Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Nützliche Blumen-Betrachtung.
Nein, daß durch sie die Pflanzen Samen tragen,
Und alle Jahre sich erneuen,
So, daß sie uns, mit ihren bunten Schätzen,
Auf einmal nützen und ergetzen.

Es scheinet ein geheim Vergnügen
Jn unsrer Brust versteckt,
So uns selbst nicht bekannt, zu liegen,
Das, durch der Blumen Glanz, erweckt,
Und angefachet wird, das aber bald verlodert,
Wenn der Betrachtung Weihrauch nicht,
Den diese schöne Gluht zur Nahrung fodert,
Jhr zugereichet wird, und ihr gebricht.
Es scheint der Blumen holde Pracht,
Für uns, und bloß allein gemacht,
Jndem sie, bey den Thieren,
So wenig den Geruch, als ihre Blicke, rühren;
Sie werden anders nicht, als wie das Gras und Kraut,
Von ihnen angeschaut;
Sie treten sie mit Füssen. Uns allein
Scheint ihre Zier zu gut gemacht zu seyn.
Es hätte die Unsterblichkeit den Pflanzen können eingeflößt
Und ihnen mitgetheilet werden,
Ohn alle Zierlichkeit in Formen, von aller Farben Glanz entblößt,
Als wie den Wurzeln in der Erden.
So aber zeigt sich klar: Die Wunderhand
Des Wesens, welcher sie gefärbet und formiret,
Hab, uns zu gut, daran so viele Kunst verwandt,
Und sie, nur bloß für uns, so schön gezieret,
Zum schönsten Vorwurf unsern Blicken,
Um unsern Aufenthalt mit ihnen auszuschmücken.
Ver-

Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Nein, daß durch ſie die Pflanzen Samen tragen,
Und alle Jahre ſich erneuen,
So, daß ſie uns, mit ihren bunten Schaͤtzen,
Auf einmal nuͤtzen und ergetzen.

