Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Lieblichkeiten des Frühlings. Lieblichkeiten des Frühlings. Jn dieser den Winter vertreibenden Lentzen-ZeitBelebet sich alles im Reiche der Sonnen; Erfüllet sich alles mit Anmuth und Lieblichkeit: Der fröliche Weinstock hat Augen gewonnen. Es circkelt in Bäumen ein nährender Lebens-Saft. Die Knospen erheben sich, schwellen und bersten. Es deckt sich der Acker, voll gährender Wunder-Kraft, Mit grünenden Spitzen von Haber und Gersten. Jn Wäldern erfolget durch wachsender Blätter Pracht, Von denen jetzt gleichsam umnebelten Wipfeln, Auf grünlicher Dämmerung, die liebliche Schatten-Nacht Es spriessen aus scharffen erhabenen Gipfeln Bewachsener Berge, die Kräuter jetzt überall. Und füllen mit duftigem Balsam die Lüfte. Es schwebet der schertzende, schwätzige Wiederhall Um ihre bemoste verwachsene Klüfte. Das dunckle Gebüsche, den schattigten Wald erfüllt Der schlagenden Nachtigall schmetterndes Schallen. Es springet im blumigten Grase das junge Wild, Und fühlet in Adern ein kitzelndes Wallen. Jetzt murmelt und rauschet und rieselt die rege Fluht. Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen Entwirft und formiret der strahlenden Sonnen Glut Viel funckelnde Bilder in schimmerden Blitzen; Man sieht, mit Ergetzen, die Blitze verwunderlich Jn tausend beweglichen Spiegeln sich brechen. Die Fluth, wie ein lebender Silber-Fluß, schlängelt sich Durch grünender Felder smaragdene Flächen. Der
Lieblichkeiten des Fruͤhlings. Lieblichkeiten des Fruͤhlings. Jn dieſer den Winter vertreibenden Lentzen-ZeitBelebet ſich alles im Reiche der Sonnen; Erfuͤllet ſich alles mit Anmuth und Lieblichkeit: Der froͤliche Weinſtock hat Augen gewonnen. Es circkelt in Baͤumen ein naͤhrender Lebens-Saft. Die Knoſpen erheben ſich, ſchwellen und berſten. Es deckt ſich der Acker, voll gaͤhrender Wunder-Kraft, Mit gruͤnenden Spitzen von Haber und Gerſten. Jn Waͤldern erfolget durch wachſender Blaͤtter Pracht, Von denen jetzt gleichſam umnebelten Wipfeln, Auf gruͤnlicher Daͤmmerung, die liebliche Schatten-Nacht Es ſprieſſen aus ſcharffen erhabenen Gipfeln Bewachſener Berge, die Kraͤuter jetzt uͤberall. Und fuͤllen mit duftigem Balſam die Luͤfte. Es ſchwebet der ſchertzende, ſchwaͤtzige Wiederhall Um ihre bemoſte verwachſene Kluͤfte. Das dunckle Gebuͤſche, den ſchattigten Wald erfuͤllt Der ſchlagenden Nachtigall ſchmetterndes Schallen. Es ſpringet im blumigten Graſe das junge Wild, Und fuͤhlet in Adern ein kitzelndes Wallen. Jetzt murmelt und rauſchet und rieſelt die rege Fluht. Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen Entwirft und formiret der ſtrahlenden Sonnen Glut Viel funckelnde Bilder in ſchimmerden Blitzen; Man ſieht, mit Ergetzen, die Blitze verwunderlich Jn tauſend beweglichen Spiegeln ſich brechen. Die Fluth, wie ein lebender Silber-Fluß, ſchlaͤngelt ſich Durch gruͤnender Felder ſmaragdene Flaͤchen. Der
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Lieblichkeiten des Fruͤhlings.
Lieblichkeiten des Fruͤhlings.
Jn dieſer den Winter vertreibenden Lentzen-Zeit
Belebet ſich alles im Reiche der Sonnen;
Erfuͤllet ſich alles mit Anmuth und Lieblichkeit:
Der froͤliche Weinſtock hat Augen gewonnen.
Es circkelt in Baͤumen ein naͤhrender Lebens-Saft.
Die Knoſpen erheben ſich, ſchwellen und berſten.
Es deckt ſich der Acker, voll gaͤhrender Wunder-Kraft,
Mit gruͤnenden Spitzen von Haber und Gerſten.
Jn Waͤldern erfolget durch wachſender Blaͤtter Pracht,
Von denen jetzt gleichſam umnebelten Wipfeln,
Auf gruͤnlicher Daͤmmerung, die liebliche Schatten-Nacht
Es ſprieſſen aus ſcharffen erhabenen Gipfeln
Bewachſener Berge, die Kraͤuter jetzt uͤberall.
Und fuͤllen mit duftigem Balſam die Luͤfte.
Es ſchwebet der ſchertzende, ſchwaͤtzige Wiederhall
Um ihre bemoſte verwachſene Kluͤfte.
Das dunckle Gebuͤſche, den ſchattigten Wald erfuͤllt
Der ſchlagenden Nachtigall ſchmetterndes Schallen.
Es ſpringet im blumigten Graſe das junge Wild,
Und fuͤhlet in Adern ein kitzelndes Wallen.
Jetzt murmelt und rauſchet und rieſelt die rege Fluht.
Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen
Entwirft und formiret der ſtrahlenden Sonnen Glut
Viel funckelnde Bilder in ſchimmerden Blitzen;
Man ſieht, mit Ergetzen, die Blitze verwunderlich
Jn tauſend beweglichen Spiegeln ſich brechen.
Die Fluth, wie ein lebender Silber-Fluß, ſchlaͤngelt ſich
Durch gruͤnender Felder ſmaragdene Flaͤchen.
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Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/62>, abgerufen am 16.02.2025. |