Wie lange bist du doch in deiner Lebens-Zeit Mit seh'nden Augen blind, und bleibst der Eitelkeit, Des Uebermuths und der Gewohnheit Knecht? Es scheint ein Blümchen dir zu schlecht, Ein Blättgen scheint dir zu geringe, Ein Knöspchen scheinet dir zu klein, Kein Gräschen deines Geists und Denckens wehrt zu seyn; Da doch dem allerkleinsten Dinge, Wenn man es mit Vernunft erwegt, Ein kräftiger Beweis vom Schöpfer eingeprägt.
Läßt jegliches Gewächs nun unsre Seelen, Wenn man nur sehen will, den Schöpfer sehn; So kann es folglich auch nicht fehlen Jhr muß aus jeglichem, Lust, Lieb' und Lob entstehn. Jndem ein sich also betragendes Gemüth Darinnen überall ein Göttlich Licht entdecket, Jn allem seine Macht und weise Liebe sieht, Und seine Freundlichkeit in allem schmecket.
[Abbildung]
GOtt
Unverantwortliche Geringſchaͤtzung der Geſchoͤpfe.
Wie lange biſt du doch in deiner Lebens-Zeit Mit ſeh’nden Augen blind, und bleibſt der Eitelkeit, Des Uebermuths und der Gewohnheit Knecht? Es ſcheint ein Bluͤmchen dir zu ſchlecht, Ein Blaͤttgen ſcheint dir zu geringe, Ein Knoͤſpchen ſcheinet dir zu klein, Kein Graͤschen deines Geiſts und Denckens wehrt zu ſeyn; Da doch dem allerkleinſten Dinge, Wenn man es mit Vernunft erwegt, Ein kraͤftiger Beweis vom Schoͤpfer eingepraͤgt.
Laͤßt jegliches Gewaͤchs nun unſre Seelen, Wenn man nur ſehen will, den Schoͤpfer ſehn; So kann es folglich auch nicht fehlen Jhr muß aus jeglichem, Luſt, Lieb’ und Lob entſtehn. Jndem ein ſich alſo betragendes Gemuͤth Darinnen uͤberall ein Goͤttlich Licht entdecket, Jn allem ſeine Macht und weiſe Liebe ſieht, Und ſeine Freundlichkeit in allem ſchmecket.
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GOtt
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Unverantwortliche Geringſchaͤtzung
der Geſchoͤpfe.
Wie lange biſt du doch in deiner Lebens-Zeit
Mit ſeh’nden Augen blind, und bleibſt der Eitelkeit,
Des Uebermuths und der Gewohnheit Knecht?
Es ſcheint ein Bluͤmchen dir zu ſchlecht,
Ein Blaͤttgen ſcheint dir zu geringe,
Ein Knoͤſpchen ſcheinet dir zu klein,
Kein Graͤschen deines Geiſts und Denckens wehrt zu ſeyn;
Da doch dem allerkleinſten Dinge,
Wenn man es mit Vernunft erwegt,
Ein kraͤftiger Beweis vom Schoͤpfer eingepraͤgt.
Laͤßt jegliches Gewaͤchs nun unſre Seelen,
Wenn man nur ſehen will, den Schoͤpfer ſehn;
So kann es folglich auch nicht fehlen
Jhr muß aus jeglichem, Luſt, Lieb’ und Lob entſtehn.
Jndem ein ſich alſo betragendes Gemuͤth
Darinnen uͤberall ein Goͤttlich Licht entdecket,
Jn allem ſeine Macht und weiſe Liebe ſieht,
Und ſeine Freundlichkeit in allem ſchmecket.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/316>, abgerufen am 16.02.2025.
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