Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze Zier und Ehr', Mit deiner Farben Glantz und Schein! Jch seh' dich nun und nimmermehr. Die Stunde, da du must vergehn, bricht bald heran, sie ist schon nah, Und eben, da ich mit dir rede, bricht sie herein, sie ist schon da. Du wickelst dich in dich zusammen, verschrumpfst, ver- lierest Farb und Glantz, Verwelckst, verkömmst, verdirbest gantz, Und zwar so schleunig und so schnell, daß jedermann, Die grosse Flüchtigkeit nicht gnug bewundern kann.
Nun scheint zwar deine kurtze Dauer und dein so plötzliches Vergehen Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man es recht erweget, Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichsam Platz zu machen pfleget; So fühlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge- het, nicht; Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes Scheiden Ersetzen, und, so wie es auch bey uns nicht weniger geschicht, Die Stelle wiederum bekleiden; Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr so kurtze Zeit bestehet, Und gleichsam, mit nie stillen Schritten, nur andern aus dem Wege gehet,
Uns
U 4
ZurFlos admirabilis.
Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze Zier und Ehr’, Mit deiner Farben Glantz und Schein! Jch ſeh’ dich nun und nimmermehr. Die Stunde, da du muſt vergehn, bricht bald heran, ſie iſt ſchon nah, Und eben, da ich mit dir rede, bricht ſie herein, ſie iſt ſchon da. Du wickelſt dich in dich zuſammen, verſchrumpfſt, ver- liereſt Farb und Glantz, Verwelckſt, verkoͤmmſt, verdirbeſt gantz, Und zwar ſo ſchleunig und ſo ſchnell, daß jedermann, Die groſſe Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann.
Nun ſcheint zwar deine kurtze Dauer und dein ſo ploͤtzliches Vergehen Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man es recht erweget, Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichſam Platz zu machen pfleget; So fuͤhlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge- het, nicht; Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes Scheiden Erſetzen, und, ſo wie es auch bey uns nicht weniger geſchicht, Die Stelle wiederum bekleiden; Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr ſo kurtze Zeit beſtehet, Und gleichſam, mit nie ſtillen Schritten, nur andern aus dem Wege gehet,
Uns
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Zur Flos admirabilis.
Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze
Zier und Ehr’,
Mit deiner Farben Glantz und Schein!
Jch ſeh’ dich nun und nimmermehr.
Die Stunde, da du muſt vergehn, bricht bald heran, ſie
iſt ſchon nah,
Und eben, da ich mit dir rede, bricht ſie herein, ſie iſt
ſchon da.
Du wickelſt dich in dich zuſammen, verſchrumpfſt, ver-
liereſt Farb und Glantz,
Verwelckſt, verkoͤmmſt, verdirbeſt gantz,
Und zwar ſo ſchleunig und ſo ſchnell, daß jedermann,
Die groſſe Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann.
Nun ſcheint zwar deine kurtze Dauer und dein ſo
ploͤtzliches Vergehen
Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man
es recht erweget,
Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichſam Platz
zu machen pfleget;
So fuͤhlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge-
het, nicht;
Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes
Scheiden
Erſetzen, und, ſo wie es auch bey uns nicht weniger
geſchicht,
Die Stelle wiederum bekleiden;
Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr ſo kurtze Zeit
beſtehet,
Und gleichſam, mit nie ſtillen Schritten, nur andern aus
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/327>, abgerufen am 16.02.2025.
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