Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Betrachtung der Vögel. Daß sie so singen heisst? Ach nein!Wo wir vernünftig seyn, So kann man ja wol anders nicht gedencken, Als daß der grosse Schöpfer ihnen, Um Jhm, auf ihre Art, zu Seiner Ehr zu dienen, Und auch zugleich uns mit dahin zu lencken, Die Werck-Zeug, Fähigkeit, und Lust dazu zu schencken, Sie wehrt gehalten hat. Es kommt mir vor, Als ob der kleinen Sänger Chor, Damit er Dem Lob, Preis und Ehre gebe, Durch den allein die Wälder grünen, Dem alle Creaturen dienen, So süß zu singen sich bestrebe. Mich deucht, kann ich gleich nicht der Vögel Sprach' er- gründen, Jn ihrem singen dieß zu finden: "Es ist bloß Deine Gnad' allein, "O HERR, daß wir erschaffen seyn. "Wir können an des Frühlings Schätzen "Und Lieblichkeiten uns ergetzen. "Unzehlig sind die Wunder, die die Welt, "Zu unsrer Aumuth, in sich hält. "Mit wie so mancher Freud' und Wonne, "Mit wie viel Lieblichkeit und Lust "Erfüllet unsre kleine Brust "Der Wärm- und Strahlen Quell, die Sonne! "Wie schön, wie Wunder-schön "Sind Erd und Himmel anzusehn! "Daß wir so schnell die Schwingen regen, "So fert- und hurtig uns bewegen, "Jst einzig uns von Dir verliehn. "So
Betrachtung der Voͤgel. Daß ſie ſo ſingen heiſſt? Ach nein!Wo wir vernuͤnftig ſeyn, So kann man ja wol anders nicht gedencken, Als daß der groſſe Schoͤpfer ihnen, Um Jhm, auf ihre Art, zu Seiner Ehr zu dienen, Und auch zugleich uns mit dahin zu lencken, Die Werck-Zeug, Faͤhigkeit, und Luſt dazu zu ſchencken, Sie wehrt gehalten hat. Es kommt mir vor, Als ob der kleinen Saͤnger Chor, Damit er Dem Lob, Preis und Ehre gebe, Durch den allein die Waͤlder gruͤnen, Dem alle Creaturen dienen, So ſuͤß zu ſingen ſich beſtrebe. Mich deucht, kann ich gleich nicht der Voͤgel Sprach’ er- gruͤnden, Jn ihrem ſingen dieß zu finden: „Es iſt bloß Deine Gnad’ allein, „O HERR, daß wir erſchaffen ſeyn. „Wir koͤnnen an des Fruͤhlings Schaͤtzen „Und Lieblichkeiten uns ergetzen. „Unzehlig ſind die Wunder, die die Welt, „Zu unſrer Aumuth, in ſich haͤlt. „Mit wie ſo mancher Freud’ und Wonne, „Mit wie viel Lieblichkeit und Luſt „Erfuͤllet unſre kleine Bruſt „Der Waͤrm- und Strahlen Quell, die Sonne! „Wie ſchoͤn, wie Wunder-ſchoͤn „Sind Erd und Himmel anzuſehn! „Daß wir ſo ſchnell die Schwingen regen, „So fert- und hurtig uns bewegen, „Jſt einzig uns von Dir verliehn. „So
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Betrachtung der Voͤgel.
Daß ſie ſo ſingen heiſſt? Ach nein!
Wo wir vernuͤnftig ſeyn,
So kann man ja wol anders nicht gedencken,
Als daß der groſſe Schoͤpfer ihnen,
Um Jhm, auf ihre Art, zu Seiner Ehr zu dienen,
Und auch zugleich uns mit dahin zu lencken,
Die Werck-Zeug, Faͤhigkeit, und Luſt dazu zu ſchencken,
Sie wehrt gehalten hat. Es kommt mir vor,
Als ob der kleinen Saͤnger Chor,
Damit er Dem Lob, Preis und Ehre gebe,
Durch den allein die Waͤlder gruͤnen,
Dem alle Creaturen dienen,
So ſuͤß zu ſingen ſich beſtrebe.
Mich deucht, kann ich gleich nicht der Voͤgel Sprach’ er-
gruͤnden,
Jn ihrem ſingen dieß zu finden:
„Es iſt bloß Deine Gnad’ allein,
„O HERR, daß wir erſchaffen ſeyn.
„Wir koͤnnen an des Fruͤhlings Schaͤtzen
„Und Lieblichkeiten uns ergetzen.
„Unzehlig ſind die Wunder, die die Welt,
„Zu unſrer Aumuth, in ſich haͤlt.
„Mit wie ſo mancher Freud’ und Wonne,
„Mit wie viel Lieblichkeit und Luſt
„Erfuͤllet unſre kleine Bruſt
„Der Waͤrm- und Strahlen Quell, die Sonne!
„Wie ſchoͤn, wie Wunder-ſchoͤn
„Sind Erd und Himmel anzuſehn!
„Daß wir ſo ſchnell die Schwingen regen,
„So fert- und hurtig uns bewegen,
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„So
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