Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Wie viel und mancherley derselben, zu diesem Zweck, hervorgebracht. Jndem der Ton stets aufwärts steigt, so hat der Schöpfer unsern Ohren, So sonder Weisheit nicht geschicht, auch einen hohen Ort erkohren, Wohin durch die bewegte Luft, die sich in Kreisen so bewegt, Als wenn man durch geworffne Stein' ein sonsten stilles Wasser regt, Der rege Schall sich vorwärts streckt. Jm Ohr ist eine dünne Wand, Von einer zart- und regen Haut, wie eine Trommel, aus- gespannt. Drey kleine Knochen trift man hier in dieser kleinen Kam- mer an, Die man mit Hammer, Amboß, Stegreif an Form, mit Recht, vergleichen kann. Wenn nun der Ton an sie gekommen, so wird er durch die innre Luft, Durch einen krummen Labyrinth, den die Natur im Ohr gemacht, Darauf noch ferner fortgeleitet und in ein Schnecken-Haus gebracht. Durch dieses wird er ferner noch, durch enge Wege, fort- geführt, Biß daß er an ein ausgedehntes und zart- und dünnes Nervgen rührt, Das den empfangnen Ton', so bald als dieser durch den- selben, klingt, Jn das beträchtliche Gehirn und zu dem Sitz der Seelen bringt. Von dieser kleinen Sehne nun, soll man, nicht ohn Ver- wundrung, sehn Viel ungezehlte kleine Zweige durch unsern gantzen Cörper gehn; Sie G g 3
Neu-Jahrs Gedichte. Wie viel und mancherley derſelben, zu dieſem Zweck, hervorgebracht. Jndem der Ton ſtets aufwaͤrts ſteigt, ſo hat der Schoͤpfer unſern Ohren, So ſonder Weisheit nicht geſchicht, auch einen hohen Ort erkohren, Wohin durch die bewegte Luft, die ſich in Kreiſen ſo bewegt, Als wenn man durch geworffne Stein’ ein ſonſten ſtilles Waſſer regt, Der rege Schall ſich vorwaͤrts ſtreckt. Jm Ohr iſt eine duͤnne Wand, Von einer zart- und regen Haut, wie eine Trommel, aus- geſpannt. Drey kleine Knochen trift man hier in dieſer kleinen Kam- mer an, Die man mit Hammer, Amboß, Stegreif an Form, mit Recht, vergleichen kann. Wenn nun der Ton an ſie gekommen, ſo wird er durch die innre Luft, Durch einen krummen Labyrinth, den die Natur im Ohr gemacht, Darauf noch ferner fortgeleitet und in ein Schnecken-Haus gebracht. Durch dieſes wird er ferner noch, durch enge Wege, fort- gefuͤhrt, Biß daß er an ein ausgedehntes und zart- und duͤnnes Nervgen ruͤhrt, Das den empfangnen Ton’, ſo bald als dieſer durch den- ſelben, klingt, Jn das betraͤchtliche Gehirn und zu dem Sitz der Seelen bringt. Von dieſer kleinen Sehne nun, ſoll man, nicht ohn Ver- wundrung, ſehn Viel ungezehlte kleine Zweige durch unſern gantzen Coͤrper gehn; Sie G g 3
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Neu-Jahrs Gedichte.
Wie viel und mancherley derſelben, zu dieſem Zweck,
hervorgebracht.
Jndem der Ton ſtets aufwaͤrts ſteigt, ſo hat der Schoͤpfer
unſern Ohren,
So ſonder Weisheit nicht geſchicht, auch einen hohen Ort
erkohren,
Wohin durch die bewegte Luft, die ſich in Kreiſen ſo bewegt,
Als wenn man durch geworffne Stein’ ein ſonſten ſtilles
Waſſer regt,
Der rege Schall ſich vorwaͤrts ſtreckt. Jm Ohr iſt eine
duͤnne Wand,
Von einer zart- und regen Haut, wie eine Trommel, aus-
geſpannt.
Drey kleine Knochen trift man hier in dieſer kleinen Kam-
mer an,
Die man mit Hammer, Amboß, Stegreif an Form, mit
Recht, vergleichen kann.
Wenn nun der Ton an ſie gekommen, ſo wird er durch
die innre Luft,
Durch einen krummen Labyrinth, den die Natur im Ohr
gemacht,
Darauf noch ferner fortgeleitet und in ein Schnecken-Haus
gebracht.
Durch dieſes wird er ferner noch, durch enge Wege, fort-
gefuͤhrt,
Biß daß er an ein ausgedehntes und zart- und duͤnnes
Nervgen ruͤhrt,
Das den empfangnen Ton’, ſo bald als dieſer durch den-
ſelben, klingt,
Jn das betraͤchtliche Gehirn und zu dem Sitz der Seelen
bringt.
Von dieſer kleinen Sehne nun, ſoll man, nicht ohn Ver-
wundrung, ſehn
Viel ungezehlte kleine Zweige durch unſern gantzen Coͤrper
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