Nicht weniger gefiel auch mir Des Buchs-Baums röthlich-grüne Zier, Auf welchem, da ein jedes Blatt, Recht wie Orangen-Laub, fast Spiegel-glatt, Der heitern Sonne helles Licht Schnell rückwerts strahlt und sich so lieblich bricht, Daß, mit der grünen Pracht, an manchem Ort, vereint, Das Kraut, an manchem Ort, versilbert scheint. Ein lieblich-bitter-süsser Duft Aus diesem Kraut erfüllt umher die Luft. So gar durch die Figur, worin man es gesetzet, Da es bald als ein runder Krantz formirt, Bald als ein Rahmen, der geviert, Jn netter Symmetrie die Garten-Beeten ziert, Wird unser Aug' ergetzet. Diß alles nahm mit einem neuen Schein Das innerste der Seelen ein. Die Hofnung, daß der Winter bald vorbey, Der laue Frühling nahe, sey, Erfüllt mich zum voraus mit künftigem Vergnügen. Aus der so oft gesehnen Lentzen-Zier Stell' ich mir die zukünftge Schönheit für. Die Seele scheint sich zu bemühn, Durch die Erinnerung herbey zu ziehn Und sonder Gegenwart zu fügen, Das was noch nicht, mit dem was nicht mehr, ist.
Wer
Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe.
Nicht weniger gefiel auch mir Des Buchs-Baums roͤthlich-gruͤne Zier, Auf welchem, da ein jedes Blatt, Recht wie Orangen-Laub, faſt Spiegel-glatt, Der heitern Sonne helles Licht Schnell ruͤckwerts ſtrahlt und ſich ſo lieblich bricht, Daß, mit der gruͤnen Pracht, an manchem Ort, vereint, Das Kraut, an manchem Ort, verſilbert ſcheint. Ein lieblich-bitter-ſuͤſſer Duft Aus dieſem Kraut erfuͤllt umher die Luft. So gar durch die Figur, worin man es geſetzet, Da es bald als ein runder Krantz formirt, Bald als ein Rahmen, der geviert, Jn netter Symmetrie die Garten-Beeten ziert, Wird unſer Aug’ ergetzet. Diß alles nahm mit einem neuen Schein Das innerſte der Seelen ein. Die Hofnung, daß der Winter bald vorbey, Der laue Fruͤhling nahe, ſey, Erfuͤllt mich zum voraus mit kuͤnftigem Vergnuͤgen. Aus der ſo oft geſehnen Lentzen-Zier Stell’ ich mir die zukuͤnftge Schoͤnheit fuͤr. Die Seele ſcheint ſich zu bemuͤhn, Durch die Erinnerung herbey zu ziehn Und ſonder Gegenwart zu fuͤgen, Das was noch nicht, mit dem was nicht mehr, iſt.
Wer
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[6/0022]
Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe.
Nicht weniger gefiel auch mir
Des Buchs-Baums roͤthlich-gruͤne Zier,
Auf welchem, da ein jedes Blatt,
Recht wie Orangen-Laub, faſt Spiegel-glatt,
Der heitern Sonne helles Licht
Schnell ruͤckwerts ſtrahlt und ſich ſo lieblich bricht,
Daß, mit der gruͤnen Pracht, an manchem Ort, vereint,
Das Kraut, an manchem Ort, verſilbert ſcheint.
Ein lieblich-bitter-ſuͤſſer Duft
Aus dieſem Kraut erfuͤllt umher die Luft.
So gar durch die Figur, worin man es geſetzet,
Da es bald als ein runder Krantz formirt,
Bald als ein Rahmen, der geviert,
Jn netter Symmetrie die Garten-Beeten ziert,
Wird unſer Aug’ ergetzet.
Diß alles nahm mit einem neuen Schein
Das innerſte der Seelen ein.
Die Hofnung, daß der Winter bald vorbey,
Der laue Fruͤhling nahe, ſey,
Erfuͤllt mich zum voraus mit kuͤnftigem Vergnuͤgen.
Aus der ſo oft geſehnen Lentzen-Zier
Stell’ ich mir die zukuͤnftge Schoͤnheit fuͤr.
Die Seele ſcheint ſich zu bemuͤhn,
Durch die Erinnerung herbey zu ziehn
Und ſonder Gegenwart zu fuͤgen,
Das was noch nicht, mit dem was nicht mehr, iſt.
Wer
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/22>, abgerufen am 16.07.2024.
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