Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Mannigfaltigkeit Mannigfaltigkeit der Geschöpfe. Jndem ich jüngst, gestreckt im Blumen reichen Grase, Bey kühler Abend-Zeit was ich einst schriebe, lase: "Der Cörper ruht, und mein Gemüthe "Betrachtet dort, betrachtet hier, "Jn aller Creaturen Zier, "Des Schöpfers Weisheit Macht und Güte; Ward neben mir, als ich bald hin, bald her, Die sanften Blicke wandt', von mir von ungefehr Ein kleiner Frosch erblickt, Der gleichsam zahm, mich gar nicht scheute, Und, wenn ich ihn mit sanften Fingern rieb, Beständig stille sitzen blieb, Worüber ich mich denn verwundert' und erfreute. Er gab mir Stunden-lang Gelegenheit, Auf seine Farb' und seinen Stand zu achten, Und die besondre Seltsamkeit, Mit welcher er gebildet, zu betrachten. Hierüber schwächte sich des späten Tages Schein, Es brach die Dämmerung herein; Als eine andre Creatur, Noch sonderlicher von Figur, Mein' Augen auf sich zog: Ein Fledermäuschen schwärmt' und flog, Mit unbefiedertem Gefieder, Jn tausend Kreisen hin und wieder, Auf eine zitternde geschwinde Weise, Jn grossem bald, und bald in kleinem Kreise, Um meinen Sitz herum. Jndem mir nun bekannt, Wie dieses Thierchens Form so sonderlich bewandt, Be-
Mannigfaltigkeit Mannigfaltigkeit der Geſchoͤpfe. Jndem ich juͤngſt, geſtreckt im Blumen reichen Graſe, Bey kuͤhler Abend-Zeit was ich einſt ſchriebe, laſe: „Der Coͤrper ruht, und mein Gemuͤthe „Betrachtet dort, betrachtet hier, „Jn aller Creaturen Zier, „Des Schoͤpfers Weisheit Macht und Guͤte; Ward neben mir, als ich bald hin, bald her, Die ſanften Blicke wandt’, von mir von ungefehr Ein kleiner Froſch erblickt, Der gleichſam zahm, mich gar nicht ſcheute, Und, wenn ich ihn mit ſanften Fingern rieb, Beſtaͤndig ſtille ſitzen blieb, Woruͤber ich mich denn verwundert’ und erfreute. Er gab mir Stunden-lang Gelegenheit, Auf ſeine Farb’ und ſeinen Stand zu achten, Und die beſondre Seltſamkeit, Mit welcher er gebildet, zu betrachten. Hieruͤber ſchwaͤchte ſich des ſpaͤten Tages Schein, Es brach die Daͤmmerung herein; Als eine andre Creatur, Noch ſonderlicher von Figur, Mein’ Augen auf ſich zog: Ein Fledermaͤuschen ſchwaͤrmt’ und flog, Mit unbefiedertem Gefieder, Jn tauſend Kreiſen hin und wieder, Auf eine zitternde geſchwinde Weiſe, Jn groſſem bald, und bald in kleinem Kreiſe, Um meinen Sitz herum. Jndem mir nun bekannt, Wie dieſes Thierchens Form ſo ſonderlich bewandt, Be-
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Mannigfaltigkeit
Mannigfaltigkeit der Geſchoͤpfe.
Jndem ich juͤngſt, geſtreckt im Blumen reichen Graſe,
Bey kuͤhler Abend-Zeit was ich einſt ſchriebe, laſe:
„Der Coͤrper ruht, und mein Gemuͤthe
„Betrachtet dort, betrachtet hier,
„Jn aller Creaturen Zier,
„Des Schoͤpfers Weisheit Macht und Guͤte;
Ward neben mir, als ich bald hin, bald her,
Die ſanften Blicke wandt’, von mir von ungefehr
Ein kleiner Froſch erblickt,
Der gleichſam zahm, mich gar nicht ſcheute,
Und, wenn ich ihn mit ſanften Fingern rieb,
Beſtaͤndig ſtille ſitzen blieb,
Woruͤber ich mich denn verwundert’ und erfreute.
Er gab mir Stunden-lang Gelegenheit,
Auf ſeine Farb’ und ſeinen Stand zu achten,
Und die beſondre Seltſamkeit,
Mit welcher er gebildet, zu betrachten.
Hieruͤber ſchwaͤchte ſich des ſpaͤten Tages Schein,
Es brach die Daͤmmerung herein;
Als eine andre Creatur,
Noch ſonderlicher von Figur,
Mein’ Augen auf ſich zog:
Ein Fledermaͤuschen ſchwaͤrmt’ und flog,
Mit unbefiedertem Gefieder,
Jn tauſend Kreiſen hin und wieder,
Auf eine zitternde geſchwinde Weiſe,
Jn groſſem bald, und bald in kleinem Kreiſe,
Um meinen Sitz herum. Jndem mir nun bekannt,
Wie dieſes Thierchens Form ſo ſonderlich bewandt,
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