Wenn das entstandne Morgenroth die Schatten Westen- wärts verdrenget, Und das bethaute, feuchte Feld den ersten Sonnen-Strahl empfänget, Der über die begrasten Wiesen, wie eine güldne Fluth, sich legt; Wird Millionen reinen Tropfen ein himmlisch Gläutzen eingeprägt. Zu Anfang sieht man hohe Kräuter, und langen Grases schwancke Spitzen, Durch die zuerst empfundne Glut, nur eintzeln hin und wieder blitzen, Biß allgemach ein tausend-färbig-und Diamanten-gleicher Schein Des gantzen Feldes Flächen decket: das Funckeln ist jetzt allgemein. Man siehet alles, was man sieht, in einem bunten Glantze glimmen; Es scheint der halb entzückte Blick zu gleich zu glühen und zu schwimmen Jn bunt gefärbtem Feur und Wasser, von welchem die vereinte Pracht, Durchs Aug' und Hirn, in unsre Seele den angenehmsten Eindruck macht. Den sonst kein Vorwurf wircken kann. Man wundre sich hierüber nicht, Daß, da der Sonnen-Strahl im Thau sich recht als wie ein Demant bricht;
Auch
(***)
Abermahlige Thau-Betrachtungen.
Wenn das entſtandne Morgenroth die Schatten Weſten- waͤrts verdrenget, Und das bethaute, feuchte Feld den erſten Sonnen-Strahl empfaͤnget, Der uͤber die begraſten Wieſen, wie eine guͤldne Fluth, ſich legt; Wird Millionen reinen Tropfen ein himmliſch Glaͤutzen eingepraͤgt. Zu Anfang ſieht man hohe Kraͤuter, und langen Graſes ſchwancke Spitzen, Durch die zuerſt empfundne Glut, nur eintzeln hin und wieder blitzen, Biß allgemach ein tauſend-faͤrbig-und Diamanten-gleicher Schein Des gantzen Feldes Flaͤchen decket: das Funckeln iſt jetzt allgemein. Man ſiehet alles, was man ſieht, in einem bunten Glantze glimmen; Es ſcheint der halb entzuͤckte Blick zu gleich zu gluͤhen und zu ſchwimmen Jn bunt gefaͤrbtem Feur und Waſſer, von welchem die vereinte Pracht, Durchs Aug’ und Hirn, in unſre Seele den angenehmſten Eindruck macht. Den ſonſt kein Vorwurf wircken kann. Man wundre ſich hieruͤber nicht, Daß, da der Sonnen-Strahl im Thau ſich recht als wie ein Demant bricht;
Auch
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(***)
Abermahlige Thau-Betrachtungen.
Wenn das entſtandne Morgenroth die Schatten Weſten-
waͤrts verdrenget,
Und das bethaute, feuchte Feld den erſten Sonnen-Strahl
empfaͤnget,
Der uͤber die begraſten Wieſen, wie eine guͤldne Fluth, ſich
legt;
Wird Millionen reinen Tropfen ein himmliſch Glaͤutzen
eingepraͤgt.
Zu Anfang ſieht man hohe Kraͤuter, und langen Graſes
ſchwancke Spitzen,
Durch die zuerſt empfundne Glut, nur eintzeln hin und
wieder blitzen,
Biß allgemach ein tauſend-faͤrbig-und Diamanten-gleicher
Schein
Des gantzen Feldes Flaͤchen decket: das Funckeln iſt jetzt
allgemein.
Man ſiehet alles, was man ſieht, in einem bunten Glantze
glimmen;
Es ſcheint der halb entzuͤckte Blick zu gleich zu gluͤhen und
zu ſchwimmen
Jn bunt gefaͤrbtem Feur und Waſſer, von welchem die
vereinte Pracht,
Durchs Aug’ und Hirn, in unſre Seele den angenehmſten
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/300>, abgerufen am 16.02.2025.
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