Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Vermehrung vergnügter Tage.
Bey aufgeklärter Luft, im warmen Sonnen-Strahl,
Spricht mancher Mensch noch wol einmahl:
Heut ist das Wetter schön!
Kaum aber hat er dieß gesprochen,
(Als wäre GOtt nun Ehre gnug geschehn)
Wird seine Red' und Lust gleich abgebrochen.
Er läßt den gantzen Tag vergehn,
Ohn an desselben Pracht und an der Sonnen Schätzen
Sich im geringsten zu ergetzen,
Und sie gerühret anzusehn;
Da, wenn wir recht vernünftig handeln wollten,
Wir billig überlegen sollten,
Daß ja ein schöner Tag, aus vielen Viertel-Stunden,
Noch mehr Minuten und Secunden,
Jn seiner Pracht besteht,
Daß jeder Augenblick, wenn man es nur bedenckt,
Uns eine neue Lust und solche Freude schenckt,
Die uns ein gantzer Tag
Der ungefühlt verstreicht zu geben nicht vermag.
Wir theilen sonst die Zeit
Durch Uhren ein:
Warum wird doch der Anmuth Flüchtigkeit
Durch Theile nicht gehemmt? Ach würde, GOtt zu Ehren,
Auch unsre Lust zugleich dadurch zu mehren,
Bey schönem Wetter doch zum öftern überdacht:
Aufs neu' hab ich ein Theil von meinem Leben,
Das mir der Schöpfer hat gegeben,
Jm schönen Sonnen-Licht, GOTT Lob! ver-
gnügt verbracht:
Hie-
Vermehrung vergnuͤgter Tage.
Bey aufgeklaͤrter Luft, im warmen Sonnen-Strahl,
Spricht mancher Menſch noch wol einmahl:
Heut iſt das Wetter ſchoͤn!
Kaum aber hat er dieß geſprochen,
(Als waͤre GOtt nun Ehre gnug geſchehn)
Wird ſeine Red’ und Luſt gleich abgebrochen.
Er laͤßt den gantzen Tag vergehn,
Ohn an deſſelben Pracht und an der Sonnen Schaͤtzen
Sich im geringſten zu ergetzen,
Und ſie geruͤhret anzuſehn;
Da, wenn wir recht vernuͤnftig handeln wollten,
Wir billig uͤberlegen ſollten,
Daß ja ein ſchoͤner Tag, aus vielen Viertel-Stunden,
Noch mehr Minuten und Secunden,
Jn ſeiner Pracht beſteht,
Daß jeder Augenblick, wenn man es nur bedenckt,
Uns eine neue Luſt und ſolche Freude ſchenckt,
Die uns ein gantzer Tag
Der ungefuͤhlt verſtreicht zu geben nicht vermag.
Wir theilen ſonſt die Zeit
Durch Uhren ein:
Warum wird doch der Anmuth Fluͤchtigkeit
Durch Theile nicht gehemmt? Ach wuͤrde, GOtt zu Ehren,
Auch unſre Luſt zugleich dadurch zu mehren,
Bey ſchoͤnem Wetter doch zum oͤftern uͤberdacht:
Aufs neu’ hab ich ein Theil von meinem Leben,
Das mir der Schoͤpfer hat gegeben,
Jm ſchoͤnen Sonnen-Licht, GOTT Lob! ver-
gnuͤgt verbracht:
Hie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0372" n="356"/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Vermehrung vergnu&#x0364;gter Tage.</hi> </head><lb/>
          <lg n="5">
            <l><hi rendition="#in">B</hi>ey aufgekla&#x0364;rter Luft, im warmen Sonnen-Strahl,</l><lb/>
            <l>Spricht mancher Men&#x017F;ch noch wol einmahl:</l><lb/>
            <l>Heut i&#x017F;t das Wetter &#x017F;cho&#x0364;n!</l><lb/>
            <l>Kaum aber hat er dieß ge&#x017F;prochen,<lb/>
(Als wa&#x0364;re GOtt nun Ehre gnug ge&#x017F;chehn)</l><lb/>
            <l>Wird &#x017F;eine Red&#x2019; und Lu&#x017F;t gleich abgebrochen.</l><lb/>
            <l>Er la&#x0364;ßt den gantzen Tag vergehn,</l><lb/>
            <l>Ohn an de&#x017F;&#x017F;elben Pracht und an der Sonnen Scha&#x0364;tzen</l><lb/>
