
Zertheilt und als verdauet werden?
Wer bildete die ſchoͤnen Aehren,
Das nette Korn, die zarte Bluͤhte?
Durch weſſen unumſchraͤnkte Guͤte
Konnt es ſo reichlich ſich vermehren,
Daß auch die ſtaͤrkſten Leiterwagen
Nur kaum die ſchweren Laſten tragen?
Da doch nur wenig Zeit zuvor,
Der Saͤmann alles Samenkorn,
Woraus nun ſolch Gewicht entſproſſen,
Jn wenig Saͤcken eingeſchloſſen.
Je minder wir nun alles faſſen,
Je minder muß man unterlaſſen,
An den, in Ehrfurcht, zu gedenken,
Der uns, durch ſeine weiſe Fuͤhrung,
Durch ſeine gnaͤdige Regierung,
Die Koͤrperchen ſo wohl zu lenken,
Und, uns dadurch viel guts zu ſchenken,
So liebreich uns gewuͤrdigt hat.
Allein wo koͤmmt das Elend her?
Jch dacht, ich wuͤrd unglaublich mehr
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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