Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Neu-Jahrs Gedichte.
So weit demnach sich die Gedancken strecken,
So tieff wir alle Ding ergründen;
So werden wir doch nichts entdecken,
Was, nach dem Stand', in dem wir uns befinden,
Der GOttheit würdiger zu schencken
Und ihr zu opfern, als allein
Der Glaube. Dieser schließt was in uns groß und klein,
Die Göttliche-zusammt der Selbst-Erkänntniß ein.
Der Glaub' ist ein auf GOtt gegründetes Vertrauen,

Wodurch wir GOtt, als GOtt; und uns, als uns, be-
schauen,

Das GOttes Majestät und Weisheit, Lieb' und Macht
Zum Grund' und Endzweck hat. Ein überführt Gemüthe,
Daß GOtt die Allmacht selbst und die selbständ'ge Güte,
Auch selbst die Weisheit sey, ist das Vollkommenste,
Wozu der Menschen Geist geschickt ist zu gelangen.
Was kann der Schöpfer denn doch würdigers empfangen,
Als diese Kraft, als diese Zuversicht,
Wodurch, da wir uns selbst verliehren, wir verspühren,
Daß wir uns in uns selber nicht,
Nein, in der GOttheit selbst, verlieren?
Unmöglich kann der Mensch in diesem Leben,
Nach seiner Schwachheit, GOtt ein würd'ger Opfer geben.
Es ist der wahre Glaub' ein lebendig Geschäfte,
Ein mächt- und thätig Ding, das unsers Geistes Kräfte,
Zu GOttes Ruhm, vermehrt. Der Glaub' hat GOttes
Huld

Zum steten Augenmerck. Durch ihn gewinnen wir
Zu seinem Worte Lust; in seiner Wercke Zier,
Zum Loben einen Trieb; durch ihn, wird unsre Schuld
Jn
F f 2
Neu-Jahrs Gedichte.
So weit demnach ſich die Gedancken ſtrecken,
So tieff wir alle Ding ergruͤnden;
So werden wir doch nichts entdecken,
Was, nach dem Stand’, in dem wir uns befinden,
Der GOttheit wuͤrdiger zu ſchencken
Und ihr zu opfern, als allein
Der Glaube. Dieſer ſchließt was in uns groß und klein,
Die Goͤttliche-zuſammt der Selbſt-Erkaͤnntniß ein.
Der Glaub’ iſt ein auf GOtt gegruͤndetes Vertrauen,

Wodurch wir GOtt, als GOtt; und uns, als uns, be-
ſchauen,

Das GOttes Majeſtaͤt und Weisheit, Lieb’ und Macht
Zum Grund’ und Endzweck hat. Ein uͤberfuͤhrt Gemuͤthe,
Daß GOtt die Allmacht ſelbſt und die ſelbſtaͤnd’ge Guͤte,
Auch ſelbſt die Weisheit ſey, iſt das Vollkommenſte,
Wozu der Menſchen Geiſt geſchickt iſt zu gelangen.
Was kann der Schoͤpfer denn doch wuͤrdigers empfangen,
Als dieſe Kraft, als dieſe Zuverſicht,
Wodurch, da wir uns ſelbſt verliehren, wir verſpuͤhren,
Daß wir uns in uns ſelber nicht,
Nein, in der GOttheit ſelbſt, verlieren?
Unmoͤglich kann der Menſch in dieſem Leben,
Nach ſeiner Schwachheit, GOtt ein wuͤrd’ger Opfer geben.
Es iſt der wahre Glaub’ ein lebendig Geſchaͤfte,
Ein maͤcht- und thaͤtig Ding, das unſers Geiſtes Kraͤfte,
Zu GOttes Ruhm, vermehrt. Der Glaub’ hat GOttes
Huld