Es ſcheinet ein geheim Vergnuͤgen
Jn unſrer Bruſt verſteckt,
So uns ſelbſt nicht bekannt, zu liegen,
Das, durch der Blumen Glanz, erweckt,
Und angefachet wird, das aber bald verlodert,
Wenn der Betrachtung Weihrauch nicht,
Den dieſe ſchoͤne Gluht zur Nahrung fodert,
Jhr zugereichet wird, und ihr gebricht.
Es ſcheint der Blumen holde Pracht,
Fuͤr uns, und bloß allein gemacht,
Jndem ſie, bey den Thieren,
So wenig den Geruch, als ihre Blicke, ruͤhren;
Sie werden anders nicht, als wie das Gras und Kraut,
Von ihnen angeſchaut;
Sie treten ſie mit Fuͤſſen. Uns allein
Scheint ihre Zier zu gut gemacht zu ſeyn.
Es haͤtte die Unſterblichkeit den Pflanzen koͤnnen eingefloͤßt
Und ihnen mitgetheilet werden,
Ohn alle Zierlichkeit in Formen, von aller Farben Glanz entbloͤßt,
Als wie den Wurzeln in der Erden.
So aber zeigt ſich klar: Die Wunderhand
Des Weſens, welcher ſie gefaͤrbet und formiret,
Hab, uns zu gut, daran ſo viele Kunſt verwandt,
Und ſie, nur bloß fuͤr uns, ſo ſchoͤn gezieret,
Zum ſchoͤnſten Vorwurf unſern Blicken,
Um unſern Aufenthalt mit ihnen auszuſchmuͤcken.
Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="2">
            <l><pb facs="#f0103" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nu&#x0364;tzliche Blumen-Betrachtung.</hi></fw><lb/>
Nein, daß durch &#x017F;ie die Pflanzen Samen tragen,</l><lb/>
            <l>Und alle Jahre &#x017F;ich erneuen,</l><lb/>
            <l>So, daß &#x017F;ie uns, mit ihren bunten Scha&#x0364;tzen,</l><lb/>
            <l>Auf einmal nu&#x0364;tzen und ergetzen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Es &#x017F;cheinet ein geheim Vergnu&#x0364;gen</l><lb/>
            <l>Jn un&#x017F;rer Bru&#x017F;t ver&#x017F;teckt,</l><lb/>
            <l>So uns &#x017F;elb&#x017F;t nicht bekannt, zu liegen,</l><lb/>
            <l>Das, durch der Blumen Glanz, erweckt,</l><lb/>
            <l>Und angefachet wird, das aber bald verlodert,</l><lb/>
            <l>Wenn der Betrachtung Weihrauch nicht,</l><lb/>
            <l>Den die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Gluht zur Nahrung fodert,</l><lb/>
            <l>Jhr zugereichet wird, und ihr gebricht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Es &#x017F;cheint der Blumen holde Pracht,</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r uns, und bloß allein gemacht,</l><lb/>
            <l>Jndem &#x017F;ie, bey den Thieren,</l><lb/>
            <l>So wenig den Geruch, als ihre Blicke, ru&#x0364;hren;</l><lb/>
            <l>Sie werden anders nicht, als wie das Gras und Kraut,</l><lb/>
            <l>Von ihnen ange&#x017F;chaut;</l><lb/>
            <l>Sie treten &#x017F;ie mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Uns allein</l><lb/>
            <l>Scheint ihre Zier zu gut gemacht zu &#x017F;eyn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Es ha&#x0364;tte die Un&#x017F;terblichkeit den Pflanzen ko&#x0364;nnen eingeflo&#x0364;ßt</l><lb/>
            <l>Und ihnen mitgetheilet werden,</l><lb/>
            <l>Ohn alle Zierlichkeit in Formen, von aller Farben Glanz entblo&#x0364;ßt,</l><lb/>
            <l>Als wie den Wurzeln in der Erden.</l><lb/>
            <l>So aber zeigt &#x017F;ich klar: Die Wunderhand</l><lb/>
            <l>Des We&#x017F;ens, welcher &#x017F;ie gefa&#x0364;rbet und formiret,</l><lb/>
            <l>Hab, uns zu gut, daran &#x017F;o viele Kun&#x017F;t verwandt,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie, nur bloß fu&#x0364;r uns, &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n gezieret,</l><lb/>
            <l>Zum &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Vorwurf un&#x017F;ern Blicken,</l><lb/>
            <l>Um un&#x017F;ern Aufenthalt mit ihnen auszu&#x017F;chmu&#x0364;cken.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0103] Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Nein, daß durch ſie die Pflanzen Samen tragen, Und alle Jahre ſich erneuen, So, daß ſie uns, mit ihren bunten Schaͤtzen, Auf einmal nuͤtzen und ergetzen. Es ſcheinet ein geheim Vergnuͤgen Jn unſrer Bruſt verſteckt, So uns ſelbſt nicht bekannt, zu liegen, Das, durch der Blumen Glanz, erweckt, Und angefachet wird, das aber bald verlodert, Wenn der Betrachtung Weihrauch nicht, Den dieſe ſchoͤne Gluht zur Nahrung fodert, Jhr zugereichet wird, und ihr gebricht. Es ſcheint der Blumen holde Pracht, Fuͤr uns, und bloß allein gemacht, Jndem ſie, bey den Thieren, So wenig den Geruch, als ihre Blicke, ruͤhren; Sie werden anders nicht, als wie das Gras und Kraut, Von ihnen angeſchaut; Sie treten ſie mit Fuͤſſen. Uns allein Scheint ihre Zier zu gut gemacht zu ſeyn. Es haͤtte die Unſterblichkeit den Pflanzen koͤnnen eingefloͤßt Und ihnen mitgetheilet werden, Ohn alle Zierlichkeit in Formen, von aller Farben Glanz entbloͤßt, Als wie den Wurzeln in der Erden. So aber zeigt ſich klar: Die Wunderhand Des Weſens, welcher ſie gefaͤrbet und formiret, Hab, uns zu gut, daran ſo viele Kunſt verwandt, Und ſie, nur bloß fuͤr uns, ſo ſchoͤn gezieret, Zum ſchoͤnſten Vorwurf unſern Blicken, Um unſern Aufenthalt mit ihnen auszuſchmuͤcken. Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/103
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/103>, abgerufen am 22.11.2024.