Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Betrachtung der Vögel. Wer kann die zierliche Figur, Der Farben Glantz, dein schnell Gefieder, Die Hurtigkeit der leichten Glieder, Bewunderns-wehrte Creatur, Ohn' Anmuth, ohne Freude sehn? Wann sie sich schnell durch dünne Lüffte schwingen, Recht wie ein Pfeil durch dichte Blätter dringen; Wann sie behend und rasch von Zweig zu Zweigen springen, Mit schlanckem Hals' ihr kleines Köpffchen drehn, Durch Sträucher schlupffen, schweben, fliegen, Mit schwancken Zweigen sich bald auf-bald abwärts wiegen; Bald auf ein steiffer Aestchen setzen, Jhr Schnäbelchen von beiden Seiten wetzen, Bald vor-bald hinterwärts bald hüpffen, und bald stehn, Bald an ein kleines Zweiglein hangen, Bald eine Flieg' im Fluge fangen; Sich ietzt in dick verwachsne Hecken, Mit schwirrendem Gepfeiff, verstecken; Behende wiederüm erscheinen, und von neuen Mit tzwitscherndem Geräusch und tausend Gauckeleyen So Aug' als Ohr erfreuen. Wann, sag' ich, dieß ihr flüchtig Wesen Ein auch nicht aufgeräumt Gemüth, Mit aufmercksamen Ohr- und Blicken, hört und sieht, Wird es von seinem Gram genesen. Es wird der Vögel Munterkeit. Jhr frohes hüpffen, schertzen, springen, Jhr helles, Sorgen-freyes singen, Fast wider seinen Willen, ihn Aus seiner tieffen Schwehrmuth ziehn. Zu- D 3
Betrachtung der Voͤgel. Wer kann die zierliche Figur, Der Farben Glantz, dein ſchnell Gefieder, Die Hurtigkeit der leichten Glieder, Bewunderns-wehrte Creatur, Ohn’ Anmuth, ohne Freude ſehn? Wann ſie ſich ſchnell durch duͤnne Luͤffte ſchwingen, Recht wie ein Pfeil durch dichte Blaͤtter dringen; Wann ſie behend und raſch von Zweig zu Zweigen ſpringen, Mit ſchlanckem Halſ’ ihr kleines Koͤpffchen drehn, Durch Straͤucher ſchlupffen, ſchweben, fliegen, Mit ſchwancken Zweigen ſich bald auf-bald abwaͤrts wiegen; Bald auf ein ſteiffer Aeſtchen ſetzen, Jhr Schnaͤbelchen von beiden Seiten wetzen, Bald vor-bald hinterwaͤrts bald huͤpffen, und bald ſtehn, Bald an ein kleines Zweiglein hangen, Bald eine Flieg’ im Fluge fangen; Sich ietzt in dick verwachſne Hecken, Mit ſchwirrendem Gepfeiff, verſtecken; Behende wiederuͤm erſcheinen, und von neuen Mit tzwitſcherndem Geraͤuſch und tauſend Gauckeleyen So Aug’ als Ohr erfreuen. Wann, ſag’ ich, dieß ihr fluͤchtig Weſen Ein auch nicht aufgeraͤumt Gemuͤth, Mit aufmerckſamen Ohr- und Blicken, hoͤrt und ſieht, Wird es von ſeinem Gram geneſen. Es wird der Voͤgel Munterkeit. Jhr frohes huͤpffen, ſchertzen, ſpringen, Jhr helles, Sorgen-freyes ſingen, Faſt wider ſeinen Willen, ihn Aus ſeiner tieffen Schwehrmuth ziehn. Zu- D 3
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Betrachtung der Voͤgel.
Wer kann die zierliche Figur,
Der Farben Glantz, dein ſchnell Gefieder,
Die Hurtigkeit der leichten Glieder,
Bewunderns-wehrte Creatur,
Ohn’ Anmuth, ohne Freude ſehn?
Wann ſie ſich ſchnell durch duͤnne Luͤffte ſchwingen,
Recht wie ein Pfeil durch dichte Blaͤtter dringen;
Wann ſie behend und raſch von Zweig zu Zweigen ſpringen,
Mit ſchlanckem Halſ’ ihr kleines Koͤpffchen drehn,
Durch Straͤucher ſchlupffen, ſchweben, fliegen,
Mit ſchwancken Zweigen ſich bald auf-bald abwaͤrts wiegen;
Bald auf ein ſteiffer Aeſtchen ſetzen,
Jhr Schnaͤbelchen von beiden Seiten wetzen,
Bald vor-bald hinterwaͤrts bald huͤpffen, und bald ſtehn,
Bald an ein kleines Zweiglein hangen,
Bald eine Flieg’ im Fluge fangen;
Sich ietzt in dick verwachſne Hecken,
Mit ſchwirrendem Gepfeiff, verſtecken;
Behende wiederuͤm erſcheinen, und von neuen
Mit tzwitſcherndem Geraͤuſch und tauſend Gauckeleyen
So Aug’ als Ohr erfreuen.
Wann, ſag’ ich, dieß ihr fluͤchtig Weſen
Ein auch nicht aufgeraͤumt Gemuͤth,
Mit aufmerckſamen Ohr- und Blicken, hoͤrt und ſieht,
Wird es von ſeinem Gram geneſen.
Es wird der Voͤgel Munterkeit.
Jhr frohes huͤpffen, ſchertzen, ſpringen,
Jhr helles, Sorgen-freyes ſingen,
Faſt wider ſeinen Willen, ihn
Aus ſeiner tieffen Schwehrmuth ziehn.
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