Zum ſteten Augenmerck. Durch ihn gewinnen wir
Zu ſeinem Worte Luſt; in ſeiner Wercke Zier,
Zum Loben einen Trieb; durch ihn, wird unſre Schuld
Jn
F f 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0467" n="451"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="102">
            <l>So weit demnach &#x017F;ich die Gedancken &#x017F;trecken,</l><lb/>
            <l>So tieff wir alle Ding ergru&#x0364;nden;</l><lb/>
            <l>So werden wir doch nichts entdecken,</l><lb/>
            <l>Was, nach dem Stand&#x2019;, in dem wir uns befinden,</l><lb/>
            <l>Der GOttheit wu&#x0364;rdiger zu &#x017F;chencken</l><lb/>
            <l>Und ihr zu opfern, als allein</l><lb/>
            <l>Der <hi rendition="#fr">Glaube.</hi> Die&#x017F;er &#x017F;chließt was in uns groß und klein,</l><lb/>
            <l>Die Go&#x0364;ttliche-zu&#x017F;ammt der Selb&#x017F;t-Erka&#x0364;nntniß ein.<lb/><hi rendition="#fr">Der Glaub&#x2019;</hi> i&#x017F;t ein auf GOtt gegru&#x0364;ndetes Vertrauen,</l><lb/>
            <l>Wodurch wir GOtt, als GOtt; und uns, als uns, be-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chauen,</hi></l><lb/>
            <l>Das GOttes Maje&#x017F;ta&#x0364;t und Weisheit, Lieb&#x2019; und Macht</l><lb/>
            <l>Zum Grund&#x2019; und Endzweck hat. Ein u&#x0364;berfu&#x0364;hrt Gemu&#x0364;the,</l><lb/>
            <l>Daß GOtt die <hi rendition="#fr">Allmacht</hi> &#x017F;elb&#x017F;t und die &#x017F;elb&#x017F;ta&#x0364;nd&#x2019;ge <hi rendition="#fr">Gu&#x0364;te,</hi></l><lb/>
            <l>Auch &#x017F;elb&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Weisheit</hi> &#x017F;ey, i&#x017F;t das Vollkommen&#x017F;te,</l><lb/>
            <l>Wozu der Men&#x017F;chen Gei&#x017F;t ge&#x017F;chickt i&#x017F;t zu gelangen.</l><lb/>
            <l>Was kann der Scho&#x0364;pfer denn doch wu&#x0364;rdigers empfangen,</l><lb/>
            <l>Als die&#x017F;e Kraft, als die&#x017F;e Zuver&#x017F;icht,</l><lb/>
            <l>Wodurch, da wir uns &#x017F;elb&#x017F;t verliehren, wir ver&#x017F;pu&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Daß wir uns in uns &#x017F;elber nicht,</l><lb/>
            <l>Nein, in der GOttheit &#x017F;elb&#x017F;t, verlieren?</l><lb/>
            <l>Unmo&#x0364;glich kann der Men&#x017F;ch in die&#x017F;em Leben,</l><lb/>
            <l>Nach &#x017F;einer Schwachheit, GOtt ein wu&#x0364;rd&#x2019;ger Opfer geben.</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t der wahre <hi rendition="#fr">Glaub&#x2019;</hi> ein lebendig Ge&#x017F;cha&#x0364;fte,</l><lb/>
            <l>Ein ma&#x0364;cht- und tha&#x0364;tig Ding, das un&#x017F;ers Gei&#x017F;tes Kra&#x0364;fte,</l><lb/>
            <l>Zu GOttes Ruhm, vermehrt. Der <hi rendition="#fr">Glaub&#x2019;</hi> hat GOttes<lb/><hi rendition="#et">Huld</hi></l><lb/>
            <l>Zum &#x017F;teten Augenmerck. Durch ihn gewinnen wir</l><lb/>
            <l>Zu &#x017F;einem Worte Lu&#x017F;t; in &#x017F;einer Wercke Zier,</l><lb/>
            <l>Zum Loben einen Trieb; durch ihn, wird un&#x017F;re Schuld</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">F f 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[451/0467] Neu-Jahrs Gedichte. So weit demnach ſich die Gedancken ſtrecken, So tieff wir alle Ding ergruͤnden; So werden wir doch nichts entdecken, Was, nach dem Stand’, in dem wir uns befinden, Der GOttheit wuͤrdiger zu ſchencken Und ihr zu opfern, als allein Der Glaube. Dieſer ſchließt was in uns groß und klein, Die Goͤttliche-zuſammt der Selbſt-Erkaͤnntniß ein. Der Glaub’ iſt ein auf GOtt gegruͤndetes Vertrauen, Wodurch wir GOtt, als GOtt; und uns, als uns, be- ſchauen, Das GOttes Majeſtaͤt und Weisheit, Lieb’ und Macht Zum Grund’ und Endzweck hat. Ein uͤberfuͤhrt Gemuͤthe, Daß GOtt die Allmacht ſelbſt und die ſelbſtaͤnd’ge Guͤte, Auch ſelbſt die Weisheit ſey, iſt das Vollkommenſte, Wozu der Menſchen Geiſt geſchickt iſt zu gelangen. Was kann der Schoͤpfer denn doch wuͤrdigers empfangen, Als dieſe Kraft, als dieſe Zuverſicht, Wodurch, da wir uns ſelbſt verliehren, wir verſpuͤhren, Daß wir uns in uns ſelber nicht, Nein, in der GOttheit ſelbſt, verlieren? Unmoͤglich kann der Menſch in dieſem Leben, Nach ſeiner Schwachheit, GOtt ein wuͤrd’ger Opfer geben. Es iſt der wahre Glaub’ ein lebendig Geſchaͤfte, Ein maͤcht- und thaͤtig Ding, das unſers Geiſtes Kraͤfte, Zu GOttes Ruhm, vermehrt. Der Glaub’ hat GOttes Huld Zum ſteten Augenmerck. Durch ihn gewinnen wir Zu ſeinem Worte Luſt; in ſeiner Wercke Zier, Zum Loben einen Trieb; durch ihn, wird unſre Schuld Jn F f 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/467
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/467>, abgerufen am 02.10.2024.