Beschau, o Mensch, der Blumen-Pracht! Nimm was in ihnen steckt in acht! Man kann von ihres Schöpffers Macht Die Nachricht in gefärbten Lettern, Auf ihren zart- und bunten Blättern, Jn nett-verschrenckten Zügen lesen. Um seine Weisheit zu erheben, Scheint jede sich recht zu bestreben, Mit bunten Fingern ihn zu weisen, Mit stillem Munde GOtt zu preisen. Es lobt den Schöpfer der Natur Bald ihre zierliche Figur, Bald ihre Farbe, bald ihr Grün, Und will uns gerne zu sich ziehn; Bald qvillet ein ambrirter Rauch, Bald fährt ein angewürtzter Hauch Aus ihrer Feuer-reichen Brust, Verändert unsrer Augen Lust Und suchet den Geruch zu nähren, Und uns zu gleicher Zeit zu lehren, Daß nimmer von ihr selber nicht Sie so vortreflich riechen könne, Und ein so kräftig Rauchwercks-Licht Jn ihr nicht von sich selber brenne. Nun ist und riecht die Blume schön, Die Seele kann sie riechen, sehn; Will sie sich denn nicht auch bestreben, Die Kraft, die ihr geschenckt, das Dencken, Jn Lust und Danck auf den zu lencken, Der beiden Seyn und Kraft gegeben?
Die
Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Beſchau, o Menſch, der Blumen-Pracht! Nimm was in ihnen ſteckt in acht! Man kann von ihres Schoͤpffers Macht Die Nachricht in gefaͤrbten Lettern, Auf ihren zart- und bunten Blaͤttern, Jn nett-verſchrenckten Zuͤgen leſen. Um ſeine Weisheit zu erheben, Scheint jede ſich recht zu beſtreben, Mit bunten Fingern ihn zu weiſen, Mit ſtillem Munde GOtt zu preiſen. Es lobt den Schoͤpfer der Natur Bald ihre zierliche Figur, Bald ihre Farbe, bald ihr Gruͤn, Und will uns gerne zu ſich ziehn; Bald qvillet ein ambrirter Rauch, Bald faͤhrt ein angewuͤrtzter Hauch Aus ihrer Feuer-reichen Bruſt, Veraͤndert unſrer Augen Luſt Und ſuchet den Geruch zu naͤhren, Und uns zu gleicher Zeit zu lehren, Daß nimmer von ihr ſelber nicht Sie ſo vortreflich riechen koͤnne, Und ein ſo kraͤftig Rauchwercks-Licht Jn ihr nicht von ſich ſelber brenne. Nun iſt und riecht die Blume ſchoͤn, Die Seele kann ſie riechen, ſehn; Will ſie ſich denn nicht auch beſtreben, Die Kraft, die ihr geſchenckt, das Dencken, Jn Luſt und Danck auf den zu lencken, Der beiden Seyn und Kraft gegeben?
Die
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Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Beſchau, o Menſch, der Blumen-Pracht!
Nimm was in ihnen ſteckt in acht!
Man kann von ihres Schoͤpffers Macht
Die Nachricht in gefaͤrbten Lettern,
Auf ihren zart- und bunten Blaͤttern,
Jn nett-verſchrenckten Zuͤgen leſen.
Um ſeine Weisheit zu erheben,
Scheint jede ſich recht zu beſtreben,
Mit bunten Fingern ihn zu weiſen,
Mit ſtillem Munde GOtt zu preiſen.
Es lobt den Schoͤpfer der Natur
Bald ihre zierliche Figur,
Bald ihre Farbe, bald ihr Gruͤn,
Und will uns gerne zu ſich ziehn;
Bald qvillet ein ambrirter Rauch,
Bald faͤhrt ein angewuͤrtzter Hauch
Aus ihrer Feuer-reichen Bruſt,
Veraͤndert unſrer Augen Luſt
Und ſuchet den Geruch zu naͤhren,
Und uns zu gleicher Zeit zu lehren,
Daß nimmer von ihr ſelber nicht
Sie ſo vortreflich riechen koͤnne,
Und ein ſo kraͤftig Rauchwercks-Licht
Jn ihr nicht von ſich ſelber brenne.
Nun iſt und riecht die Blume ſchoͤn,
Die Seele kann ſie riechen, ſehn;
Will ſie ſich denn nicht auch beſtreben,
Die Kraft, die ihr geſchenckt, das Dencken,
Jn Luſt und Danck auf den zu lencken,
Der beiden Seyn und Kraft gegeben?
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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