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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Nützliche Ungewißheit.
Dasjenige, was er geglaubt, für wahr,
Für deutlich angesehn und überzeuglich klar;
Ob sie gleich allesammt geirrt,
Und sich einander selbst verwirrt.
Nun sind sie weise ja, im hohen Grad, gewesen,
Wovon wir Proben gnug in ihren Schriften lesen:
Was überzeugt denn mich, daß ich nicht irren könne,
Und daß ich gleichfals mich nicht von der Wahrheit trenne?
Ja, daß die Nachwelt uns, daß wir in Jrthum stecken,
Wie wir der Vorwelt es gezeigt, einst wird entdecken?
Der Zweiffel löst sich bald: Wir wissen,
Daß unser Wissen nichts, als Stückwerck sey;
Und wir daher, wie billig glauben müssen.
Nechst diesem steckt hierin noch zweyerley:
Die Ungewißheit aller Sachen,
Besinnen wir uns recht,
Soll billig gegen GOtt uns ehrerbietig machen,
Und voll Verträglichkeit fürs menschliche Geschlecht.
Erkennet man, daß man nichts weiß;
Gereicht es ja zu GOttes Preis,
Weil man bey ihm allein die wahre Weißheit findet.
Das andre, welches auch in der Erkänntniß steckt,
Jst, daß, da man der Menschen Schwäch' entdeckt;
Zur Nächsten-Lieb' uns der Begriff verbindet:
Denn soll mein Nächster sich mit meiner Schwachheit plagen;
Warum will ich die seine nicht vertragen?
[Abbildung]
Un-
Nuͤtzliche Ungewißheit.
Dasjenige, was er geglaubt, fuͤr wahr,
Fuͤr deutlich angeſehn und uͤberzeuglich klar;
Ob ſie gleich alleſammt geirrt,
Und ſich einander ſelbſt verwirrt.
Nun ſind ſie weiſe ja, im hohen Grad, geweſen,
Wovon wir Proben gnug in ihren Schriften leſen:
Was uͤberzeugt denn mich, daß ich nicht irren koͤnne,
Und daß ich gleichfals mich nicht von der Wahrheit trenne?
Ja, daß die Nachwelt uns, daß wir in Jrthum ſtecken,
Wie wir der Vorwelt es gezeigt, einſt wird entdecken?
Der Zweiffel loͤſt ſich bald: Wir wiſſen,
Daß unſer Wiſſen nichts, als Stuͤckwerck ſey;
Und wir daher, wie billig glauben muͤſſen.
Nechſt dieſem ſteckt hierin noch zweyerley:
Die Ungewißheit aller Sachen,
Beſinnen wir uns recht,
Soll billig gegen GOtt uns ehrerbietig machen,
Und voll Vertraͤglichkeit fuͤrs menſchliche Geſchlecht.
Erkennet man, daß man nichts weiß;
Gereicht es ja zu GOttes Preis,
Weil man bey ihm allein die wahre Weißheit findet.
Das andre, welches auch in der Erkaͤnntniß ſteckt,
Jſt, daß, da man der Menſchen Schwaͤch’ entdeckt;
Zur Naͤchſten-Lieb’ uns der Begriff verbindet:
Denn ſoll mein Naͤchſter ſich mit meiner Schwachheit plagen;
Warum will ich die ſeine nicht vertragen?
[Abbildung]
Un-
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[299/0315] Nuͤtzliche Ungewißheit. Dasjenige, was er geglaubt, fuͤr wahr, Fuͤr deutlich angeſehn und uͤberzeuglich klar; Ob ſie gleich alleſammt geirrt, Und ſich einander ſelbſt verwirrt. Nun ſind ſie weiſe ja, im hohen Grad, geweſen, Wovon wir Proben gnug in ihren Schriften leſen: Was uͤberzeugt denn mich, daß ich nicht irren koͤnne, Und daß ich gleichfals mich nicht von der Wahrheit trenne? Ja, daß die Nachwelt uns, daß wir in Jrthum ſtecken, Wie wir der Vorwelt es gezeigt, einſt wird entdecken? Der Zweiffel loͤſt ſich bald: Wir wiſſen, Daß unſer Wiſſen nichts, als Stuͤckwerck ſey; Und wir daher, wie billig glauben muͤſſen. Nechſt dieſem ſteckt hierin noch zweyerley: Die Ungewißheit aller Sachen, Beſinnen wir uns recht, Soll billig gegen GOtt uns ehrerbietig machen, Und voll Vertraͤglichkeit fuͤrs menſchliche Geſchlecht. Erkennet man, daß man nichts weiß; Gereicht es ja zu GOttes Preis, Weil man bey ihm allein die wahre Weißheit findet. Das andre, welches auch in der Erkaͤnntniß ſteckt, Jſt, daß, da man der Menſchen Schwaͤch’ entdeckt; Zur Naͤchſten-Lieb’ uns der Begriff verbindet: Denn ſoll mein Naͤchſter ſich mit meiner Schwachheit plagen; Warum will ich die ſeine nicht vertragen? [Abbildung] Un-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/315>, abgerufen am 22.11.2024.