Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Neu-Jahrs Gedichte.
Gebracht und hingeführet werden. Die Seele scheint hier
zu regiren

Und sie, so viel derselben nöthig, durch andre Gäng', an
allen Enden,

Jn ihr bewuster Maaß und Ordnung, vernünftig wieder
hinzusenden.

Da sie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft
vielleicht empfangen,

Und, ob wir es gleich nicht begreiffen, von ihr ein' Eigen-
schaft erlangen,

Zu wircken, wie und wo es nöthig. Wie nun des gantzen
Cörpers Kräfte,

Um sich im Wesen zu erhalten, sich mit der Seelen Kraft
vereinen;

So dürft' es, daß auch unsre Seele sich an ein höhers
Wesen hefte,

Und seiner Gaben theilhaft werde, noch mehr gewiß, als
glaubhaft, scheinen.

Da nichts so sehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage
leget,

Als daß sie, durch des Höchsten Liebe, was Göttlichs in ihr
selber heget.
Da sie, durch diese Wunder-Kraft zu dencken, die ihr
GOtt geschencket,

Auf dieser Gabe Werth und Ursprung, in Demuth-voller
Ehrfurcht, dencket;

Erblickt sie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew'gen
Klahrheit,

Von der unendlich ew'gen Weisheit, von der unendlich-
ew'gen Wahrheit,

Von dem unendlich-ew'gen WORT, aus welchem, alles
was verhanden,

Durch seiner ew'gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent-
standen,
Der
Neu-Jahrs Gedichte.
Gebracht und hingefuͤhret werden. Die Seele ſcheint hier
zu regiren

Und ſie, ſo viel derſelben noͤthig, durch andre Gaͤng’, an
allen Enden,

Jn ihr bewuſter Maaß und Ordnung, vernuͤnftig wieder
hinzuſenden.

Da ſie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft
vielleicht empfangen,

Und, ob wir es gleich nicht begreiffen, von ihr ein’ Eigen-
ſchaft erlangen,

Zu wircken, wie und wo es noͤthig. Wie nun des gantzen
Coͤrpers Kraͤfte,

Um ſich im Weſen zu erhalten, ſich mit der Seelen Kraft
vereinen;

So duͤrft’ es, daß auch unſre Seele ſich an ein hoͤhers
Weſen hefte,

Und ſeiner Gaben theilhaft werde, noch mehr gewiß, als
glaubhaft, ſcheinen.

Da nichts ſo ſehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage
leget,

Als daß ſie, durch des Hoͤchſten Liebe, was Goͤttlichs in ihr
ſelber heget.
Da ſie, durch dieſe Wunder-Kraft zu dencken, die ihr
GOtt geſchencket,

Auf dieſer Gabe Werth und Urſprung, in Demuth-voller
Ehrfurcht, dencket;

Erblickt ſie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew’gen
Klahrheit,

Von der unendlich ew’gen Weisheit, von der unendlich-
ew’gen Wahrheit,

Von dem unendlich-ew’gen WORT, aus welchem, alles
was verhanden,

Durch ſeiner ew’gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent-
ſtanden,
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0493" n="477"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="147">
            <l>Gebracht und hingefu&#x0364;hret werden. Die Seele &#x017F;cheint hier<lb/><hi rendition="#et">zu regiren</hi></l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie, &#x017F;o viel der&#x017F;elben no&#x0364;thig, durch andre Ga&#x0364;ng&#x2019;, an<lb/><hi rendition="#et">allen Enden,</hi></l><lb/>
            <l>Jn ihr bewu&#x017F;ter Maaß und Ordnung, vernu&#x0364;nftig wieder<lb/><hi rendition="#et">hinzu&#x017F;enden.</hi></l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft<lb/><hi rendition="#et">vielleicht empfangen,</hi></l><lb/>
            <l>Und, ob wir es gleich nicht begreiffen, von ihr ein&#x2019; Eigen-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chaft erlangen,</hi></l><lb/>
            <l>Zu wircken, wie und wo es no&#x0364;thig. Wie nun des gantzen<lb/><hi rendition="#et">Co&#x0364;rpers Kra&#x0364;fte,</hi></l><lb/>
            <l>Um &#x017F;ich im We&#x017F;en zu erhalten, &#x017F;ich mit der Seelen Kraft<lb/><hi rendition="#et">vereinen;</hi></l><lb/>
            <l>So du&#x0364;rft&#x2019; es, daß auch un&#x017F;re Seele &#x017F;ich an ein ho&#x0364;hers<lb/><hi rendition="#et">We&#x017F;en hefte,</hi></l><lb/>
            <l>Und &#x017F;einer Gaben theilhaft werde, noch mehr gewiß, als<lb/><hi rendition="#et">glaubhaft, &#x017F;cheinen.</hi></l><lb/>
            <l>Da nichts &#x017F;o &#x017F;ehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage<lb/><hi rendition="#et">leget,</hi></l><lb/>
            <l>Als daß &#x017F;ie, durch des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Liebe, was Go&#x0364;ttlichs in ihr<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;elber heget.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="148">
            <l>Da &#x017F;ie, durch die&#x017F;e Wunder-Kraft zu dencken, die ihr<lb/><hi rendition="#et">GOtt ge&#x017F;chencket,</hi></l><lb/>
            <l>Auf die&#x017F;er Gabe Werth und Ur&#x017F;prung, in Demuth-voller<lb/><hi rendition="#et">Ehrfurcht, dencket;</hi></l><lb/>
            <l>Erblickt &#x017F;ie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew&#x2019;gen<lb/><hi rendition="#et">Klahrheit,</hi></l><lb/>
            <l>Von der unendlich ew&#x2019;gen Weisheit, von der unendlich-<lb/><hi rendition="#et">ew&#x2019;gen Wahrheit,</hi></l><lb/>
            <l>Von <hi rendition="#fr">dem unendlich-ew&#x2019;gen WORT,</hi> aus welchem, alles<lb/><hi rendition="#et">was verhanden,</hi></l><lb/>
            <l>Durch &#x017F;einer ew&#x2019;gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tanden,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0493] Neu-Jahrs Gedichte. Gebracht und hingefuͤhret werden. Die Seele ſcheint hier zu regiren Und ſie, ſo viel derſelben noͤthig, durch andre Gaͤng’, an allen Enden, Jn ihr bewuſter Maaß und Ordnung, vernuͤnftig wieder hinzuſenden. Da ſie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft vielleicht empfangen, Und, ob wir es gleich nicht begreiffen, von ihr ein’ Eigen- ſchaft erlangen, Zu wircken, wie und wo es noͤthig. Wie nun des gantzen Coͤrpers Kraͤfte, Um ſich im Weſen zu erhalten, ſich mit der Seelen Kraft vereinen; So duͤrft’ es, daß auch unſre Seele ſich an ein hoͤhers Weſen hefte, Und ſeiner Gaben theilhaft werde, noch mehr gewiß, als glaubhaft, ſcheinen. Da nichts ſo ſehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage leget, Als daß ſie, durch des Hoͤchſten Liebe, was Goͤttlichs in ihr ſelber heget. Da ſie, durch dieſe Wunder-Kraft zu dencken, die ihr GOtt geſchencket, Auf dieſer Gabe Werth und Urſprung, in Demuth-voller Ehrfurcht, dencket; Erblickt ſie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew’gen Klahrheit, Von der unendlich ew’gen Weisheit, von der unendlich- ew’gen Wahrheit, Von dem unendlich-ew’gen WORT, aus welchem, alles was verhanden, Durch ſeiner ew’gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent- ſtanden, Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/493
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/493>, abgerufen am 25.11.2024.