Geliebteste Belisa, sprich, Da du in unserm schönen Garten So manche Schönheit siehst, und nicht recht sonderlich Darüber frölich bist; sprich, worauf wilst du warten? Auf welche Zeit verschiebst du deine Lust? Was auf der Welt vergnügliches zu hoffen, Wie dir so wol, als mir bewust, Jst ja, GOtt Lob! bey uns schon eingetroffen. Du kanst und wirst nichts bessers hier verlangen. Ach, so verzögre doch nicht länger|, anzufangen, Dich an den gegenwärt'gen Schätzen Auch gegenwärtig zu ergetzen, Und dem, der es uns giebt, zu Ehren, froh zu seyn! Denn, nach der Ordnung der Natur, Bemerckt man überall die Spur, Daß ungeprüfte Lust und nicht gefühlt Vergnügen, Mit der beständig-regen Zeit, So wol als die, so man gefühlet und genossen, Mit ungehemmter Schnelligkeit Unwiederbringlich von uns fliegen Und, eh man sichs versieht, bereits davon geflossen. Die Augenblick' und Zeit, worin uns Anmuth fehlt, Die wir uns selber können geben, Sind uns nicht minder zugezehlt, Als die Vergnüglichsten von unserm Leben.
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Der
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Erinnerung.
Geliebteſte Beliſa, ſprich, Da du in unſerm ſchoͤnen Garten So manche Schoͤnheit ſiehſt, und nicht recht ſonderlich Daruͤber froͤlich biſt; ſprich, worauf wilſt du warten? Auf welche Zeit verſchiebſt du deine Luſt? Was auf der Welt vergnuͤgliches zu hoffen, Wie dir ſo wol, als mir bewuſt, Jſt ja, GOtt Lob! bey uns ſchon eingetroffen. Du kanſt und wirſt nichts beſſers hier verlangen. Ach, ſo verzoͤgre doch nicht laͤnger|, anzufangen, Dich an den gegenwaͤrt’gen Schaͤtzen Auch gegenwaͤrtig zu ergetzen, Und dem, der es uns giebt, zu Ehren, froh zu ſeyn! Denn, nach der Ordnung der Natur, Bemerckt man uͤberall die Spur, Daß ungepruͤfte Luſt und nicht gefuͤhlt Vergnuͤgen, Mit der beſtaͤndig-regen Zeit, So wol als die, ſo man gefuͤhlet und genoſſen, Mit ungehemmter Schnelligkeit Unwiederbringlich von uns fliegen Und, eh man ſichs verſieht, bereits davon gefloſſen. Die Augenblick’ und Zeit, worin uns Anmuth fehlt, Die wir uns ſelber koͤnnen geben, Sind uns nicht minder zugezehlt, Als die Vergnuͤglichſten von unſerm Leben.
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Erinnerung.
Geliebteſte Beliſa, ſprich,
Da du in unſerm ſchoͤnen Garten
So manche Schoͤnheit ſiehſt, und nicht recht ſonderlich
Daruͤber froͤlich biſt; ſprich, worauf wilſt du warten?
Auf welche Zeit verſchiebſt du deine Luſt?
Was auf der Welt vergnuͤgliches zu hoffen,
Wie dir ſo wol, als mir bewuſt,
Jſt ja, GOtt Lob! bey uns ſchon eingetroffen.
Du kanſt und wirſt nichts beſſers hier verlangen.
Ach, ſo verzoͤgre doch nicht laͤnger|, anzufangen,
Dich an den gegenwaͤrt’gen Schaͤtzen
Auch gegenwaͤrtig zu ergetzen,
Und dem, der es uns giebt, zu Ehren, froh zu ſeyn!
Denn, nach der Ordnung der Natur,
Bemerckt man uͤberall die Spur,
Daß ungepruͤfte Luſt und nicht gefuͤhlt Vergnuͤgen,
Mit der beſtaͤndig-regen Zeit,
So wol als die, ſo man gefuͤhlet und genoſſen,
Mit ungehemmter Schnelligkeit
Unwiederbringlich von uns fliegen
Und, eh man ſichs verſieht, bereits davon gefloſſen.
Die Augenblick’ und Zeit, worin uns Anmuth fehlt,
Die wir uns ſelber koͤnnen geben,
Sind uns nicht minder zugezehlt,
Als die Vergnuͤglichſten von unſerm Leben.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/199>, abgerufen am 16.02.2025.
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