Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Neu-Jahrs Gedichte.

Und für wen er in dieselbe solche Kunst und Eigenschaft,
Solche Bildung, solche Farben, solche Schönheit, solche Kraft
Eingesencket und geleget? wahrlich für sie selber nicht;
Weil sie selbst von sich nichts wissen. Hieraus fließt der
Unterricht,
Daß, da ihnen selbst zum Besten ihre Schöpfung nicht
geschehen,
GOtt auf andrer Creaturen Lust und Nutz durch sie gesehen.
Zeigt dieß keine Providentz? Eben auch, wenn Kräuter hie,
Und an andern Orten nicht, wachsen und gedeyen wollen,
Zeigt sie deutlich, daß sie hier, aber dort nicht, wachsen sollen.
Wenn nun an den Creaturen, welche sonder Leben seyn,
Und bey welchen Thier und Menschen etwas noch verändern
können,
Sich die Göttliche Vorsehung, in so hellem Licht und Schein,
Und unwiedersprechlich zeiget, ist sie minder noch zu trennen
Von den Dingen, welche wir dergestalt beschaffen finden,
Daß kein lebendes Geschöpf Aendrung taugt darin zu machen.
Denn obgleich, wenn's schneit und regnet, und wenn wil-
de Wetter krachen,
Alles aus natürlichen Grund- und Ordnungen geschicht;
So wird doch mit Recht gefraget: Wer die Ordnung der
Natur,
Wie sie ist, zuerst gemachet, und so weislich eingericht?
Also siehet man auch hier, mit Verwunderung, die Spur
Einer Göttlichen Regirung. Laßt uns denn nun weiter
gehn,
Und die lebenden Geschöpfe, welche nicht vernünfftig, sehn!

Daß auch die in Göttlicher Vorsorg' und Regirung stehn,
Zeigt die Schrifft und die Vernunft. Wie auch GOtt die
Vögel nähret;
Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret.

Sie-

Neu-Jahrs Gedichte.

Und fuͤr wen er in dieſelbe ſolche Kunſt und Eigenſchaft,
Solche Bildung, ſolche Farben, ſolche Schoͤnheit, ſolche Kraft
Eingeſencket und geleget? wahrlich fuͤr ſie ſelber nicht;
Weil ſie ſelbſt von ſich nichts wiſſen. Hieraus fließt der
Unterricht,
Daß, da ihnen ſelbſt zum Beſten ihre Schoͤpfung nicht
geſchehen,
GOtt auf andrer Creaturen Luſt und Nutz durch ſie geſehen.
Zeigt dieß keine Providentz? Eben auch, wenn Kraͤuter hie,
Und an andern Orten nicht, wachſen und gedeyen wollen,
Zeigt ſie deutlich, daß ſie hier, aber dort nicht, wachſen ſollen.
Wenn nun an den Creaturen, welche ſonder Leben ſeyn,
Und bey welchen Thier und Menſchen etwas noch veraͤndern
koͤnnen,
Sich die Goͤttliche Vorſehung, in ſo hellem Licht und Schein,
Und unwiederſprechlich zeiget, iſt ſie minder noch zu trennen
Von den Dingen, welche wir dergeſtalt beſchaffen finden,
Daß kein lebendes Geſchoͤpf Aendrung taugt darin zu machen.
Denn obgleich, wenn’s ſchneit und regnet, und wenn wil-
de Wetter krachen,
Alles aus natuͤrlichen Grund- und Ordnungen geſchicht;
So wird doch mit Recht gefraget: Wer die Ordnung der
Natur,
Wie ſie iſt, zuerſt gemachet, und ſo weislich eingericht?
Alſo ſiehet man auch hier, mit Verwunderung, die Spur
Einer Goͤttlichen Regirung. Laßt uns denn nun weiter
gehn,
Und die lebenden Geſchoͤpfe, welche nicht vernuͤnfftig, ſehn!

Daß auch die in Goͤttlicher Vorſorg’ und Regirung ſtehn,
Zeigt die Schrifft und die Vernunft. Wie auch GOtt die
Voͤgel naͤhret;
Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret.

