Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. (Das sich eröffnet, schliesset, dehnet, und auf so manche Art sich rühret; Das mit der Zunge viele Worte dadurch gemeinschaftlich formiret, Und die Gedancken känntlich macht) sehr künstlich und recht wunderbar, Als, welche, wie in der Zergliederung, wir, fast nicht ohn Erstaunen, sehn, So wol, als wie die Zung' und Wangen aus Fäden, die von Fleisch, bestehn. Wodurch wir denn, auf tausend Arten, den Mund zu öffnen, und zu schliessen, Und eben dadurch unsern Ton zu bilden, zu erhöhn, zu drehn, Zu sencken, biegen, zu formiren, zu schärfen und zu schwä- chen wissen. Noch mehr, um ihn noch mehr zu ändern, sind ein Par Gänge zubereitet, Von unsrer Luft-Röhr zu der Nasen, wodurch er sich zu- weilen leitet, Und wo er, wenn er sich dahin durch sonst gespärrte Röh- ren drängt, Bey offnem, auch geschloßnem Munde, noch einen andern Klang empfängt. Damit nun durch verschiedne Wege die Tone nicht verschie- den scheinen, Sieht man die Oeffnungen der Nasen, um beyde Töne zu vereinen, Sich allezeit herabwärts sencken, wodurch, wie man be- wundernd spüret, Aus zweyen schon getheilten Tönen sich nur ein eintziger formiret, Noch ist nicht minder zu bewundern des Unter-Kiefers fertigs Regen, Wodurch wir Lippen, Mund und Zähne eröffnen, schliessen und bewegen. Aus
Neu-Jahrs Gedichte. (Das ſich eroͤffnet, ſchlieſſet, dehnet, und auf ſo manche Art ſich ruͤhret; Das mit der Zunge viele Worte dadurch gemeinſchaftlich formiret, Und die Gedancken kaͤnntlich macht) ſehr kuͤnſtlich und recht wunderbar, Als, welche, wie in der Zergliederung, wir, faſt nicht ohn Erſtaunen, ſehn, So wol, als wie die Zung’ und Wangen aus Faͤden, die von Fleiſch, beſtehn. Wodurch wir denn, auf tauſend Arten, den Mund zu oͤffnen, und zu ſchlieſſen, Und eben dadurch unſern Ton zu bilden, zu erhoͤhn, zu drehn, Zu ſencken, biegen, zu formiren, zu ſchaͤrfen und zu ſchwaͤ- chen wiſſen. Noch mehr, um ihn noch mehr zu aͤndern, ſind ein Par Gaͤnge zubereitet, Von unſrer Luft-Roͤhr zu der Naſen, wodurch er ſich zu- weilen leitet, Und wo er, wenn er ſich dahin durch ſonſt geſpaͤrrte Roͤh- ren draͤngt, Bey offnem, auch geſchloßnem Munde, noch einen andern Klang empfaͤngt. Damit nun durch verſchiedne Wege die Tone nicht verſchie- den ſcheinen, Sieht man die Oeffnungen der Naſen, um beyde Toͤne zu vereinen, Sich allezeit herabwaͤrts ſencken, wodurch, wie man be- wundernd ſpuͤret, Aus zweyen ſchon getheilten Toͤnen ſich nur ein eintziger formiret, Noch iſt nicht minder zu bewundern des Unter-Kiefers fertigs Regen, Wodurch wir Lippen, Mund und Zaͤhne eroͤffnen, ſchlieſſen und bewegen. Aus
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Neu-Jahrs Gedichte.
(Das ſich eroͤffnet, ſchlieſſet, dehnet, und auf ſo manche
Art ſich ruͤhret;
Das mit der Zunge viele Worte dadurch gemeinſchaftlich
formiret,
Und die Gedancken kaͤnntlich macht) ſehr kuͤnſtlich und
recht wunderbar,
Als, welche, wie in der Zergliederung, wir, faſt nicht ohn
Erſtaunen, ſehn,
So wol, als wie die Zung’ und Wangen aus Faͤden, die
von Fleiſch, beſtehn.
Wodurch wir denn, auf tauſend Arten, den Mund zu oͤffnen,
und zu ſchlieſſen,
Und eben dadurch unſern Ton zu bilden, zu erhoͤhn, zu
drehn,
Zu ſencken, biegen, zu formiren, zu ſchaͤrfen und zu ſchwaͤ-
chen wiſſen.
Noch mehr, um ihn noch mehr zu aͤndern, ſind ein Par
Gaͤnge zubereitet,
Von unſrer Luft-Roͤhr zu der Naſen, wodurch er ſich zu-
weilen leitet,
Und wo er, wenn er ſich dahin durch ſonſt geſpaͤrrte Roͤh-
ren draͤngt,
Bey offnem, auch geſchloßnem Munde, noch einen andern
Klang empfaͤngt.
Damit nun durch verſchiedne Wege die Tone nicht verſchie-
den ſcheinen,
Sieht man die Oeffnungen der Naſen, um beyde Toͤne zu
vereinen,
Sich allezeit herabwaͤrts ſencken, wodurch, wie man be-
wundernd ſpuͤret,
Aus zweyen ſchon getheilten Toͤnen ſich nur ein eintziger
formiret,
Noch iſt nicht minder zu bewundern des Unter-Kiefers
fertigs Regen,
Wodurch wir Lippen, Mund und Zaͤhne eroͤffnen, ſchlieſſen
und bewegen.
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