            <l>Sich im gering&#x017F;ten zu ergetzen,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie geru&#x0364;hret anzu&#x017F;ehn;</l><lb/>
            <l>Da, wenn wir recht vernu&#x0364;nftig handeln wollten,</l><lb/>
            <l>Wir billig u&#x0364;berlegen &#x017F;ollten,</l><lb/>
            <l>Daß ja ein &#x017F;cho&#x0364;ner Tag, aus vielen Viertel-Stunden,</l><lb/>
            <l>Noch mehr Minuten und Secunden,</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;einer Pracht be&#x017F;teht,</l><lb/>
            <l>Daß jeder Augenblick, wenn man es nur bedenckt,</l><lb/>
            <l>Uns eine neue Lu&#x017F;t und &#x017F;olche Freude &#x017F;chenckt,</l><lb/>
            <l>Die uns ein gantzer Tag</l><lb/>
            <l>Der ungefu&#x0364;hlt ver&#x017F;treicht zu geben nicht vermag.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Wir theilen &#x017F;on&#x017F;t die Zeit</l><lb/>
            <l>Durch Uhren ein:</l><lb/>
            <l>Warum wird doch der Anmuth Flu&#x0364;chtigkeit</l><lb/>
            <l>Durch Theile nicht gehemmt? Ach wu&#x0364;rde, GOtt zu Ehren,</l><lb/>
            <l>Auch un&#x017F;re Lu&#x017F;t zugleich dadurch zu mehren,</l><lb/>
            <l>Bey &#x017F;cho&#x0364;nem Wetter doch zum o&#x0364;ftern u&#x0364;berdacht:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l> <hi rendition="#fr">Aufs neu&#x2019; hab ich ein Theil von meinem Leben,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Das mir der Scho&#x0364;pfer hat gegeben,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Jm &#x017F;cho&#x0364;nen Sonnen-Licht, GOTT Lob! ver-<lb/><hi rendition="#et">gnu&#x0364;gt verbracht:</hi></hi> </l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Hie-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0372] Vermehrung vergnuͤgter Tage. Bey aufgeklaͤrter Luft, im warmen Sonnen-Strahl, Spricht mancher Menſch noch wol einmahl: Heut iſt das Wetter ſchoͤn! Kaum aber hat er dieß geſprochen, (Als waͤre GOtt nun Ehre gnug geſchehn) Wird ſeine Red’ und Luſt gleich abgebrochen. Er laͤßt den gantzen Tag vergehn, Ohn an deſſelben Pracht und an der Sonnen Schaͤtzen Sich im geringſten zu ergetzen, Und ſie geruͤhret anzuſehn; Da, wenn wir recht vernuͤnftig handeln wollten, Wir billig uͤberlegen ſollten, Daß ja ein ſchoͤner Tag, aus vielen Viertel-Stunden, Noch mehr Minuten und Secunden, Jn ſeiner Pracht beſteht, Daß jeder Augenblick, wenn man es nur bedenckt, Uns eine neue Luſt und ſolche Freude ſchenckt, Die uns ein gantzer Tag Der ungefuͤhlt verſtreicht zu geben nicht vermag. Wir theilen ſonſt die Zeit Durch Uhren ein: Warum wird doch der Anmuth Fluͤchtigkeit Durch Theile nicht gehemmt? Ach wuͤrde, GOtt zu Ehren, Auch unſre Luſt zugleich dadurch zu mehren, Bey ſchoͤnem Wetter doch zum oͤftern uͤberdacht: Aufs neu’ hab ich ein Theil von meinem Leben, Das mir der Schoͤpfer hat gegeben, Jm ſchoͤnen Sonnen-Licht, GOTT Lob! ver- gnuͤgt verbracht: Hie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/372
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/372>, abgerufen am 25.11.2024.