Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Auf diese Weise wird der GOttheit Licht und Schein Am herrlichsten erkannt, gerühmet und gepriesen; Man wird zugleich, was er auch uns erwiesen, Was er für eine Kraft in unsern Geist gesencket, Und wie, wenn man von ihm was würdiges gedencket, Wir ihn, durch uns, uns selbst in ihm, erhöh'n, Recht überzeuglich sehn. Selbständige Weisheit! selbständige Güte! Unendlicher Ursprung der ewigen Wahrheit! Erleuchte du selbst mein verfinstert Gemüthe Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit! Die Wunder, die Himmel und Erden erfüllen, Entstehen aus deinem allmächtigen Willen; Bestehen durch deine beständige Macht; Geschehen, wie du es vorhero gedacht! Daß unzähliche Geschöpfe in den Himmeln, auf der Welt, Durch die Allmachts-volle GOttheit sind erschaffen und vorhanden, Daß zugleich sein weiser Wille solche Creatur erhält, Haben wir in vor'gem Jahr, wie bereits gesagt, verstanden; Wären nun die Creaturen, der Natur nach, und in sich, Nicht der Aendrung unterworffen, sondern unveränderlich; Würde, nebst derselben Schöpfung, die Erhaltung blos allein, Zu derselben Daur und Wesen, unumgänglich nöthig seyn. Aber da die Creatur bald sich ändert, bald vergehet, Stirbet, aufgelöset wird, kömmt, verweset und entstehet, Und doch alles, nach der Maasse, Ordnung, Regeln und Gewicht, Sich verändert, sich beweget, steht, vergehet und geschicht; Sieht C c 2
Neu-Jahrs Gedichte. Auf dieſe Weiſe wird der GOttheit Licht und Schein Am herrlichſten erkannt, geruͤhmet und geprieſen; Man wird zugleich, was er auch uns erwieſen, Was er fuͤr eine Kraft in unſern Geiſt geſencket, Und wie, wenn man von ihm was wuͤrdiges gedencket, Wir ihn, durch uns, uns ſelbſt in ihm, erhoͤh’n, Recht uͤberzeuglich ſehn. Selbſtaͤndige Weisheit! ſelbſtaͤndige Guͤte! Unendlicher Urſprung der ewigen Wahrheit! Erleuchte du ſelbſt mein verfinſtert Gemuͤthe Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit! Die Wunder, die Himmel und Erden erfuͤllen, Entſtehen aus deinem allmaͤchtigen Willen; Beſtehen durch deine beſtaͤndige Macht; Geſchehen, wie du es vorhero gedacht! Daß unzaͤhliche Geſchoͤpfe in den Himmeln, auf der Welt, Durch die Allmachts-volle GOttheit ſind erſchaffen und vorhanden, Daß zugleich ſein weiſer Wille ſolche Creatur erhaͤlt, Haben wir in vor’gem Jahr, wie bereits geſagt, verſtanden; Waͤren nun die Creaturen, der Natur nach, und in ſich, Nicht der Aendrung unterworffen, ſondern unveraͤnderlich; Wuͤrde, nebſt derſelben Schoͤpfung, die Erhaltung blos allein, Zu derſelben Daur und Weſen, unumgaͤnglich noͤthig ſeyn. Aber da die Creatur bald ſich aͤndert, bald vergehet, Stirbet, aufgeloͤſet wird, koͤmmt, verweſet und entſtehet, Und doch alles, nach der Maaſſe, Ordnung, Regeln und Gewicht, Sich veraͤndert, ſich beweget, ſteht, vergehet und geſchicht; Sieht C c 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0419" n="403"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg n="10"> <l>Auf dieſe Weiſe wird der GOttheit Licht und Schein</l><lb/> <l>Am herrlichſten erkannt, geruͤhmet und geprieſen;</l><lb/> <l>Man wird zugleich, was er auch uns erwieſen,</l><lb/> <l>Was er fuͤr eine Kraft in unſern Geiſt geſencket,</l><lb/> <l>Und wie, wenn man von ihm was wuͤrdiges gedencket,</l><lb/> <l>Wir ihn, durch uns, uns ſelbſt in ihm, erhoͤh’n,</l><lb/> <l>Recht uͤberzeuglich ſehn.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l> <hi rendition="#fr">Selbſtaͤndige Weisheit! ſelbſtaͤndige Guͤte!