Sie-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0426" n="410"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="27">
            <l>Und fu&#x0364;r wen er in die&#x017F;elbe &#x017F;olche Kun&#x017F;t und Eigen&#x017F;chaft,</l><lb/>
            <l>Solche Bildung, &#x017F;olche Farben, &#x017F;olche Scho&#x0364;nheit, &#x017F;olche Kraft</l><lb/>
            <l>Einge&#x017F;encket und geleget? wahrlich fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x017F;elber nicht;</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t von &#x017F;ich nichts wi&#x017F;&#x017F;en. Hieraus fließt der<lb/><hi rendition="#et">Unterricht,</hi></l><lb/>
            <l>Daß, da ihnen &#x017F;elb&#x017F;t zum Be&#x017F;ten ihre Scho&#x0364;pfung nicht<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chehen,</hi></l><lb/>
            <l>GOtt auf andrer Creaturen Lu&#x017F;t und Nutz durch &#x017F;ie ge&#x017F;ehen.</l><lb/>
            <l>Zeigt dieß keine Providentz? Eben auch, wenn Kra&#x0364;uter hie,</l><lb/>
            <l>Und an andern Orten nicht, wach&#x017F;en und gedeyen wollen,</l><lb/>
            <l>Zeigt &#x017F;ie deutlich, daß &#x017F;ie hier, aber dort nicht, wach&#x017F;en &#x017F;ollen.</l><lb/>
            <l>Wenn nun an den Creaturen, welche <hi rendition="#fr">&#x017F;onder Leben</hi> &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Und bey welchen Thier und Men&#x017F;chen etwas noch vera&#x0364;ndern<lb/><hi rendition="#et">ko&#x0364;nnen,</hi></l><lb/>
            <l>Sich die Go&#x0364;ttliche Vor&#x017F;ehung, in &#x017F;o hellem Licht und Schein,</l><lb/>
            <l>Und unwieder&#x017F;prechlich zeiget, i&#x017F;t &#x017F;ie minder noch zu trennen</l><lb/>
            <l>Von den Dingen, welche wir derge&#x017F;talt be&#x017F;chaffen finden,</l><lb/>
            <l>Daß kein lebendes Ge&#x017F;cho&#x0364;pf Aendrung taugt darin zu machen.</l><lb/>
            <l>Denn obgleich, wenn&#x2019;s &#x017F;chneit und regnet, und wenn wil-<lb/><hi rendition="#et">de Wetter krachen,</hi></l><lb/>
            <l>Alles aus natu&#x0364;rlichen Grund- und Ordnungen ge&#x017F;chicht;</l><lb/>
            <l>So wird doch mit Recht gefraget: Wer die Ordnung der<lb/><hi rendition="#et">Natur,</hi></l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ie i&#x017F;t, zuer&#x017F;t gemachet, und &#x017F;o weislich eingericht?</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;iehet man auch hier, mit Verwunderung, die Spur</l><lb/>
            <l>Einer Go&#x0364;ttlichen Regirung. Laßt uns denn nun weiter<lb/><hi rendition="#et">gehn,</hi></l><lb/>
            <l>Und <hi rendition="#fr">die lebenden Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, welche nicht vernu&#x0364;nfftig,</hi> &#x017F;ehn!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="28">
            <l>Daß auch die in Go&#x0364;ttlicher Vor&#x017F;org&#x2019; und Regirung &#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Zeigt die Schrifft und die Vernunft. Wie auch GOtt die<lb/><hi rendition="#et">Vo&#x0364;gel na&#x0364;hret;</hi></l><lb/>
            <l>Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[410/0426] Neu-Jahrs Gedichte. Und fuͤr wen er in dieſelbe ſolche Kunſt und Eigenſchaft, Solche Bildung, ſolche Farben, ſolche Schoͤnheit, ſolche Kraft Eingeſencket und geleget? wahrlich fuͤr ſie ſelber nicht; Weil ſie ſelbſt von ſich nichts wiſſen. Hieraus fließt der Unterricht, Daß, da ihnen ſelbſt zum Beſten ihre Schoͤpfung nicht geſchehen, GOtt auf andrer Creaturen Luſt und Nutz durch ſie geſehen. Zeigt dieß keine Providentz? Eben auch, wenn Kraͤuter hie, Und an andern Orten nicht, wachſen und gedeyen wollen, Zeigt ſie deutlich, daß ſie hier, aber dort nicht, wachſen ſollen. Wenn nun an den Creaturen, welche ſonder Leben ſeyn, Und bey welchen Thier und Menſchen etwas noch veraͤndern koͤnnen, Sich die Goͤttliche Vorſehung, in ſo hellem Licht und Schein, Und unwiederſprechlich zeiget, iſt ſie minder noch zu trennen Von den Dingen, welche wir dergeſtalt beſchaffen finden, Daß kein lebendes Geſchoͤpf Aendrung taugt darin zu machen. Denn obgleich, wenn’s ſchneit und regnet, und wenn wil- de Wetter krachen, Alles aus natuͤrlichen Grund- und Ordnungen geſchicht; So wird doch mit Recht gefraget: Wer die Ordnung der Natur, Wie ſie iſt, zuerſt gemachet, und ſo weislich eingericht? Alſo ſiehet man auch hier, mit Verwunderung, die Spur Einer Goͤttlichen Regirung. Laßt uns denn nun weiter gehn, Und die lebenden Geſchoͤpfe, welche nicht vernuͤnfftig, ſehn! Daß auch die in Goͤttlicher Vorſorg’ und Regirung ſtehn, Zeigt die Schrifft und die Vernunft. Wie auch GOtt die Voͤgel naͤhret; Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret. Sie-

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/426
Zitationshilfe:	Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/426>, abgerufen am 04.10.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.