</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Unendlicher Urſprung der ewigen Wahrheit!</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Erleuchte du ſelbſt mein verfinſtert Gemuͤthe</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit!</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Die Wunder, die Himmel und Erden erfuͤllen,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Entſtehen aus deinem allmaͤchtigen Willen;</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Beſtehen durch deine beſtaͤndige Macht;</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Geſchehen, wie du es vorhero gedacht!</hi> </l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="12"> <l><hi rendition="#in">D</hi>aß unzaͤhliche Geſchoͤpfe in den Himmeln, auf der Welt,</l><lb/> <l>Durch die Allmachts-volle GOttheit ſind erſchaffen und<lb/><hi rendition="#et">vorhanden,</hi></l><lb/> <l>Daß zugleich ſein weiſer Wille ſolche Creatur erhaͤlt,</l><lb/> <l>Haben wir in vor’gem Jahr, wie bereits geſagt, verſtanden;</l><lb/> <l>Waͤren nun die Creaturen, der Natur nach, und in ſich,</l><lb/> <l>Nicht der Aendrung unterworffen, ſondern unveraͤnderlich;</l><lb/> <l>Wuͤrde, nebſt derſelben <hi rendition="#fr">Schoͤpfung,</hi> die <hi rendition="#fr">Erhaltung</hi> blos<lb/><hi rendition="#et">allein,</hi></l><lb/> <l>Zu derſelben Daur und Weſen, unumgaͤnglich noͤthig ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Aber da die Creatur bald ſich aͤndert, bald vergehet,</l><lb/> <l>Stirbet, aufgeloͤſet wird, koͤmmt, verweſet und entſtehet,</l><lb/> <l>Und doch alles, nach der Maaſſe, Ordnung, Regeln und<lb/><hi rendition="#et">Gewicht,</hi></l><lb/> <l>Sich veraͤndert, ſich beweget, ſteht, vergehet und geſchicht;</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">C c 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Sieht</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [403/0419]
Neu-Jahrs Gedichte.
Auf dieſe Weiſe wird der GOttheit Licht und Schein
Am herrlichſten erkannt, geruͤhmet und geprieſen;
Man wird zugleich, was er auch uns erwieſen,
Was er fuͤr eine Kraft in unſern Geiſt geſencket,
Und wie, wenn man von ihm was wuͤrdiges gedencket,
Wir ihn, durch uns, uns ſelbſt in ihm, erhoͤh’n,
Recht uͤberzeuglich ſehn.
Selbſtaͤndige Weisheit! ſelbſtaͤndige Guͤte!
Unendlicher Urſprung der ewigen Wahrheit!
Erleuchte du ſelbſt mein verfinſtert Gemuͤthe
Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit!
Die Wunder, die Himmel und Erden erfuͤllen,
Entſtehen aus deinem allmaͤchtigen Willen;
Beſtehen durch deine beſtaͤndige Macht;
Geſchehen, wie du es vorhero gedacht!
Daß unzaͤhliche Geſchoͤpfe in den Himmeln, auf der Welt,
Durch die Allmachts-volle GOttheit ſind erſchaffen und
vorhanden,
Daß zugleich ſein weiſer Wille ſolche Creatur erhaͤlt,
Haben wir in vor’gem Jahr, wie bereits geſagt, verſtanden;
Waͤren nun die Creaturen, der Natur nach, und in ſich,
Nicht der Aendrung unterworffen, ſondern unveraͤnderlich;
Wuͤrde, nebſt derſelben Schoͤpfung, die Erhaltung blos
allein,
Zu derſelben Daur und Weſen, unumgaͤnglich noͤthig ſeyn.
Aber da die Creatur bald ſich aͤndert, bald vergehet,
Stirbet, aufgeloͤſet wird, koͤmmt, verweſet und entſtehet,
Und doch alles, nach der Maaſſe, Ordnung, Regeln und
Gewicht,
Sich veraͤndert, ſich beweget, ſteht, vergehet und geſchicht;
Sieht
C c 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/419 |
Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/419>, abgerufen am 16.02.2025. |